# taz.de -- Birmanische Oppositionsführerin ist frei: Ikone der Demokratiebewegung
       
       > Nach siebeneinhalb Jahren Hausarrest ist Aung San Suu Kyi wieder frei.
       > Sie kündigt ihre Rückkehr in die Politik an. Tausende Menschen feiern die
       > Oppositionsführerin.
       
 (IMG) Bild: Ihre Anhänger bejubeln, dass Aung San Suu Kyi sich wieder frei bewegen kann.
       
       Der Applaus toste, der Jubel nahm kein Ende: Tausende Menschen feierten die
       schmale, grazile Frau mit den Blumen im zurückgesteckten Haar, als sie sich
       am Samstagabend an der Einfahrt ihres Hauses in Rangun zeigte: Aung San Suu
       Kyi, für viele in Birma die Ikone der Demokratiebewegung schlechthin, war
       nach siebeneinhalb Jahren aus dem Hausarrest entlassen worden.
       Blumensträuße wurden der sichtlich bewegt wirkenden Oppositionspolitikerin
       über das Gittertor gereicht. "Wir haben uns so lange nicht gesehen, ich
       habe euch so viel zu sagen!", rief Suu Kyi der Menge zu.
       
       Das tat sie auch am Sonntag am Sitz ihrer Partei, der Nationalen Liga für
       Demokratie (NLD). Suu Kyi forderte Meinungsfreiheit und erklärte, sie werde
       "mit allen demokratischen Kräften zusammenarbeiten". "Mut bedeutet, dass
       wir uns beharrlich für das einsetzen, woran wir glauben. Mut bedeutet
       nicht, seine physische Kraft einzusetzen und laut zu werden", sagte sie in
       Anspielung auf das Militärregime.
       
       Für jeden, der sie kennt, stand von vornherein fest, dass Aung San Suu Kyi,
       einmal in Freiheit, ihre politischen Aktivitäten sofort wieder aufnehmen
       wird. Siebeneinhalb Jahre musste die Friedensnobelpreisträgerin warten, bis
       sie schließlich entlassen wurde. Insgesamt hat Suu Kyi 15 der vergangenen
       21 Jahre entweder in Haft oder unter Hausarrest verbracht.
       
       Wie lange die Freiheit der 65-Jährigen diesmal währt, weiß niemand. Es ist
       ein Vabanquespiel, dessen Regeln die Junta bestimmt. Das letzte Mal war Suu
       Kyi im Mai 2002 aus ihrem zweiten langen Hausarrest entlassen worden - nur
       um ein Jahr später wieder weggesperrt zu werden.
       
       Ihr Vater kämpfte gegen Japaner und gegen Briten 
       
       Dass sie einmal zur Freiheitsikone für ihr Land werden würde, damit dürfte
       die Tochter eines berühmten Vaters nicht gerechnet haben. Ihr Vater Aung
       San, bis heute verehrter Nationalheld Birmas, hatte zuerst gegen die
       Japaner und später gegen die britischen Kolonialherren gekämpft. Doch dann
       wurde er, kurz vor der Unabhängigkeit Birmas, von einem politischen Rivalen
       während einer Kabinettssitzung 1947 ermordet. Suu Kyi war damals gerade
       zwei Jahre alt.
       
       Im Jahr 1960 verließ Suu Kyis Mutter mit ihr das Land und ging als
       Botschafterin nach Indien. Suu Kyi verbrachte einen Teil ihrer Jugend dort,
       später studierte sie im englischen Oxford Philosophie, Politik und
       Wirtschaft. In England lernte sie auch ihren Mann, den britischen
       Tibetologen Michael Aris, kennen. Sie bekam zwei Söhne mit ihm.
       
