# taz.de -- UN-Klimagipfel in Cancún: Soll man das Kiotoprotokoll verlängern?
       
       > In Cancún wird gestritten, ob wie geplant ein neues Protokoll aufgelegt
       > werden soll, oder besser das alte verlängert. Eine Verlängerung wäre
       > nicht unbedingt schlechter.
       
 (IMG) Bild: Weltwunder unter Wasser: Greenpeace-Aktivisten versuchen, eine mögliche Folge des Klimaschutzes augenfällig zu illustrieren.
       
       CANCÚN taz | Wäre dem Klima eigentlich geholfen, wenn es wider Erwarten
       doch noch zu einer zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kioto-Protokoll
       kommt? "Nicht unbedingt", urteilt Martin Kaiser, der die Verhandlungen in
       Cancun für Greenpeace verfolgt. Denn mit einer zweiten
       Verpflichtungsperiode würden auch alle Altlasten aus dem Kiotoprotokoll ins
       neue Welt-Klimaregime übertragen.
       
       "Es besteht die Gefahr, dass die Zugeständnisse an die Industrie vergrößert
       werden", so Kaiser. Japan beispielsweise, das letzte Woche noch einmal klar
       gemacht hatte, eine zweite Periode nicht akzeptieren zu wollen, versucht
       Atomkraft künftig in den Clean Development Mechanism (CDM) einzubeziehen.
       Das würde bedeuten, dass Industrieländer künftig auch zusätzliche
       Emissionsrechte bekämen, wenn sie in ärmeren Länder Atomkraft-Projekte
       finanzieren. Die Japaner versuchen so, ihre Atomwirtschaft anzukurbeln.
       
       Auch die Abspeicherung von Kohlendioxid aus konventionellen Kraftwerken in
       tiefen Erdschichten (CCS) soll künftig CDM-fähig werden, berichtet Kaiser.
       Diese Technologie sei aber nicht geeignet, um die Energiewende zu
       Erneuerbaren zu beschleunigen.
       
       Eine weitere Altlast des Kioto-Protokolls ist die so genannte heiße Luft.
       Es gibt Industriestaaten - in der Kioto-Welt die so genannten Annex
       1-Staaten - die wesentlich weniger Treibhausgase verursachen, als ihnen im
       Kiotoprotokoll zugestanden wird. Das betrifft die ehemaligen
       sozialistischen Staaten: Durch den Zusammenbruch ihrer Wirtschaften ist
       auch die Treibhausgas-Emission enorm gesunken.
       
       Allen voran Russland: Der Ausstoß von Klimagasen liegt heute 35 Prozent
       unter dem Niveau von 1990, der von der Ukraine sogar um 53 Prozent. Beide
       Staaten sind nach Kyoto-Protokoll verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoß
       auf dem Niveau von 1990 zu halten.
       
       Aber auch EU-Staaten wie Polen oder Tschechien stoßen heute deutlich
       weniger aus. Polen ist nach dem Kyoto-Protokoll verpflichtet, bis zum Jahr
       2012 insgesamt 6 Prozent weniger Treibhausgase zu produzieren, lag aber
       2007 erstaunliche 24 Prozent unter dem Niveau von 1990. Tschechiens
       Verpflichtung von minus 8 Prozent steht eine reale Reduktion von Minus 14,5
       Prozent gegenüber.
       
       Diese Länder möchten von diesem Minus nun einiges in die zweite
       Kioto-Verpflichtungsperiode nun hinüber retten, also praktisch mit der
       wirtschaftlichen Erholung schrittweise auch mehr Kohlendioxid ausstoßen
       dürfen. So könnte sich Polen zu einer Reduktion von 15 Prozent in der
       zweiten Verpflichtungsperiode verpflichten - was bedeuten würde, dass der
       polnische Treibhausgasausstoß um 9 Prozent wächst - was dem Klima natürlich
       nicht hilft.
       
       Zur Halbzeit hatte Konferenzpräsidentin Patricia Espinosa, die
       Außenministerin Mexikos, einen ersten Verhandlungstext vorgelegt, der sich
       mit dem Problem befasst. Artikel drei, Paragraf 13 schlägt vor, diese
       "heiße Luft" für eine zweite Verhandlungsperiode zu begrenzen. Demnach soll
       es den genannten Staaten zwar erlaubt sein, Reduktionserfolge aus ihrer
       ersten Verpflichtungsperiode in der zweiten anrechnen zu lassen. Offen ist
       im Verhandlungstext aber, um wieviel Prozent. In eckigen Klammern steht 0,1
       Prozent, 1 Prozent oder 10 Prozent, die Verhandlungsparteien müssen
       entscheiden welche Zahl genommen wird.
       
       "Es geht um eine gigantische Menge an Treibhausgasen", erläutert Professor
       Reimund Schwarze, der für den Thinktank Climate Service Center die
       Verhandlungen verfolgt. Nimmt man die ehemals sozialistischen Staaten alle
       zusammen, so kommt man auf 10 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Schwarze:
       "Das sind 10 bis 12 Prozent jener Menge, die 1990 weltweit produziert
       wurde."
       
       9 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nick Reimer
       
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