# taz.de -- Abschiebung nach Griechenland: Letzte Chance vor Gericht
       
       > Flüchtlinge wollen verhindern, dass sie nach Griechenland abgeschoben
       > werden, wo Asylchaos herrscht. Das Bundesverfassungsgericht könnte ihnen
       > helfen.
       
 (IMG) Bild: Klare Botschaft: Protest vor dem Bundesverfassungsgericht.
       
       Können sich Flüchtlinge aus Drittstaaten dagegen wehren, in den EU-Staat
       Griechenland abgeschoben zu werden? Diese Frage prüfte am Donnerstag das
       Bundesverfassungsgericht anhand eines Musterfalls. Die Richter sind gewillt
       zu helfen, wissen aber noch nicht wie. "Wenn man im Einzelfall großzügig
       ist, welche Folgen hat das dann fürs System?", fragte am Donnerstag der
       konservative Verfassungsrichter Udo di Fabio.
       
       Verhandelt wurde in Karlsruhe über die Klage eines 30-jährigen Kurden aus
       dem Irak. Er hatte in Deutschland Asyl beantragt, sollte aber nach
       Griechenland überstellt werden, weil er dort Ende 2007 in die EU eingereist
       war. Nach der sogenannten Dublin-II-Verordnung ist jeweils das Land des
       Erstkontakts für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig.
       
       Die meisten Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, wollen allerdings so
       schnell wie möglich weg, weil ihre Behandlung dort menschenunwürdig ist und
       es auch keine regulären Asylverfahren gibt. Das ist unumstritten und wurde
       von der EU-Kommission längst gerügt.
       
       Im Mittelpunkt stand daher in Karlsruhe am Donnerstag die Frage, ob der
       Iraker in Deutschland gegen seine Rücküberstellung nach Griechenland klagen
       kann oder nicht. Das deutsche Asylverfahrensgesetz sieht zunächst keinen
       Rechtsschutz vor. Und auch das Grundgesetz erlaubt seit 1993 die
       Abschiebung ohne Klagemöglichkeit, wenn ein Flüchtling aus einem sicheren
       Drittstaat oder einen EU-Staat kommt (Artikel 16 a).
       
       Diese damals heiß umstrittene Asylrechtsänderung hatte Karlsruhe 1996
       geprüft und im Prinzip gebilligt. Allerdings hatte das Gericht seinerzeit
       auch erklärt, dass es Ausnahmen geben muss. Ob die Abschiebung nach
       Griechenland solch ein Ausnahmefall ist, das muss das Verfassungsgericht
       nun prüfen.
       
       Die Bundesregierung lehnt ein Klagerecht ab. Innenminister Thomas de
       Maizière (CDU) sagte, die "innere Würde der EU" gebiete es, alle
       EU-Mitglieder als Rechtsstaaten zu betrachten. Ausnahmen könne es nur nach
       einem Putsch geben. Deutschland sei aber durchaus solidarisch:
       "Griechenland erbittet Hilfe, Griechenland braucht Hilfe, Griechenland
       bekommt Hilfe." Deutschland zahle "namhafte Beträge", damit dort bis Ende
       2011 ein funktionsfähiges Asylsystem entsteht.
       
       Für den Innenminister ist allerdings entscheidend, dass diese Hilfen
       freiwillig sind und die Flüchtlinge auch weiterhin keine Rechtsansprüche
       haben. Griechenland dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die anderen
       EU-Partner einspringen und die Flüchtlinge aufnehmen. "Das wäre ja geradezu
       eine Einladung, das Problem nicht selbst zu lösen", so de Maizière.
       
       Es seien aber, so der Innenminister, in diesem Jahr auch nur 43 Flüchtlinge
       aus Deutschland nach Griechenland abgeschoben worden. In 1.017 Fällen
       hätten deutsche Behörden das Asylverfahren übernommen.
       
       Den Verfassungsrichtern dürften diese politischen Erwägungen nicht genügen.
       Ein Flüchtling dürfe "nicht Objekt" des Verfahrens sein, betonte Richter di
       Fabio und erinnerte an die "Würde des Menschen". Relevant ist der Ausgang
       des Verfahrens vor allem für rund 1.000 aus Griechenland stammende
       Flüchtlinge, deren Abschiebeverfahren derzeit nur ausgesetzt ist.
       
       Der Anwalt des Flüchtlings, Reinhard Marx, versuchte den
       Verfassungsrichtern erfolglos zu erklären, dass Artikel 16 a längst durch
       ein europäisches Asylsystem ersetzt worden sei. Die Richter wollen die
       Lösung aber lieber dort suchen, wo sie sich auskennen und zuständig sind:
       im Grundgesetz. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
       
       28 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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