# taz.de -- Euro-Debatte im Bundestag: Blasse Kanzlerin, aggressive Grüne
       
       > Die Kanzlerin hält eine dürre, fast unwillige Regierungserklärung zur
       > Eurokrise. Die Parlamentsdebatte zeigt, wer derzeit in der Opposition den
       > Ton angibt: die Grünen.
       
 (IMG) Bild: Verschwindet fast während ihrer dürren Reder: Kanzlerin Angela Merkel.
       
       BERLIN taz | Eigentlich will Angela Merkel gar nicht reden. Sie ist nur
       hier, weil die Grünen ihr eine Regierungserklärung zur Eurokrise und zum
       EU-Gipfel abverlangt haben. Das merkt man ihrer Rede, 21 Minuten kurz, an.
       Merkel rattert die neun Punkte herunter, die in Brüssel beschlossen werden
       sollen. Das Wesentliche ist bekannt.
       
       Ab 2013 sollen auch private Gläubiger zahlen, wenn Staaten vor der Pleite
       stehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll als Kontrollorgan
       mitwirken. Sollen Staaten Hilfe bekommen, dann nur nach einem einstimmigen
       Beschluss - will sagen: mit deutschem Ja.
       
       Die deutsche EU-Politik ist in Europa vielleicht noch nie so scharf
       kritisiert worden wie momentan. Selbst treue Verbündete wie der Luxemburger
       Christdemokrat Jean-Claude Juncker haben Merkel als "uneuropäisch"
       kritisiert. Als Juncker Eurobonds vorschlug, wies Merkel dies prompt und
       brüsk zurück. Solche EU-Staatsanleihen könnten überschuldeten Staaten etwas
       günstigere Zinsen und damit Luft verschaffen. Doch draufzahlen müsste dabei
       Berlin. Und das widerspricht Merkels Linie: Deutschland zuerst, alles
       Weitere zählt nicht. So jedenfalls nehmen viele in der EU derzeit Merkels
       Haltung wahr.
       
       In ihrer Bundestagsrede versucht die Kanzlerin erst gar nicht, ihren Kurs
       argumentativ zu begründen. Es ist eher ein Fachreferat, garniert mit ein
       bisschen routiniertem Pro-Europa-Pathos. Merkel lobt, wie es CDU-Politiker
       eben tun müssen, "die grandiose Friedens- und Freiheitsidee" der EU. Aber
       kein Wort darüber, ob es angesichts der akuten Finanzkrise genügt, einen
       Krisenmechanismus zu beschließen, der erst in zwei Jahren greifen soll. Und
       nur ein Halbsatz dazu, warum sie strikt gegen Eurobonds ist.
       
       Diese dürre, fast unwillige Regierungserklärung ist eigentlich eine Vorlage
       für die Opposition. Frank-Walter Steinmeier, Fraktionschef der SPD,
       kritisiert, dass die Stammkapitalerhöhung der Europäischen Zentralbank "ein
       Alarmsignal" sei, das Merkel einfach überhöre. Die EZB hat irische und
       griechische Staatsanleihen aufgekauft, um die Krise zu entschärfen. Deshalb
       will sie ihr Kapital erhöhen. Steinmeier nennt die EZB deshalb eine Bad
       Bank. Das ist eine schrille Formulierung, die einzige in seiner Rede. Zumal
       unklar bleibt, warum Merkel schuld an dieser EZB-Kapitalerhöhung sein soll.
       
       Steinmeier kreidet Merkel "ein Geflecht von Ankündigungen, Halbwahrheiten
       und Lebenslügen" an. Die Kanzlerin habe erst verkündet, Griechenland
       bekomme keine Hilfe, dann Griechenland als Einzelfall bezeichnet, dann den
       Eurorettungsschirm propagiert. Alles falsch. Nötig sei nun "ein großer
       Wurf". Doch worin der bestehen soll, bleibt unklar. Steinmeier fordert eine
       "politische Union" - ein Evergreen jeder EU-Debatte. Jeder weiß, dass eine
       engere politische Integration in der EU nötig ist, diese aber noch lange
       dauern wird. Gegen die akute Eurokrise hilft das nicht.
       
       Die Eurobonds, die Merkel ablehnt, fasst auch der SPD-Mann im Bundestag mit
       spitzen Fingern an. Das ist verwunderlich, weil Steinmeier die Eurobonds in
       einem am Mittwoch erschienen Beitrag der Londoner Financial Times selbst
       fordert. Bei Steinmeier weiß man nicht genau, ob da immer noch der
       Außenminister a. D redet oder schon der Oppositionsführer.
       
       In der Debatte gibt es dann allerdings noch einen hellen Moment: als der
       grüne Fraktionschef Jürgen Trittin auftritt, der erst als Sechster zu Wort
       kommt. Sein zentraler Vorwurf an Schwarz-Gelb lautet: nationaler
       Populismus. Anstatt Junckers sinnvolle Eurobonds-Idee wenigstens "ernsthaft
       zu prüfen", habe Merkel ihn auf "Zuruf der Bild-Zeitung" vernichtet. Auch
       Westerwelles Gerede, Deutschland werde Zahlmeister der EU-Krise, sei
       "nationale Regression".
       
       Völlig vergessen werde, dass zum Beispiel 2007 ein Viertel des deutschen
       Exportüberschusses aus Ausfuhren nach Italien, Spanien und Griechenland
       stammte. Das heißt: Deutschland hat von der Verschuldung der Krisenstaaten
       direkt profitiert. Deshalb könne Merkel nun in der EU nicht als
       Sparkommissar Finanzstabilität predigen. "Genau das macht uns", so Trittin,
       "derzeit in der EU so unpopulär."
       
       Merkels Gegenspieler an diesem Tag ist nicht Steinmeier oder die
       Linkenchefin Lötzsch; es ist Trittin, der präzise und aggressiv Kontra
       gibt.
       
       16 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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