# taz.de -- Essen für den Klimaschutz: Darf's ein bisschen vegetarisch sein?
       
       > Es könnte so einfach sein: Alle verzichten einmal in der Woche auf
       > Fleisch und schon würden die CO2-Emissionen verringert. Doch der Mensch
       > ist beim Essen eigen.
       
 (IMG) Bild: Esst mehr Gemüse - gern donnerstags.
       
       Im Januar 2010 rief die Bremer Bürgerstiftung ihre Mitbürger auf,
       donnerstags auf Fleisch zu verzichten. Dahinter verbarg sich ein neues
       Klimakonzept names "Veggiday", das im belgischen Gent seine Ursprünge hat.
       Die Idee ist simpel: Alle Bremer essen an einem Tag in der Woche kein
       Fleisch und schon würde die Stadt in einem Jahr die CO2-Belastung von rund
       40.000 Autos einsparen.
       
       Schulen und Kantinen sollten sich beteiligen, am besten auch noch
       zahlreiche Restaurants. Doch was einfach klingt, ist in der Umsetzung
       schwer. "Schon als wir dieses Projekt gestartet haben, wurden empörte
       Stimmen laut. 'Wir lassen uns das Fleisch nicht verbieten' war eine der
       Aussagen, die uns vorgehalten wurden", sagt Christiane Schwalbe, die
       Initiatorin des Klimaschutz-Projektes. Sie überzeugte damals die
       Bürgerstiftung und Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), dass der "Veggiday"
       ein unterstützenswertes Konzept sei.
       
       Mit einem Startkapital von 5.000 Euro vom Bremer Umweltsenator wurden Flyer
       gedruckt und ein paar Veranstaltungen organisiert, um das Projekt bekannt
       zu machen. Ein Jahr später ist von dem Geld nichts mehr übrig. Und auch die
       Idee läuft Gefahr, gerade wieder aus den Köpfen der Bremer zu verschwinden.
       Denn nur wenige lassen sich für den "Veggiday" begeistern.
       
       Essen ist keine Privatsache mehr 
       
       Für Markus Keller, Ernährungswissenschaftler am Institut für alternative
       und nachhaltige Ernährung in Gießen und Autor des Buches "Vegetarische
       Ernährung", ist die Sache klar: "Essen ist ein hochemotionales Thema, da
       lassen sich die wenigsten reinreden. Für die meisten Menschen ist Essen
       immer noch Privatsache." Doch das ist sie schon lange nicht mehr: Mit etwa
       60 Kilogramm Fleisch pro Person in einem Jahr essen die Deutschen rund
       zweieinhalb mal so viel Fleisch wie vor 60 Jahren.
       
       Wenn man bedenkt, dass allein die weltweite Tierhaltung etwa 18 Prozent der
       treibhauswirksamen Gase verursacht, sind die Auswirkungen des wachsenden
       Fleischkonsums auf das Klima enorm. "Essen ist eine globale Angelegenheit.
       Die eigene Ernährungsweise wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern
       auch auf die Umwelt und andere Menschen weltweit aus. Das muss jedem klar
       sein", so Keller.
       
       Die Realität sieht allerdings anders aus. Viele sehen die Essensumstellung
       nicht ein. Dabei wäre ein einziger Tag in der Woche Spaghetti mit
       Tomatensoße schon sehr wirkungsvoll: Würde ganz Deutschland einmal in
       sieben Tagen vegetarisch essen, könnten ein rechnerisch die Klimagase von
       rund sechs Millionen Autos im Jahr eingespart werden.
       
       Aber auch diese Fakten, gedruckt auf den Flyern der Veggie-Stadt, können
       anscheinend nicht überzeugen. Trotzdem erkennt Keller in dem Projekt
       "Veggiday" noch viel Potential, wenn man es richtig kommuniziert: "Man darf
       die Leute nicht ermahnen mit 'Du musst', sondern sollte ihnen den
       Genussfaktor verdeutlichen. In vielen Köpfen, aber leider auch in so
       mancher Mensa oder Betriebskantine, ist gesunde Ernährung jedoch immer noch
       mit wenig schmackhafter Ernährung verbunden." Bei einem gut gemachten,
       professionellen Verpflegungsangebot würden die Menschen schon selbst
       erkennen, dass vegetarische Gerichte eine echte Alternative zur üblichen
       Fleisch-mit-Beilagen-Küche sein könnten.
       
       Das Fleisch bleibt, das Gemüse kommt 
       
       Genau an diesem Punkt setzt Freiburg an. Die viertgrößte Stadt in
       Baden-Württemberg soll die nächste deutsche Veggie-Stadt werden. Doch
       während Bremen auf einer Pressekonferenz einfach den "Veggiday" erklärt
       hat, geht Freiburg vorsichtiger heran. Bereits seit einem halben Jahr wird
       hier geplant und getestet.
       
       Später soll das Klimakonzept "Ma(h)l vegetarisch essen hilft" heißen. Die
       Auswahl des Namens war sehr bewusst: "Bei 'Veggiday' oder 'Veggietag'
       verbinden es viele mit purem Vegetarismus. Man muss aber sensibel mit
       diesem Thema umgehen und den Freiheitsgedanken transportieren. Nur wenn
       sich die Menschen freiwillig dazu entscheiden, zu einem vegetarischen
       Gericht zu greifen, kann das Konzept funktionieren", sagt Adelheid Hepp
       (JF/Die Grünen) aus dem Stadtrat Freiburg.
       
