# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Magath gegen van Gaal
       
       > Bei Felix Magath und Louis van Gaal steht immer die Frage im Raum: Wer
       > sind sie, was treibt sie, was ist ihr Geheimnis?
       
       So intensiv und liebevoll, wie sich die Politikredaktion der Zeit tagein
       tagaus mit Gemüt, Herz und Psyche von Angela Merkel beschäftigt (Was mag
       nur in ihr vorgehen?), so macht es der Rest des Landes mit den
       Fußballtrainern Louis van Gaal und Felix Magath.
       
       Sicher, auch van Gaals Ballbesitzspiel und Magaths Kraft- und Konterfußball
       sind bisweilen Gegenstand der Erörterungen, so wie sich ja auch die Zeit um
       politische Sachfragen nicht herumdrückt, keineswegs. Aber die Leidenschaft
       steckt doch in der Beschäftigung mit der menschlichen Psyche. Also, bitte.
       
       An diesem Samstag treffen sie aufeinander: Mag auch Schalke gegen Bayern
       derzeit kein Spitzenspiel sein, Magath gegen van Gaal ist das Maximale, was
       die Bundesliga hergibt.
       
       Da kommt kein anderer Trainer mit, selbst Jürgen Klopp nicht, der
       selbstredend auch autoritär ist, dem aber – bisher – der Anschein von
       Abgründigkeit fehlt. Was sollte man in ihn hineingeheimnissen?
       
       Ralf Rangnick, Jupp Heynckes, Thomas Tuchel, Thomas Schaaf - alles
       Spitzentrainer, von denen indes – und gottseidank – keiner wissen will, was
       "wirklich" in ihnen vorgeht. Bei van Gaal und Magath ist das anders.
       
       Immer steht die Frage im Raum: Wer sind sie, was treibt sie, was ist das
       Geheimnis?
       
       Sie sind klassische Heilsfiguren des Fußballspublikums in Zeiten flacherer
       Hierarchien und einer gewissen Aufklärung durch Verwissenschaftlichung. Die
       Botschaft lautet: Wenn alle das machen, was ich sage, wird großes Glück
       über euch kommen: Hier der erste Champions League-Titel seit einem
       Jahrzehnt, dort die erste Meisterschaft seit der Fußballsteinzeit.
       
       Beide arbeiten gleichzeitig daran, omnipotent zu erscheinen und nach außen
       zu verschleiern, dass es ihnen um die totale Unterwerfung geht. Auch aus
       fachlichen Gründen: Sie halten das für die Grundlage ihres Erfolgs.
       
       Van Gaal hat eine Art eigener Herrscherleutseligkeit in der
       Außendarstellung entwickelt. Magaths Entwurf besteht darin, sich sehr
       herunterzudimmen und damit kleiner zu erscheinen, als er ist und sich
       sieht: moderate Stimmlage, konziliantes Entgegennehmen von Kritik, keine
       Herrschergesten. Aber immer schwingt ein "Vae victis" mit - oder?
       
       Auf den ersten Blick ist Magaths aktuelles Problem tabellarisch sofort
       verständlich, Schalke ist 15. Van Gaals Problem dagegen nicht: Der FC
       Bayern steht in einer Nach-WM-Saison in Champions League, Pokal und Liga
       solide bis gut da - der nicht kalkulierbare Ausreißer ist der unerwartbare
       Lauf des weit weniger WM-strapazierten BVB.
       
       Dennoch ist van Gaal schon angezählt worden, von Präsident Uli Hoeneß. Der
       Grund - wir befinden uns hier in einem Psychoartikel - ist verschmähte
       Liebe. Hoeneß, wie jeder klassische Fan des 20. Jahrhunderts, möchte seinem
       Klub soviel geben wie möglich. Aber van Gaal braucht seine Liebe nicht und
       hat ihn zurückgewiesen.
       
       "Louis", rief der Vorstandsvorsitzende Rummenigge diese Woche bei der
       Jahresversammlung in den Saal, "du weißt genau, dass wir dir alle helfen
       wollen."
       
       Sie betteln darum. Er aber möchte auf diese Hilfe unbedingt verzichten,
       weil er sie sogar für kontraproduktiv hält. In seinem doppelbändigen Epos
       "Lebenswerk & Vision" hat er das klargemacht. "Rummenigge und Hoeneß
       sagten: ,Louis, wir tun das doch alles auch für dich, da kannst du doch
       nicht allein entscheiden.‘ Ich antwortete: ,Doch, ich kann.‘ "
       
       Und darunter leiden sie, viel mehr als unter ein paar Niederlagen oder dem
       fehlenden Champions League-Pokal. Die Niederlagen aber sind ihre einzige
       Gelegenheit. Entweder um die liebevolle Hilfe jetzt doch durchzusetzen -
       oder um zügig einen anderen zu installieren, der ihre Liebe nicht
       verschmäht.
       
       Die Schalker leiden übrigens auch daran, dass Magath sie nicht liebt.
       Magath hält das für die Voraussetzung von Erfolg in Schalke. Selbst wenn
       das stimmt: Es wird ihnen immer klarer, dass sogar eine Meisterschaft sie
       nicht glücklich machen wird. Weil es nur Magaths Meisterschaft wäre - und
       niemals ihre.
       
       Meine Prognose: Tore werden fallen. Tränen werden fließen.
       
       3 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
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