# taz.de -- Zukunft der Pflegeversicherung: Pflege sich, wer kann!
       
       > Jeder Versicherte soll neben der gesetzlichen eine zweite, private
       > Zusatzversicherung abschließen. Nicht nur die Opposition, auch die
       > gesetzliche Krankenversicherung warnt.
       
 (IMG) Bild: Altenpflege in Frankfurt/Oder.
       
       Das Geld reicht nicht in der Pflege. Spätestens Anfang des Jahres 2014,
       darüber sind sich die Statistiker bei den Versicherungen, in den Verbänden
       und im Gesundheitsministerium einig, wird frisches, zusätzliches Geld in
       den Pflegekassen gebraucht, um den Status quo in der Pflege halten zu
       können. Der Grund ist demografisch und nicht überraschend: Die Zahl der
       Pflegebedürftigen nimmt zu, der Teil der Beitragszahler nimmt allerdings
       ab. 
       
       Geschieht nichts, dann können die Leistungen, auf die pflegebedürftige
       Menschen laut Pflegeversicherung derzeit Anspruch haben, künftig nicht mehr
       bezahlt werden. Im vergangenen Jahr wurden knapp 20 Milliarden Euro für die
       Pflege von 2,1 Millionen Menschen ausgegeben. Der Bundesgesundheitsminister
       Philipp Rösler (FDP) hat deswegen das Jahr 2011 zur Großbaustelle in Sachen
       Pflegeversicherung erklärt.
       
       "Wir drehen an einem richtig großen Rad", heißt es aus Regierungskreisen.
       Beabsichtigt ist ein Systemwechsel: Jeder Versicherte soll künftig dazu
       gezwungen werden, in Ergänzung zum bestehenden Umlageverfahren in der
       Pflegeversicherung eine zweite, kapitalgedeckte Finanzierungssäule mit
       aufzubauen - "verpflichtend, individualisiert und generationengerecht",
       heißt es dazu im Koalitionsvertrag.
       
       Es geht um privatrechtliche Zusatzversicherungen, die abzuschließen jeder
       verpflichtet sein wird. Private Versicherungen rechnen mit zusätzlichen
       Anfangsbeiträgen von 10 bis 20 Euro - monatlich. "Alle anderen
       Versprechungen der Politik sind unseriös", sagt ein Versicherungsvertreter.
       Damit wäre das Ende der paritätischen Finanzierung nach der
       Krankenversicherung auch in der Pflegeversicherung besiegelt.
       
       Davor warnt nicht nur die Opposition, sondern auch die gesetzliche
       Krankenversicherung, die um ihr Geschäft bangt: "Grundlage der sozialen
       Pflegeversicherung sollte das Solidarprinzip bleiben", so eine Sprecherin
       des GKV-Spitzenverbands. Zunehmende Armut habe dazu geführt, dass die Zahl
       der Sozialhilfeabhängigen unter den Pflegebedürftigen in der stationären
       Pflege wieder kontinuierlich ansteige. Die SPD-Generalsekretärin Andrea
       Nahles spricht von einer "Aufkündigung der Solidarität".
       
       Was die Neuregelung bedeutet, hat die parlamentarische Staatssekretärin im
       Gesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), kürzlich auf einem
       Pflegekongress in Berlin skizziert: Die Leistungen sollen zwar nicht
       gekürzt werden, klar sei aber schon jetzt, so Widmann-Mauz, dass die
       Pflegeversicherung trotz der beabsichtigten zweiten Säule weiterhin
       lediglich eine "Teilkaskoversicherung" bleiben werde. Viele
       Pflegebedürftige werden also auch künftig auf ihre Angehörigen, ihre
       Ersparnisse oder das Sozialamt zurückgreifen müssen, um ihre Pflege
       finanzieren zu können.
       
       Und, das bekräftigt Heinz Lanfermann, Bundestagsabgeordneter und
       Pflegeexperte der FDP: "Keinesfalls wollen wir die von Arbeitnehmern und
       Arbeitgebern gemeinsam finanzierten Beitragssätze erneut heraufsetzen."
       Zuletzt waren die Beiträge der 1995 von Norbert Blüm eingeführten
       Pflegeversicherung vor zwei Jahren um 0,2 Prozent erhöht worden auf 1,95
       Prozent bzw. 2,2 Prozent für Kinderlose.
       
       Nach Schätzungen von Experten müsste der heutige Beitragssatz bis 2015 um
       0,7 Prozentpunkte steigen, um das jetzige Niveau zu halten. Das entspricht
       7 Milliarden Euro Mehreinnahmen für die Pflegeversicherung. Das Ziel sei
       aber, sagt Lanfermann, die Lohnnebenkosten nicht noch mehr steigen zu
       lassen.
       
       Außerdem könnten auf die Pflegekassen in den kommenden Jahren höhere
       Ausgaben durch zusätzliche Leistungen zukommen. Denn - auch das ist ein
       Ziel der schwarz-gelben Regierung - die Pflegebedürftigkeit soll neu
       definiert werden (siehe Text unten). Danach könnten auch Demenzkranke
       leichter Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Geschätzte zusätzliche
       Kosten jährlich: 0,2 Prozentpunkte oder 2 Milliarden Euro.
       
       23 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
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