# taz.de -- UN-Klimagipfel in Cancún: Klimaschutz als Staatsfeind
       
       > Saudi-Arabien zählt in Cancún zu den größten Bremsern bei den
       > Klimaverhandlungen. Denn ohne die Ölmilliarden wäre das Land bald am
       > Ende.
       
 (IMG) Bild: "Unser Klima, nicht euer Geschäft": Doch wer wie Saudi-Arabien von den Ölmilliarden abhängig ist, bremst lieber beim Klimaschutz.
       
       CANCUN taz | Ali Ibrahim al Haimi nahm kein Blatt vor den Mund. Gleich
       zweimal drohte der Ölminister von Saudi-Arabien am Donnerstag in seiner
       Fünf-Minuten-Rede vor dem Plenum der UN-Klimakonferenz in Cancún mit der
       Forderung nach Schadensersatz, wenn es ein effektives Klimaschutzabkommen
       geben sollte. "Entwicklungsländer wie wir", so der elegante grauhaarige
       Minister, müssten Kompensationen zugesprochen bekommen.
       
       Das war kein Ausrutscher. Gleichzeitig hatten al Haimis Unterhändler einen
       Text in die Verhandlungen eingebracht, der besonders die angebliche
       Opferrolle der Ölstaaten festschreiben sollte. Die Staaten sollten
       anerkennen, dass Klimaschutz "negative wirtschaftliche und soziale
       Konsequenzen haben kann, besonders für Entwicklungsländer, die von der
       Ölproduktion abhängig sind."
       
       Ein solcher Vorstoß kommt von Saudi-Arabien regelmäßig auf den
       Klimakonferenzen, und er wird regelmäßig nicht beschlossen. Aber er zeigt,
       wie selbstbewusst einer der reichsten Staaten der Welt von den
       Industriestaaten Almosen fordert. Denn die Macht der Saudis ist groß, jeden
       Fortschritt zu verzögern.
       
       Seit Jahrzehnten gehören die Ölprinzen zu den Bremsern im Klimaschutz. Auf
       allen Ebenen arbeiten sie gegen ein effektives Abkommen: Sie stellen die
       Wissenschaft zum Klimawandel in Frage, verschleppen Verhandlungen,
       agitieren und mobilisieren die anderen Entwicklungsländer und "verschwenden
       Zeit durch das Einbringen sinnloser Texte oder durch Beiträge, die auf
       keinen Fall akzeptabel für die anderen Parteien sind", schreibt der
       Wissenschaftler Jon Barnett in einer Analyse über die OPEC und den
       Klimaschutz.
       
       Überhaupt seien die Saudis dem Kioto-Abkommen nur beigetreten, um echten
       Klimaschutz zu verzögern und zu verhindern, heißt es in einer Studie des
       finnischen Instituts für internationale Angelegenheiten. Denn die
       Eigentümer der weltweit größten nachgewiesenen Ölreserven, die nach
       Wirtschaftsleistung zu den Top 25 der Welt gehören und weltweit den
       zehntgrößten Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid verantworten, haben allen
       Grund, am Ölboom festzuhalten. Steigt der Preis des Barrels Öl um zehn
       Dollar, hebt sich das Bruttoinlandsprodukt des Königreichs um 14 Prozent.
       Gleichzeitig aber sinkt es um 1,4 Prozent in Indien, das Öl importiert.
       
       Die Blockadehaltung der Saudis schädigt deshalb ihre Alliierten in der
       "Gruppe der 77", in der die Entwicklungsländer sich zusammengefunden haben,
       gleich doppelt, schreibt Barnett: Hohe Ölpreise in den armen Ländern würgen
       das Wirtschaftswachstum ab und verursachen Hunger und Armut, während
       gleichzeitig der ungebremste Klimawandel in genau diesen Ländern
       Entwicklung verhindert.
       
       Ob Klimaschutz dem arabischen Königreich, dessen Staatsbudget mehr als zur
       Hälfte aus Öleinnahmen kommt, wirklich weh tun würde, ist dabei fraglich.
       Eine Studie der Internationalen Energie Agentur IEA in Paris kam zu dem
       Ergebnis, dass selbst bei erfolgreichen Eingrenzung des Klimawandels unter
       zwei Grad Celsius die Einkünfte der OPEC-Staaten bis 2030 mit insgesamt 23
       Billionen Dollar viermal so hoch wären wie zwischen 1990 und 2010. Die
       Saudis widersprechen: allein ihr Land werde jedes Jahr 19 Milliarden Dollar
       verlieren, hieß es.
       
       "Man muss die berechtigten Interessen der jeweiligen Länder anerkennen",
       sagt ausgerechnet der frühere Chef des UN-Klimasekretariats Yvo de Boer.
       Volkswirtschaften, die einseitig auf den Export von fossilen Brennstoffen
       ausgerichtet sind, könnten nicht einfach die Ölhähne schließen. Für das
       autokatische saudische Regime geht es dabei um eine "Überlebensfrage", denn
       nur mit dem Ölgeld lässt sich das Regime der Dynastie Saud
       aufrechterhalten, heißt es in dem Bericht des Instituts für internationale
       Angelegenheiten: Die Regierung betrachte "Maßnahmen zum Klimaschutz als
       eine größere Gefahr für die Stabilität als den Klimawandel selbst."
       
       Trotz des vielen Gelds betrachten sich viele Ölstaaten als
       Entwicklungsländer. "Wir sind reich, aber wir sind nicht entwickelt", sagt
       etwa El Walid Hamad El Malik von der Umweltverwaltung der Vereinigten
       Arabischen Emirate (VAE), "uns fehlen die ausgebildeten Menschen, die
       Technik, das Wissen."
       
       Die Golfstaaten wollen das Geld aus dem Ölreichtum dazu nutzen, nicht nur
       die Tankstelle der Welt zu bleiben. Saudi Arabien hat gerade das größte
       Solar-Wasserwerk der Welt eröffnet; die VAE wollen mit dem ehrgeizigen
       Milliardenprojekt "Masdar", einer Öko-Hightech-Stadt der Zukunft in der
       Wüste, den Anschluss an erneuerbare Techniken schaffen. Dazu dient auch die
       Ansiedlung der internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA).
       Dubai hat sich zum globalen Shoppingzentrum entwickelt und zwei Airlines
       wollen den Flugverkehr zwischen Asien und Europa neu aufteilen.
       
       Deshalb wollen die Saudis und ihre Nachbarn auch gern von den Mechanismen
       des ansonsten verhassten Kioto-Protokolls profitieren: Technologie aus den
       Industriestaaten ist ebenso willkommen wie Investitionen. Ganz besonders
       macht sich Ölminister al Haimi in seiner Rede vor den Klimadelegierten
       stark dafür, die Verpressung des Treibhausgases CO2 in den Untergrund (CCS)
       endlich in den "Clean Development Mechanism" (CDM) des Kioto-Protokolls
       aufzunehmen.
       
       Klimaschützer laufen Sturm gegen diese Idee, mit der Emissionsreduzierungen
       in armen Staaten mit Technik und Kapital aus den reichen Staaten ermöglicht
       werden sollen. Im Fall von Saudi Arabien ist die Vorsicht berechtigt. Das
       Land würde das CO2 gern, finanziert vom Norden, in der Erde versenken – um
       durch den Druck daraus seine langsam erschlaffenden Öl- und Gasquellen
       besser zum Sprudeln zu bringen.
       
       10 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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 (DIR) klimataz
       
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