# taz.de -- Kommentar Pflegeversicherung: Wer will schon ungepflegt altern?
       
       > Es ist eigenartig mit der Pflege: Das Thema ist düster, unsexy, am
       > liebsten redet man nicht darüber - doch sobald man selbst betroffen ist,
       > gibt es kaum noch etwas Wichtigeres.
       
       Wer sich von heute auf morgen um die Betreuung seiner Mutter kümmern muss,
       die sich vielleicht nicht mehr orientieren und nicht mehr allein essen
       kann, der taucht ein in den Pflegekosmos aus Sozialstationen, Heimen und
       den Agenturen für polnische Pflegehilfen. Der ist froh, wenn ein Pfleger
       ein paar Minuten mehr Zeit hat und Wohlwollen und Respekt zeigt gegenüber
       dem Neuankömmling. Diese Angehörigen sind sofort bereit, ein Prozent mehr
       ihres Einkommens in eine Pflegeversicherung einzuzahlen. Hauptsache, man
       kann dafür ein bisschen mehr Menschlichkeit kaufen.
       
       Genau das ist der Punkt: Wie teuer darf ein Solidarsystem sein, das nicht
       nur die Betreuung, sondern auch die Menschenwürde gleich mitversichern
       soll? Die Antwort lautet: ziemlich teuer. Und es muss offen darüber
       diskutiert werden, wie man die hohen Belastungen verteilt. Und zwar jetzt.
       
       Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Pflege kein
       Randbereich mehr ist, sondern mit dem Älterwerden der Gesellschaft in deren
       Mitte rückt. Es wird nicht mehr funktionieren, diese Aufgaben un- oder
       schlecht bezahlt vor allem an Frauen zu delegieren: Frauen vor der
       Berufswahl überlegen sich heute zweimal, ob sie in die unterbezahlten
       Care-Berufe einsteigen, in denen sie garantiert keine Rente mit 67
       erreichen.Töchter und Schwiegertöchter von Pflegebedürftigen haben wiederum
       wegen eigener Berufstätigkeit keine Zeit für die Betreuung. Eine
       Gesellschaft, die sich entschieden hat, viele Dienstleistungen am Menschen
       in den bezahlten Bereich zu verlagern, kann nicht mehr einfach zurück.
       
       Das aber heißt: Natürlich können die Beiträge erhöht werden für die
       Pflegeversicherung, mittelfristig auch um bis zu 3 Prozent - aber diese
       Erhöhung sollte weiterhin einkommensabhängig erfolgen und paritätisch mit
       Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen - Lohnnebenkosten hin oder her. Das
       Pflegerisiko ist kein Problem irgendeiner Unterschicht. Auch die
       Besserverdienenden brauchen die Leistungen aus der Pflegeversicherung. Sie
       sollten den Wert eines Solidarsystems anerkennen, möglichst bevor sie ihren
       ersten Schlaganfall erleiden.
       
       23 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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