# taz.de -- Futtermittel für die Tierzucht: Das fressen die Schweine
       
       > Früher durften Schweine sogar Mettwurst speisen. Heute heißt es: Sack
       > aufreißen, ausschütten, Wasser dazu, fertig! Ein Blick in die
       > Futtertröge.
       
 (IMG) Bild: Für Sauen halten manche Hersteller gleich fünf verschiedene Futtermittelmischungen parat.
       
       Das garstige Lied des sozialistischen Advokaten und Poeten Franz Josef
       Degenhardt über die guten alten Zeiten beschreibt die universalen
       Essgewohnheiten des Homo sapiens trefflich knapp: "Man verzehrte
       Artgenossen, selbst das liebenswerte Schwein, doch die aufrecht gehen
       konnten, fraß man nicht, man grub sie ein."
       
       Ohne das arme Schwein als Eiweißlieferant Nummer eins jedenfalls hätte es
       die Menschheit wohl kaum so weit gebracht: bis zur Krone der Schöpfung
       (Aristoteles) nämlich. Ironie? Oder die Eitelkeit des Philosophen? Das
       domestizierte Schwein steht seit rund 10.000 Jahren auf unserem Speiseplan.
       Zusammen mit dem Hund ist das Borstenvieh, das sich der Einfachheit halber
       sein Futter im Wald und auf Wiesen selbst sucht(e), das älteste Haustier.
       
       Ja, auch das Schwein verzehrt Artgenossen. Schließlich ähnelt sein
       Verdauungstrakt dem unseren. Und wie der Mensch ist auch die Spezies Suidae
       Allesfresser. Die Schweine der Mönche von Kloster Kreuzberg in der Rhön
       etwa verspeisten noch Anfang der achtziger Jahre ihnen zum Fraß
       vorgeworfene Reste der Frühstücksmettwurst ratzfatz inklusive Aluschalen.
       Schweinebauern verfütterten wie selbstverständlich Essensreste - auch
       Schweinernes - an Sauen, Eber und Ferkel. Kannibalismus pur.
       
       Verdünnt wurde die Pampe übrigens mit Spülwasser aus Naturseife, damit die
       breiige Masse auch ordentlich flutschte. Verdauungsprobleme hat es bei den
       Schweinen denn auch nie gegeben, wusste meine in einem Dorf im Hunsrück
       aufgewachsene Großmutter schon vor Jahrzehnten zu berichten.
       
       Heute verbieten einschlägige Verordnungen der EU die Fütterung von
       Schweinen mit Tierischem; auch tierische Fette oder synthetisch
       hergestellte Öle dürfen dem Futter nicht beigemischt werden. Dass sich
       daran nicht alle Futtermittelproduzenten halten, belegt der gegenwärtige
       Skandal um Dioxine im Schweinefleisch und in Hühnereiern.
       
       Doch selbst daraus versucht die Agrarindustrie noch Kapital zu schlagen:
       Gerade in der "aktuell angespannten Situation" seien "nur Spitzenleistungen
       sowohl in der Mast als auch bei der Ferkelproduktion die Garanten für den
       ökonomischen Erfolg", heißt es etwa bei der Firma Kottmannn Futtermittel.
       Das Traditionsunternehmen bietet denn auch Produkte an, mit denen "das
       genetische Leistungspotential ihrer Schweine voll ausgeschöpft" werden
       könne.
       
       Tatsächlich rentieren sich bei den extrem niedrigen Verkaufspreisen für
       konventionell "produziertes" Schweinefleisch Massenzucht und -mast nur,
       wenn die Schweinegroßbauern auf die zeit- und kostenintensive Herstellung
       eigener Futtermittel - wie etwa die Verbände Bioland oder Demeter sie den
       von ihnen kontrollierten Land- und Viehwirten abverlangen - verzichten.
       Also werden Fertigmischungen der Industrie geordert: Sack aufreißen,
       ausschütten, Wasser dazu, umrühren, fertig! Der Marktführer Deutsche
       Tiernahrung Cremer KG hält für Sauen gleich fünf verschiedene
       Futtermittelmischungen parat. Dazu kommen diverse Zusatzfuttermittel,
       spezielle Ferkelfutter und Futter für Mastschweine.
       
       Für "höchste Leistungen" bietet der Hersteller Produkte aus dem "All-around
       Programm" an. Nur die würden "die volle Ausschöpfung des genetischen
       Leistungspotentials" der Tiere gewährleisten. "Turbomast" nennen das
       Biobauern. Die Firma bestätigt sich übrigens selbst per Zertifikat, dass
       ihre Mischfuttermittel "dem Futtermittelrecht entsprechen und keinerlei
       Auffälligkeiten in Form von erhöhten Dioxingehalten aufweisen". Fette und
       Öle würden vor der Verarbeitung "zusätzlichen analytischen Kontrollen"
       unterworfen.
       
       Müsli für die Bioschweine 
       
       Mit all diesen unappetitlichen Dingen haben Gerhard Sommerfeld, 61, und
       sein Sohn Georg, 35, vom Sonnenhof in Burtscheid im Hunsrück nichts zu tun.
       Die 150 Bioland-Schweine in ihrem Mastbetrieb werden mit "Müsli" gefüttert,
       wie der Seniorchef seine nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus
       erzeugte, zur Hälfte aus eigenem Anbau stammende Mischung aus Getreide -
       vor allem Gerste - und Hülsenfrüchten nennt. Dazu kommen noch zwei Prozent
       Pflanzenöl, um das fein gemahlene und deshalb staubende Müsli zu binden.
       Raps- oder Sojakuchen, die bei der Speiseölherstellung zurückbleiben,
       werden dazu verwendet. "Natürlich auch alles Bio", versichert der junge
       Sommerfeld, ein studierter Landwirt.
       
