# taz.de -- Fußball-Bundesliga am Samstag: Bayern vergisst sich
       
       > Dass die Münchner 0:2 auf Schalke verlieren, findet nicht nur Trainer
       > Luis van Gaal "unglaublich". Von der Titelverteidigung mag er auch nicht
       > mehr so recht sprechen.
       
 (IMG) Bild: Euphorie sieht anders aus: Mark van Bommel und Louis van Gaal.
       
       GELSENKIRCHEN taz | Die Fragerunde auf der Pressekonferenz nach dem schwer
       fassbaren 2:0 von Schalke 04 über den FC Bayern war fast vorbei, da bat ein
       älterer Herr ums Mikro. "Ich bin Rudi Gutendorf", stellte der Mann sich
       vor, "ich war als Schalker Trainer mit Libuda und Fichtel unter den letzten
       vier im Europapokal", sagte der 84-Jährige zur Einleitung.
       
       Auch Felix Magath habe er einst trainiert, und dann legte er los: "Ich habe
       eine Handschrift erkannt, viele erkennen das nicht", sagte Gutendorf über
       Schalke 04. Er beschwor "den Geist der Mannschaft, für den der Trainer
       verantwortlich ist", und am Ende rief er: "Ihr müsst Geduld haben!" Magath
       und die anderen Zuhörer lächelten amüsiert und fragten sich, was die
       Trainerlegende Gutendorf wohl gesagt hätte, wenn dieses Spiel einen
       halbwegs normalen Verlauf genommen hätte.
       
       Denn Geist und Handschrift hätten wenig genutzt, wenn die Bayern auch nur
       den Hauch ihrer legendären Effizienz entwickelt hätten. "Total
       kontrolliert" habe der Rekordmeister die ersten 60 Minuten, sagte Mark van
       Bommel, "das sah sehr gut aus". Fünf, sechs glasklare Chancen hatten sie
       herausgespielt, die Spielzüge waren durchdacht und sauber vorgetragen, nur
       im Abschluss fehlte entweder die Präzision oder der überragende Manuel
       Neuer hielt den Ball.
       
       Schalke hingegen war chancenlos. "Ich kann die Tore ja nicht selber
       schießen", sagte der hilflose Louis van Gaal. Immer wieder stieß der
       Trainer sein Lieblingswort dieses Herbstes hervor: "Unglaublich".
       
       Den Bayern ist nicht nur ihre erbarmungslose Kaltblütigkeit im Umgang mit
       derart unterlegenen Gegnern abhandengekommen, sie haben einen zweiten,
       ligaweit gefürchteten Wesenszug verloren: die Fähigkeit, unter Druck
       zuzulegen. Nachdem José Manuel Jurado zum völlig unverdienten 1:0 für den
       FC Schalke getroffen hatte, war der FC Bayern nämlich wie verwandelt:
       ängstlich, unsicher, zaghaft. Der überragende Innenverteidiger Benedikt
       Höwedes erhöhte mühelos auf 2:0, dabei sei es "normalerweise eine Stärke,
       dass wir nach Rückschlägen reagieren können", sagte van Bommel.
       
       Auf Schalke entwickelte sich hingegen plötzlich ein Spiel, an dessen Ende
       Magath von einem "verdienten Sieg" sprach. Ganz falsch war das nicht, doch
       ebenso verdient wie das 2:0 nach 90 Minuten wäre ein 0:4 nach 45 Minuten
       gewesen. "Man kann das alles nicht verstehen", sagte van Gaal.
       
       Klarheit brachten die Bayern nur in einem Punkt: Die Titelverteidigung sei
       zwar immer noch möglich, aber "wenn wir realistisch sind, dann denke ich,
       dass wir eher auf den zweiten oder den dritten Platz schauen müssen", hatte
       van Gaal gesagt, und er zog diesen Schluss nicht allein aus dem gewaltigen
       Punkterückstand auf Borussia Dortmund. "Wir schaffen es nicht, den Druck
       auf Dortmund zu erhöhen, und Mainz schafft das auch nicht", erklärte der
       Holländer, und ohne Druck werde es "einfach für den BVB". Die Bayern
       verbreiten keinen Schrecken mehr.
       
       Am Ende sprach Magath von einem "Sieg des Willens", und vielleicht traf er
       damit den Kern. Obwohl Anführer van Bommel erstmals nach seiner
       zweimonatigen Verletzungspause in die Startelf zurückkehrte, gelang es den
       Bayern nicht, so etwas wie Entschlossenheit und Widerstandsfähigkeit zu
       entwickeln. Diese besonders in Auswärtsspielen sichtbare Schwäche ist ein
       gemeinsames Problem der Schalker und der Bayern.
       
       Magath hatte das erkannt: Er wechselte nach der Führung defensiv; Farfan
       kam für Raul, Papadopoulos ersetzte Edu, und am Ende schickte der Trainer
       auch Pander für Jurado auf den Rasen. Mit diesen Wechseln habe Magath "das
       Spiel totgemacht, und das war schlau", sagte van Gaal.
       
       Schon die Einwechslung Panders wurde gefeiert wie ein dritter Treffer. Nach
       19 Monaten mit diversen Verletzungen war der Linksverteidiger
       zurückgekehrt, nach fast sechs Jahren gelang wieder ein Heimsieg gegen die
       Bayern. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell nicht nur ein 84-jähriger
       Extrainer, sondern auch die 55.000 Schalker Fans die ersten 60 Minuten
       dieser Partie vergessen konnten.
       
       5 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Theweleit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wechselgerüchte um Manuel Neuer: Herbeigeschmierter Transfer
       
       Hält Manuel Neuer so gut, weil er unbedingt zu den Bayern will oder weil er
       so an Schalke hängt? Die Münchner Fans mögen ihn jedenfalls nicht.
       
 (DIR) Kolumne Press-Schlag: Wenn der Russ kommt
       
       Wenn die Erwartungshaltung vor dem Pausentee steigt, dann steht die
       Phrasendrescherei "gut im Schuh". Und Matthias Sammer ragt aus dem Heer der
       "ein Stück weit"-Automaten heraus.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga am Sonntag: Dortmund einfach meisterhaft
       
       Der Dortmunder Erfolg in der Bundesliga geht ungebremst weiter. Das 2:0 in
       Nürnberg war der sechste Sieg und achte Auswärtssieg des Tabellenführers
       hintereinander.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga am Sonntag: Einer oben, einer unten am Rhein
       
       Bayer Leverkusen hält mit seinem 3:2-Sieg gegen den 1.FC Köln den Anschluss
       an die Tabellenspitze. Für Köln sieht es nun zappenduster aus.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga: Dortmund ist Herbstmeister
       
       Weil die Mainzer in Frankfurt verlieren, werden die Dortmunder
       Herbstmeister. Und den Bayern droht nach ihrer Schlappe gegen Schalke ein
       17-Punkte-Rückstand auf die Tabellenführung.
       
 (DIR) Kolumne Pressschlag: Magath gegen van Gaal
       
       Bei Felix Magath und Louis van Gaal steht immer die Frage im Raum: Wer sind
       sie, was treibt sie, was ist ihr Geheimnis?