# taz.de -- Castor-Transport nach Lubmin: Atomprotest im Schneegestöber
       
       > Zum ersten Mal reist aus Westdeutschland stammender Atommüll ins
       > Zwischenlager Lubmin bei Greifswald. An vielen Stellen auf der Strecke
       > gab es Proteste.
       
 (IMG) Bild: Mal wieder Stillstand. Diesmal in Greifswald.
       
       Um elf Uhr Mittag waren plötzlich überall Castor-Gegner. Drei
       Robin-Wood-Aktivisten kletterten auf Bäume über der Schienenstrecke
       zwischen Greifswald und Lubmin kurz vor Brünzow. Zugleich ließen sich 200
       Frauen und Männer auf dem Gleisbett zwischen Vierow und Kräpelin nieder,
       und auch drei Greenpeace-Kletterer hingen mit einem Banner an einer Brücke
       über den Gleisen. Sie alle wollten den Atommülltransport aufhalten, der
       2.000 Brennstäbe aus Frankreich zum Zwischenlager nach Lubmin in Vorpommern
       bringt.
       
       Ab 13 Uhr blockierten Robin-Wood-Aktivisten dann auch ein Schienenstück in
       einem Wald südlich von Friedrichshagen, das sonst nicht mehr von der Bahn
       genutzt wird. Zwei Aktivisten hatten sich an einen ins Gleisbett
       eingelassenen Betonblock gekettet. Auch am Abend war die Polizei noch damit
       beschäftigt, die Blockierer vom Gleisbett zu lösen.
       
       Ursprünglich war der Castor-Transport aus dem französischen Cadarache mit
       Atommüll aus dem Versuchsreaktor Karlsruhe und vom Atomfrachter "Otto Hahn"
       schon am Donnerstagvormittag im Zwischenlager Lubmin erwartet worden. Er
       hatte am Mittwoch gegen 14 Uhr bei Forbach die deutsch-französische Grenze
       passiert und war über Saarbrücken, Neustadt, Biblis, Darmstadt, Erfurt nach
       Halle gefahren. Vor Magdeburg-Bickau hatten sich ihm dann etwa 20 Menschen
       in den Weg gestellt, und auch kurz vor Ludwigslust gab es Proteste. Weiter
       ging die Fahrt über Schwerin und Rostock in Richtung Greifswald.
       
       In Ostvorpommern hatten starke Schneefälle und Minusgrade sowohl Proteste
       als auch Polizeiarbeit erschwert. Ein Polizeisprecher sagte bei der
       Sitzblockade fünf Kilometer vor dem Zwischenlager gegenüber der taz: "So
       was hab ich noch nicht erlebt." Die Polizei musste zunächst im tiefen
       Schnee Treppen an der Böschung vom Gleisbett zum höher gelegenen Acker
       ausheben, um gegen 14 Uhr mit der Räumung der Sitzblockade beginnen zu
       können. Gleichzeitig hatten es offenbar einige hundert Meter weiter andere
       Blockierer geschafft, sich dort auf den Gleisen niederzulassen.
       
       Neben Atomkraftgegnern aus der Region hatten sich auch 30 Wendländer sowie
       Protestierende aus Berlin, Hamburg und der Uckermark der Sitzblockade an
       der Strecke angeschlossen. Die Gäste aus dem Wendland wurden als
       "Entwicklungshelfer" begrüßt. Der Lüchow-Dannenberger Wolfgang Schulz (53)
       hatte geholfen, in der Nacht vor dem Transport Mahnwachen im Schnee
       aufzubauen. In der Umgebung von Lubmin hatten Ortsansässige die
       Protestierenden mit Unterkünften und Verpflegung unterstützt.
       
       Die Wusterhausenerin Marion Hempel, die früher in der Personalabteilung des
       Atomkraftwerks gearbeitet hatte, auf dessen Gelände das Zwischenlager
       steht, freute sich über die Unterstützung aus dem Westen. Viele Menschen um
       Lubmin seien verdrossen und dächten, "man kann doch sowieso nichts machen",
       so die 63-Jährige. Andere lebten vom Zwischenlager oder sehnten sich nach
       den Jobs, die das Atomkraftwerk der Region seit den Siebzigern gebracht
       hatte.
       
       In den Tagen vor dem Transport hatte die etwa 15 Kilometer vom
       Zwischenlager entfernte Stadt Greifswald zahlreiche Proteste erlebt: Am
       Samstag hatten etwa 3.000 Menschen gegen den Atommülltransport und die
       Atompolitik der Bundesregierung protestiert. Mit Lichterketten und einer
       Kundgebung in Stralsund beim Wahlkreisbüro von Bundeskanzlerin Angela
       Merkel setzte sich der Protest fort. Am Montagabend hatte in Greifswald
       eine Demonstration gegen Rechtsradikale stattgefunden, die sich in die
       Anti-Atom-Proteste eingemischt hatten.
       
       Das Zwischenlager Nord auf dem Gelände des stillgelegten DDR-Atomkraftwerks
       Greifswald war ursprünglich eingerichtet worden, um Atommüll aus den 1990
       abgeschalteten und 1995 endgültig stillgelegten fünf Reaktorblöcken in
       Greifswald und dem im brandenburgischen Rheinsberg aufzunehmen. Der
       Transport aus Cadarache ist der erste, mit dem Atommüll aus anderen
       Regionen an die Ostsee verbracht wird.
       
       Am Abend standen die vier Castoren noch immer still - blockiert von den
       Robin-Wood-Aktivisten.
       
       16 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Michael Ihl
       
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