       An einem Runden Tisch mit Silke Bott vom Vegetarierbund Deutschland e.V.
       (VEBU) und dem Leiter von BUND Freiburg berät sich Hepp über ein konkretes
       Vorgehen. Teilnehmende Kantinen und Mensen werden bereits jetzt gesucht.
       Erst wenn alles feststeht, soll das Projekt im Frühjahr 2011 an den Start
       gehen. Auch soll es in Freiburg am Donnerstag dann nicht nur noch
       vegetarische Gerichte geben. "Es bringt nichts, das Fleisch zu verbieten.
       Wenn an diesem einen Tag jedoch die Fleischauswahl verringert werden würde
       und die vegetarischen Gerichte dominieren würden, wäre das schon ein großer
       Schritt." Ein Schritt in Richtung Klimaschutz.
       
       Die Idee des "Veggietags" braucht vor allem eins braucht: Ausdauer. In
       Bremen läuft man allerdings Gefahr, genau diese Ausdauer nicht zu behalten.
       "Irgendwann verschwindet die Idee, die Motivation lässt nach", räumt
       Initiatorin Schwalbe ein. Die anfängliche Euphorie der ersten Veggie-Stadt
       Deutschlands hat sich nicht so schnell durchgesetzt wie erhofft. "Man
       braucht einen langen Atem." In Freiburg ist man sich dessen bewusst, die
       Motivation ist trotz langer Planungsphase hoch. Und Grünen-Politikerin Hepp
       in Freiburg glaubt fest an eine positive Entwicklung in der Zukunft: "Es
       könnte eine Volksbewegung werden, wenn jeder bei sich anfinge."
       
       7 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannah Samland
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wahlkampf
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Der sonntaz-Streit: „Fleisch muss Luxus sein“
       
       Der Veggie Day ist eine gesundheitspolitische Notwendigkeit, findet
       Moderatorin Sonya Kraus. Rainer Brüderle findet den Vorschlag lachhaft.
       
 (DIR) Getreide bleibt teuer: Das dunkle Ende der Wurst
       
       Die Nachfrage nach Getreide, auch als Viehfutter, treibt die Preise. Und
       das wird bis Ende des Jahres nicht anders, warnt die Ernährungsorganisation
       der UNO.
       
 (DIR) Unter Ernährungsexperten umstritten: Dänemark beschließt Fettsteuer
       
       Immer rein mit den gesättigten Fetten? "Nein", sagt die dänische Regierung
       und führt eine "Fettsteuer" ein. Die Landwirtschaftslobby läuft Sturm.
       
 (DIR) Meerschweinchen im Zoohandel: Haustiere als Wegwerfprodukte
       
       Wenn Kleintiere zur Ware werden, bleibt die artgerechte Haltung häufig auf
       der Strecke. Und Tiere, die nicht verkauft werden, enden oft als
       Schlangenfutter.
       
 (DIR) Deutsche Bahn verklagt Start-Up: Mitfahrgelegenheit oder Linienverkehr?
       
       Fahrziel Köln? Über DeinBus.de können sich Gruppen zusammenschließen und
       einen Bus mieten. Die Deutsche Bahn geht gerichtlich dagegen vor.
       
 (DIR) Verschwendung von Lebensmitteln: 20 Milliarden Euro für die Tonne
       
       Ein Apfel mit Druckstelle, ein Joghurt kurz vor dem Verfallsdatum -
       Lebensmittel, die eigentlich nicht in den Müll gehören. Doch keiner kauft
       sie mehr.
       
 (DIR) Reverse Graffiti: Putzmittel statt Spraydose
       
       Aus Schmutz wird Kunst: Beim Reverse Graffiti wird dreckiger Beton zur
       Leinwand für flüchtige Kunstwerke. Als Werkzeug dient auch schon mal eine
       Zahnbürste.
       
 (DIR) In Europa bis 2020 nötig: 2,9 Billionen Euro fürs Klima gesucht
       
       Hohe Investitionen sind nötig, um Europas Klimaschutzziele zu erreichen:
       für Erneuerbare Energien und moderne Netze, im Verkehrssektor und bei der
       Gebäudesanierung.
       
 (DIR) Aus Unterfranken nach Äthiopien: Herr über die Komposttoiletten
       
       Eigentlich wollte Christoph Klietsch in Äthiopien als Schreiner arbeiten.
       Doch jetzt ist sein Ziel ein anderes: ein Waisenhaus, das sich komplett
       selbst versorgt.
       
 (DIR) Schule der Zukunft: Einmal im Rollstuhl des anderen fahren
       
       Nachhaltiges Lernen an Schulen umfasst mehr als Mülltrennung oder
       Energieeffizienz. Auch der soziale Aspekt von Nachhaltigkeit soll unter
       Schülern gestärkt werden.
       
 (DIR) Abwasserreinigung auf dem Dach: Pflanzen sorgen für sauberes Wasser
       
       Abwasser ohne Chemie klären, dabei das Klima schonen und Geld sparen. Was
       sich anhört wie eine Zukunftsvision, ist bereits Realität. Bald auch für
       Privathaushalte?
       
 (DIR) Ausverkauf des Alpenraums: Alpines Disneyland
       
       Hängebrücken, Aussichtsplattformen, Berg-Erlebnisparks: Die Alpen
       entwickeln sich zum Mekka für spaßorientierte Touristen. Gegen die
       Entwicklung regt sich Widerstand.