# taz.de -- Künast rutscht in Umfragen ab: Grüne kriegen die Krise
       
       > Die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast stürzt nach umstrittenen
       > Aussagen in den Umfragen ab - und mit ihr die Partei. In der Fraktion
       > grummelt es, doch die Chefs wiegeln ab: alles nur Missverständnisse.
       
 (IMG) Bild: Wirkt nicht mehr ganz so frisch: Renate Künast
       
       Das hatten sich die Grünen anders vorgestellt. Renate Künasts Kandidatur
       sollte ihrem Höhenflug auf zwischenzeitlich 30 Prozent erst noch den
       richtigen Kick geben. Stattdessen bewegen sich seit Künasts Nominierung zur
       Spitzenkandidatin vor viereinhalb Wochen die Werte der Partei stetig nach
       unten. In der [1][jüngsten Umfrage] ist der 8-Punkte-Vorsprung vor der SPD
       weg, die Grünen liegen erstmals seit August nicht mehr vor den Sozis. Schon
       zuvor hatte es intern Kritik an unglücklichen Aussagen Künasts gegeben.
       "Ich mache mir Sorgen", sagte in der jüngsten Fraktionssitzung nach
       Teilnehmerangaben ein langjähriges Parlamentsmitglied.
       
       Mehrere Äußerungen Künasts hatten nahegelegt, dass die Chefin der grünen
       Bundestagsfraktion keinen wirklichen Einblick in die Berliner Landespolitik
       hat und zu wenig mit den Fachleuten aus der Abgeordnetenhausfraktion redet.
       Das fing an, als Künast zwei Tage vor ihrer Nominierung ausgerechnet zu
       wenig Kita-Plätze als eines der zentralen Probleme Berlins nannte,
       gleichrangig mit Arbeitslosigkeit und Verdrängung. Kurz nach ihrer
       Nominierung lieferte sie der CDU eine Steilvorlage, als sie die Existenz
       des Gymnasiums infrage stellte.
       
       Zu Wochenbeginn schließlich hinterfragte sie die geplante Rolle des
       künftigen Hauptstadtflughafens BBI in Schönefeld als internationales
       Drehkreuz und konnte sich auch einen Europa-Flughafen vorstellen. Damit
       stieß sie bei allen anderen Parteien im Abgeordnetenhaus, besonders aber in
       Wirtschaftskreisen auf Ablehnung und konterkarierte intensive Bemühungen
       der Berliner Grünen, vor allem die von Fraktionschef Volker Ratzmann, auch
       in Wirtschaftsfragen als seriös wahrgenommen zu werden.
       
       Wer sich am Donnerstag mit Grünen über den Abwärtstrend unterhielt - es ist
       die dritte Umfrage in Folge, bei der die Grünen sinken -, bekam immer
       wieder die gleichen wenig überzeugenden Begründungen zu hören. Alles sei
       noch im Bereich üblicher statistischer Abweichungen und: Nein, man mache
       sich gar keine Sorgen, man habe das erwartet. "Das konnte ja nicht immer so
       weitergehen", sagte der Abgeordnete Andreas Otto, "sonst wären wir ja
       irgendwann bei 115 Prozent gewesen." Und natürlich sei man in engem Kontakt
       mit Renate Künast und ihrem Büro. "Es gibt einige bei uns in der Fraktion,
       die meinen, es könnte mehr sein, aber auch viele, die das ganz anders
       sehen", so die Abgeordnete Heidi Kosche.
       
       Ein bisschen Klartext schimmerte bei Fraktionschefin Ramona Pop durch. Sie
       verneinte zwar ebenfalls jeden Zusammenhang zwischen der Nominierung
       Künasts und dem Abwärtstrend, ging aber nicht so weit,
       Kommunikationsprobleme zu bestreiten. "Das ist für uns alle eine neue
       Situation, das muss sich erst alles noch zurechtrütteln", sagte sie.
       
       Pops Kofraktionschef Volker Ratzmann hält Künast mit ihren Äußerungen zum
       Flughafen BBI zudem für falsch verstanden. Sie habe keine neue Frage
       aufgeworfen, sondern aufgenommen, was mit Blick auf die umstrittenen
       Flugrouten bereits diskutiert worden sei. Er selbst stellt die geplante
       Funktion des Flughafens nicht infrage. "Wir brauchen die Verbindungen nach
       Mumbai, nach Peking und New York", sagte er der taz, "und wir brauchen sie
       als Direktflüge."
       
       Ein führendes Mitglied der Fraktion mochte zwar keine Krise sehen, wohl
       aber etwas Ernüchterung. "Renate Künast hat es vielleicht unterschätzt,
       dass der Wahlkampf jetzt schon losgeht und nicht erst im Mai." Vielleicht
       komme auch "ihre saloppe Art" nicht bei jedem an.
       
       Eine sehr erfahrene und gut vernetzte Abgeordnete ging sogar so weit,
       Künasts persönliche Ambitionen infrage zu stellen. Diese habe klargemacht,
       dass sie allein auf Sieg setze und nur als Regierende Bürgermeisterin ihren
       Bundestagsjob aufgeben würde. "Das Wichtigste ist nicht, dass wir die
       Regierende Bürgermeisterin stellen, sondern dass wir in der Regierung grüne
       Politik machen", sagte die Abgeordnete: Das hieße: lieber Rot-Grün als
       Grün-Schwarz. Dass Künast dann im Bundestag bleibe, sei kein Beinbruch.
       
       10 Dec 2010
       
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