       Dreimal im Jahr schauen die Kontrolleure von Bioland unangemeldet auf dem
       Sonnenhof vorbei. Sie sehen dann glückliche Schweine, die in
       Familiengruppen leben und nach eigenem Gusto vom Stall in das Freigehege
       und wieder zurücklaufen dürfen. Zum Wühlen sind Schlammecken da. Und
       sauberes Stroh liegt für die rosigen Viecher mit den weichen Schnauzen
       überall herum.
       
       Drei Euro bekommen die Sommerfelds für jedes Kilo lebendes ausgewachsenes
       Schwein beim Verkauf an einen Biometzger in der Region, der acht bis neun
       Tiere vom Hof verarbeitet - wöchentlich. Der Masse der Konsumenten weist
       Georg Sommerfeld eine Mitschuld an den jüngsten Skandalen zu. "Immer nur
       billig-billig." Wer Schweinefleisch vom Schinken für 2,22 Euro pro Pfund
       (Lidl aktuell) kaufe, das nur aus konventioneller Rapidmast stammen könne,
       brauche sich über "komische Rückstände" in seinem Essen nicht zu wundern.
       
       So richtig Schwein haben aber wohl nur die Schweine der Rasse Cerdo ibérico
       in der spanischen Extremadura, die - ähnlich wie die in der italienischen
       Basilikata - frei in den dortigen Kork- oder Steineichenwäldern und auch in
       Olivenhainen herumstromern und sich ab Herbst an den nahrhaften Eicheln, an
       Wurzeln und Kräutern satt fressen dürfen. Die Haltung der auch Pata negra
       (schwarze Pfote) genannten Spezies ist auch für die Schweinebauern saugut.
       
       Im Wald nämlich können die Tiere umsonst fressen; zugefüttert werden nur
       Eiweiße und Mineralien, und im Sommer - wenn das Land ausgetrocknet ist -
       auch Getreide. Und der wunderbar marmorierte, luftgetrocknete Schinken vom
       Pata negra ist ein äußerst knappes Gut und deshalb (mit) der teuerste der
       Welt. Bei Teos in der Frankfurter Kleinmarkthalle etwa kosten 100 Gramm
       rund 10 Euro. Ein Schwein gibt dir immer einen vollen Bauch, sagt eine
       Volksweisheit aus der Basilikata. Man kann sein Geld sicher sinnfreier
       ausgeben.
       
       22 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bio
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tiernahrung in den USA: Öko-Futter für Köter
       
       Manchmal muss es eben Bio sein. Der Preis ist da nicht so wichtig.
       US-Amerikaner füttern selbst ihre Haustiere zunehmend mit gesunden
       Produkten.
       
 (DIR) CO2-Emissionen bei Haustieren: Klimakiller Katze
       
       Ein Haustier in Deutschland stößt ungefähr so viel CO2 aus wie ein Mensch
       in Ägypten. Experten empfehlen nun, am besten nur essbare Tiere
       anzuschaffen.
       
 (DIR) Aufklärung nach Dioxinskandal: Pranger light für Pfuschfirmen
       
       Nach dem Dioxinskandal will die Regierung es Konsumenten erleichtern,
       Kontrollergebnisse der Behörden zu erfahren. Zu wenig, meinen
       Verbraucherschützer.
       
 (DIR) Agrarwende-Demo in Berlin: 20.000 gegen die Agrarindustrie
       
       Bauern und Verbraucher gingen am Samstag für eine ökologische
       Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel auf die Straße. Derweil berieten
       Agrarminister aus aller Welt über die Ernährungssicherung.
       
 (DIR) Interview Verbraucherministerin Ilse Aigner: "Ich muss mehr auf den Putz hauen"
       
       Lebensmittel müssen einfach mehr Wertschätzung erfahren, sagt Ilse Aigner
       (CSU). Die Massentierhaltung stellt sie nicht infrage. Ein Gespräch über
       Ministergebaren, Essen und andere Stilfragen.
       
 (DIR) Kommentar Agrarmarkt: Die Vermarktung des Lebens
       
       Nahrungsmittel dürfen nicht zum Spielball der Finanzjongleure werden. Denn
       diese Spekulationsgeschäfte werden auf dem Rücken der Armen abgeschlossen.
       
 (DIR) Die neue Foodbürger-Bewegung: Power to the Bauer
       
       An der Demo "Wir haben es satt" werden mindestens 5000 Menschen teilnehmen.
       Der Dioxin-Skandal hat mobilisiert. Für einen Systemwechsel in der
       Agrarpolitik braucht es aber mehr.
       
 (DIR) Turbohühner auf dem Biohof: Skandal ohne Gewinner
       
       Dioxinfreie Eier? Die gibt es nicht mehr, nirgendwo - auch nicht auf dem
       Biohof, sagt Bauer Johannes Erkens Kudammhof in Großmoor bei Celle.
       
 (DIR) Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner: Frau ohne Fleisch
       
       Am Freitag eröffnet die grüne Woche. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner
       steht seit dem jüngsten Dioxinskandal in der Kritik. Ihr Problem: Sie gibt
       keine Linie vor. Und sie hat keine Macht.