# taz.de -- EU-Gipfel zur Eurokrise: Kontrollierte Pleite
       
       > Der EU-Gipfel will ein Notverfahren beschließen, das überschuldeten
       > Eurostaaten den Weg in den Staatsbankrott ermöglicht. Eine gute Nachricht
       > für die deutschen Steuerzahler.
       
 (IMG) Bild: Weil Griechenland nicht Pleite gehen will, müssen Polizisten Demonstranten kontrollieren, die gegen die Sparmaßnahmen auf die Straße gehen.
       
       BERLIN taz | Was für Bürger und Unternehmen gilt, soll künftig auch für
       Staaten möglich sein - der kontrollierte Bankrott. Durch das übliche
       Insolvenzverfahren bekommen zahlungsunfähige Schuldner eine zweite Chance
       und zahlen nur die Hälfte ihrer Schulden zurück. Die Gläubiger verzichten
       auf einen Teil ihres Geldes, aber sie wissen: Sie verlieren nicht alles.
       
       Ein solches Insolvenzverfahren wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und
       Finanzminister Wolfgang Schäuble auf die Ebene der Staaten übertragen und
       damit die Eurokrise mildern. Ihre beruhigende Ansage an die internationalen
       Investoren, Banken und Fonds lautete: Wir tun etwas, damit kein Eurostaat
       komplett und unkontrolliert zusammenbricht.
       
       Doch die Investoren sahen das anders. Kränkelnde Eurostaaten wie Irland,
       Spanien und Portugal mussten plötzlich horrende Zinsen für ihre
       Staatsanleihen bieten, damit Investoren sie überhaupt noch kauften. Die
       Angst vor dem Staatsbankrott griff erst so richtig um sich. Irland musste
       sich unter den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm der EU flüchten. Erst am
       Mittwoch warf der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn der
       Bundesregierung vor, die Krise verschlimmert zu haben.
       
       Ist dieser Vorwurf plausibel? Der neue Europäische Stabilitätsmechanismus
       (ESM), den die Regierungen nun auf ihrem Gipfel am Donnerstag beschließen
       werden, hat zwei Stufen.
       
       Erstens: Gerät ein Land in vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten, kann es
       einen Hilfsantrag bei der Eurogruppe stellen. Dann muss die jeweilige
       Regierung ein Anpassungs- und Sparprogramm zur Schuldenreduzierung
       durchführen und kann durch den Stabilitätsmechanismus Kredite erhalten. Als
       stärkste Wirtschaftsnation Europas steht Deutschland für diese Kredite zu
       etwa 20 Prozent ein.
       
       Zweitens: Ergibt die ökonomische Analyse der Europäischen Zentralbank und
       des Europäische Stabilitätsmechanismus, dass das Land seine hohen Schulden
       und Zinszahlungen für Staatsanleihen langfristig nicht bedienen kann, darf
       es über das Anpassungsprogramm und die ESM-Kredite hinaus mit allen
       staatlichen und privaten Gläubigern einen Schuldenerlass aushandeln. Diesen
       kann die Gläubigerversammlung mit Dreiviertelmehrheit beschließen.
       
       Das bedeutet: Mancher Investor muss möglicherweise gegen seinen Willen auf
       20, 30 oder 50 Prozent des ursprünglichen Wertes der Staatsanleihen
       verzichten. Konkrete Daten haben die Eurofinanzminister aber bislang nicht
       festgelegt. Auch der Verzicht der privaten Gläubiger soll später von der
       jeweiligen Situation abhängig sein. Ein vergleichbares Verfahren wendet der
       Internationale Währungsfonds heute schon auf überschuldete Staaten an.
       
       Für die Bürger und Steuerzahler ist der Plan eine gute Nachricht. Sie
       haften nur noch zum Teil für die Schulden ihrer Regierungen. Und auch für
       diese bietet sich ein Ausweg. Anders als heute müssen die Regierungen
       künftig nicht mehr hunderte Milliarden oder gar Billionen als
       Rettungspakete auf den Markt werfen, um Spekulationsangriffe auf den Euro
       zu verhindern. Stattdessen können sie den Investoren sagen: Wenn ihr die
       Zinsen weiter hochtreibt, erklären wir die Zahlungsunfähigkeit. Dann müsst
       ihr auf einen Teil eures Geldes verzichten.
       
       Diese Ansage gefiel den privaten Investoren nicht. Deshalb stiegen auf dem
       Höhepunkt der Irlandkrise die Zinsen - die Risikoprämien - für
       Staatsanleihen enorm an, wodurch sich die Krisensituation abermals
       verschärfte. Das bedeutet aber nicht, dass die Idee des
       Umschuldungsmechanismus falsch wäre. Der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung
       allerdings war ungünstig.
       
       Im Prinzip, so heißt es im Bundesfinanzministerium, würde der Europäische
       Stabilitätsmechanismus auch privaten Investoren zum Vorteil gereichen.
       Schließlich entfalle durch die rechtzeitige, kontrollierte Umschuldung das
       Risiko des unkontrollierten Zusammenbruchs eines Staates. Im Falle eines
       Staatskollapses, des Bruchs der Eurozone und einer gigantischen
       Wirtschaftskrise wären die Verluste der Privaten viel größer.
       
       Aber es gibt eben auch die Sicht der Investoren, die sich darauf einstellen
       müssen, dass sie in letzter Konsequenz einen Teil ihres Kapitals verlieren.
       Heute rechnen sie noch damit, dass die Staaten alles bezahlen. Diese
       Veränderung macht die Käufer von Staatsanleihen misstrauisch. Und dieses
       Misstrauen könnten die Zinsen europäischer Anleihen weiter in die Höhe
       treiben.
       
       16 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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