       Nach Birma kehrte Suu Kyi erst 1988 zurück - um ihre kranke Mutter zu
       pflegen. Dieses Jahr war ein schicksalhaftes für die Frau, die ihre Heimat
       jahrzehntelang nicht gesehen hatte. Die Studenten hatten sich gegen das
       Militärregime erhoben - und Suu Kyi hielt im August 1988 ihre erste
       aufsehenerregende Rede, mit der sie zur Ikone des Widerstands wurde: "Als
       Tochter meines Vaters kann ich nicht gleichgültig gegenüber dem bleiben,
       was hier passiert."
       
       Innerhalb der Armee kam es zu einem Putsch, in dessen Folge eine neue Junta
       die Macht ergriff. Jene Militärs, die das Land in Myanmar umbenannten,
       ließen die Massenproteste niederschlagen. Auch verboten sie jeglichen
       pro-demokratischen Protest. Trotzdem wurde im September 1988 die NLD mit
       Suu Kyi als Parteivorsitzender gegründet. Die Oppositionsführerin selbst
       wurde im Juli 1989 zum ersten Mal unter Hausarrest gestellt.
       
       Den Friedensnobelpreis nahm ihr Sohn entgegen 
       
       Seitdem bietet die im Volk auch die "Lady" Genannte der Junta die Stirn:
       "Wirkliche Freiheit ist für mich die Freiheit von Angst. Solange Sie in
       Angst leben, können Sie kein menschenwürdiges Leben führen", formulierte
       sie einmal ihr Motto. Obwohl ihre Parteivorsitzende weggesperrt war, gewann
       die NLD 1990 mit rund 80 Prozent der Stimmen die Parlamentswahlen. Aber
       Birmas Generäle haben diesen Sieg nie anerkannt. Im Jahr darauf wurde Suu
       Kyi der Friedensnobelpreis verliehen. Anstelle seiner Mutter nahm ihr
       ältester Sohn Alexander Aris in Oslo die Auszeichnung entgegen.
       
       Zwar hoben Birmas Militärs 1995 den Hausarrest gegen Suu Kyi auf, doch frei
       bewegen durfte sie sich nicht. Zwischen den Jahren 2000 und 2002 wurde sie
       erneut unter Arrest gestellt, dann wieder ab 2003. Von der Außenwelt war
       sie zumeist völlig abgeschnitten: Sie hatte weder Telefon noch Internet.
       Ihren Alltag verbrachte sie mit Meditation und Radiohören. Ihre Post wurde
       zensiert, darunter auch die Briefe ihrer beiden Söhne, die sie vor zehn
       Jahren zum vorerst letzten Mal gesehen hatte. Am Sonntag hat Suu Kyi
       erstmals seit Jahren mit ihrem jüngsten Sohn Kim telefoniert, der in
       Erwartung der Freilassung seiner Mutter nach Bangkok gereist war, wo er auf
       eine Einreise nach Birma wartet.
       
       Arrest und Repression vermochte Suu Kyis Widerstand nicht zu brechen. Dabei
       war ihr Politikstil nicht unumstritten: Jahrelang hatte sie die vom Westen
       verhängten Sanktionen ebenso befürwortet wie einen touristischen Boykott.
       Weil Birmas Generäle in China, Indien und in den Ländern des
       südostasiatischen Staatenbunds Asean treue Verbündete haben, sahen die
       Militärs bislang keinen Grund, das Land zu öffnen. Im Jahr 2009 folgte eine
       Kehrtwende Suu Kyis. In einem Schreiben an Juntachef Than Shwe erklärte sie
       sich zur Kooperation mit dem Regime bereit, infolge derer die
       internationalen Sanktionen aufgehoben werden könnten. Passiert ist seitdem
       nichts.
       
       Ihre politische Überzeugung hat Suu Kyi stets über alles gestellt - dafür
       brachte sie große Opfer: 1999 lehnte sie das Angebot der Junta ab, zu ihrem
       todkranken Mann nach England zu reisen. Sie fürchtete, die Militärs könnten
       sie ausbürgern. Michael Aris, dem die Junta mehrfach die Einreise
       verweigerte, starb im März 1999, ohne seine Frau noch einmal gesehen zu
       haben.
       
       14 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Glass
       
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