# taz.de -- Sofia Coppolas "Somewhere": Ein Film mit eigentümlichem Nachhall
       
       > Hollywood kann so banal sein. Sofia Coppola hat darüber einen wunderbar
       > atmosphärischen Film gedreht: "Somewhere". Ein Werk, dass einem immer
       > wieder in den Sinn kommt.
       
 (IMG) Bild: Zärtlicher, komplizenhafter Blick: Coppolas Helden, der Jungstar Johnny Marco (Stephen Dorff) und dessen elfjährigen Tochter Cleo (Elle Fanning).
       
       Was für ein schöner, anrührender Moment! Bevor er Sofia Coppola den
       Goldenen Löwen mit einem Kuss auf die Wange überreichte, begründete Quentin
       Tarantino mit wenigen klaren Worten die Entscheidung seiner Jury.
       "Somewhere" sei ein Film, der dem Betrachter noch lange nach dem Verlassen
       des Kinos immer wieder in den Sinn komme. So sei es auch bei den
       Diskussionen innerhalb der Jury gewesen. Coppolas Film habe während der
       gesamten Festivalzeit nie an Präsenz verloren.
       
       Und wirklich, in diesem eigentümlichen Nachhall liegt die Qualität nicht
       nur von "Somewhere", sondern von Sofia Coppolas Kino überhaupt. Warum kann
       man sich so gut an Scarlett Johanssons melancholische Augen erinnern, wenn
       sie vom Fensterbrett ihres durchgestyltem Hotelzimmers auf Tokio schaut?
       Oder an Kirsten Dunsts Marie Antoinette, von der eine unendliche
       Verlassenheit ausgeht, wenn sie neben ihrem königlichen Gemahl im Bett
       liegt?
       
       Man bringt diese Bilder nicht zwangsläufig mit einem Plot zusammen, denn
       Sofia Coppola ist alles andere als eine klassische Geschichtenerzählerin.
       Sie macht auch kein Identifikationskino. Ihre Filme bleiben in Erinnerung,
       weil sie sich die Zeit nehmen, mit ihren Helden und Heldinnen in eine
       Situation einzutauchen, in eine Stimmung zu versinken, die manchmal schon
       im Titel ihrer Filme mitschwingt: "Lost in Translation" oder jetzt eben
       "Somewhere".
       
       Tatsächlich scheint der Held ihres neuen Films den Kontakt zur Außenwelt
       verloren zu haben. Über mehrere Tage hinweg begleitet Sofia Coppola in
       "Somewhere" den Alltag eines Jungstars namens Johnny Marco (Stephen Dorff).
       Oder sollte man besser sagen: die Unmöglichkeit eines Alltags?
       
       In Hollywoods Luxushotel Chateau Marmont lebt Johnny von Party zu Party,
       von One-Night-Stand zu Pressetermin zu Fotosession. Gesteuert wird sein
       Leben von den Anrufen einer Agentin, die im Business-Tonfall Termine
       verkündet, aber niemals in Erscheinung tritt. Bleiben diese Anrufe aus,
       wirkt Johnny wie eine Marionette, deren Fäden sich senken.
       
       Dann ist er nicht einmal mehr der Besucher seines eigenen Lebens, sondern
       einfach ein Mensch, der sich selbst nicht mehr wahrnimmt. Der beim Sex
       einschläft, dessen letzter Halt die Flasche Bier in seiner Hand und dessen
       Lebenssound das Motorengeräusch seines Ferraris ist, mit dem er immer
       wieder ziellos durch Los Angeles fährt. "Somewhere" oder "Irgendwo" wird
       zum Nirgendwo einer banal realen Hollywoodexistenz.
       
       Dennoch ist "Somewhere" weit mehr als ein Kommentar auf die Schattenseiten
       des Glamours, auf das übersättigte Lebens im Luxus. Sofia Coppola führt mit
       Johnny ihre Verlorenheits- und Melancholie-Studien weiter, auch indem sie
       Motive ihrer früheren Filme aufgreift und variiert. Johnny ist ein Bruder
       im Geiste von Marie Antoinette, die im goldenen Käfig von Versailles in
       einem ähnlichen Korsett lebt. Oder von Charlotte (Scarlett Johansson) und
       Bob (Bill Murray), die im Park-Hyatt-Hotel von Tokio eine klimatisierte
       Jet-Lag-Existenz führen.
       
       Auch in "Somewhere" herrscht der leise Humor, der das Entfremdungsszenario
       mit absurden Situationen verstärkt - und bricht. Etwa eine Pressekonferenz
       zu Johnnys neuem Film, bei der er gefragt wird, ob er gerne einmal nach
       China reisen wolle und was das Drehbuch vor dem Hintergrund der
       postmodernen Globalisierung bedeute. Eine der wenigen Konstanten in Johnnys
       Leben scheinen zwei Striptease-Tänzerinnen zu sein, die seine Suite in
       immer neuen Outfits (Krankenschwestern, Tennisspielerinnen) besuchen. In
       der Sporttasche habe sie zwei zusammenklappbare Metallstangen dabei, um die
       sie sich bei ihren Musiknummern winden können.
       
       Eine andere Konstante sind die Besuche seiner elfjährigen Tochter Cleo
       (Elle Fanning). Dieses Mal wird sie länger bleiben, weil ihre Mutter "Zeit
       für sich selbst braucht". Cleo und Johnny werden kaum ein Wort miteinander
       wechseln, auch gerät sein Leben durch die ungewohnte Vaterrolle nicht
       weiter in Bewegung. Aber für einen flüchtigen Moment scheint dieses Leben
       weniger leer zu sein.
       
       Sofia Coppola beobachtet diesen Vater und seine Tochter nicht. Eher scheint
       es, als nehme sie selbst auf den Sofas und in den Loungeecken Platz, als
       liege sie ebenfalls beim nächtlichen Eisessen mit im Bett. Mit diesem
       zärtlichen, komplizenhaften Blick lässt sie die beiden einfach miteinander
       sein.
       
       Etwa wenn sie gemeinsam stundenlang Computerspiele vor dem Fernseher
       spielen. Wenn die Kleine in der Küche der Hotelsuite ein üppiges Frühstück
       zubereitet, dessen Zutaten sie zuvor beim Zimmerservice geordert hat. Oder
       wenn Vater und Tochter einträchtig am Pool des Chateau Marmont lümmeln. Da
       braucht Coppola, diese Meisterin des Stimmungskinos, dann nur zwei
       Sonnenliegen und vier Füße, die verraten, dass es zwei Menschen miteinander
       gut geht.
       
       11 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Leweke
       
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