# taz.de -- Schule der Zukunft: Einmal im Rollstuhl des anderen fahren
       
       > Nachhaltiges Lernen an Schulen umfasst mehr als Mülltrennung oder
       > Energieeffizienz. Auch der soziale Aspekt von Nachhaltigkeit soll unter
       > Schülern gestärkt werden.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur Mathe und Deutsch lehren, sondern auch Umweltbewusstsein.
       
       Eine aktuelle [1][Studie der Schweizer Bildungskoalition] zeigt, dass
       Kinder und Jugendliche – entgegen aller Vorurteile – ein starkes Interesse
       an sozial- und umweltpolitischen Fragen haben. So fordern sieben von zehn
       der befragten Schüler mehr Fächer wie "Nachhaltigkeit" im Lehrplan. Diese
       Ergebnisse kann der Umweltexperte Tilman Langner aus eigener Erfahrung nur
       bestätigen. Seit zehn Jahren hilft er freiberuflich Schulen bei der
       Umsetzung nachhaltiger Themen und leitet das [2]["Öko- beziehungsweise
       Nachhaltigkeits-Audit"].
       
       "Ich unterstütze gerne Projekte, bei denen sich die Schüler mit einbringen
       können", sagt Langner. Sein ursprüngliches Ziel war es, das
       Umweltbewusstsein an Schulen zu fördern, zum Beispiel durch
       Energieeinsparung oder Mülltrennung. Mittlerweile sieht er aber auch die
       Dringlichkeit sozialer Belange: "Die Frage, wie wir miteinander umgehen,
       ist von zentraler Bedeutung."
       
       Die [3][Katholische Grundschule Düsseldorf] - kurz KGS - hat vor ein paar
       Jahren unter Anleitung von Langner und Klaus Kurz, Projektkoordinator des
       Düsseldorfer Netzwerkes "Bildung für nachhaltige Entwicklung", einen Anfang
       gewagt. Den Anstoß gab ein Öko-Audit, bei dem Schulen freiwillig ihr
       Umweltverhalten überprüfen, verbessern und offenlegen konnten. "Eine
       Kollegin ermutigt, auch mal in einer Grundschule einen
       Nachhaltigkeitsbericht zu erarbeiten", sagt Ursula Weißenfels,
       Schulleiterin der KGS.
       
       So veröffentlichte die KGS 2005 schließlich als erste Grundschule
       Deutschlands "Umwelt als Gabe und Aufgabe" eine Umwelt- und
       Nachhaltigkeitserklärung. "Letztendlich ist ein Nachhaltigkeitsbericht ein
       Instrument der Organisationsentwicklung", sagt Langner. Der Bericht diene
       als Hilfsmittel, um Fortschritte und Ziele zu formulieren, für die Schule
       selbst und nach außen. Für ihr vorbildliches Handeln in Umweltfragen wurde
       die Schule von der [4][UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005
       – 2014"] ausgezeichnet.
       
       Solidarität mit Schwächeren 
       
       Das Projekt "Umwelt als Gabe und Aufgabe" wird an der KGS in vielen
       unterschiedlichen Bereichen umgesetzt. Umweltschutz und Nachhaltigkeit mit
       jüngeren Schülern umzusetzen, sei dabei etwas ganz anderes, als mit älteren
       Kindern zu arbeiten, so Schulleiterin Weißenfels. "Ausgangspunkt bei uns
       war die Mülltrennung – die machen wir ja heute noch. Und der Schulhof und
       der Spielplatz werden regelmäßig mitgesäubert."
       
       Soziale Gesichtspunkte spielen auch eine entscheidende Rolle, vor allem da
       sich die Katholische Grundschule Düsseldorf mittlerweile zu einer
       Ganztagsschule entwickelt hat. "Die Lehrer haben sich ein Jahr darauf
       vorbereitet, wie sie den Raum und die Zeit mit den Kindern am Nachmittag
       sinnvoll nutzen können", sagt Umweltexperte Langner. So gibt es zum
       Beispiel einen gemeinsamen Mittagstisch von Lehrern und Schülern.
       
       "Es soll nicht nur eine Zeit sein, in der Kinder beaufsichtigt werden", so
       Langner über das Konzept der KGS. Zudem öffnet sich die Schule nach außen.
       Ziel ist es, die Bewohner durch ein eigens geschaffenes Netzwerk zu
       verbinden. Es gibt regelmäßig Veranstaltungen der Schule, zu denen auch
       Eltern, Geschwister oder ehemalige Schüler eingeladen sind. Von diesen
       gemeinsamen Nachmittagen sollen vor allem Kinder und Jugendliche
       profitieren, die sozial isoliert leben.
       
       An der [5][Hulda-Pankok-Gesamtschule], die ebenfalls im Düsseldorfer
       Agenda-Projekt "Öko-Audit/Nachhaltigkeits-Audit" vertreten ist, werden
       behinderte und nichtbehinderte Schüler gemeinsam unterrichtet.
       Mitmenschlichkeit und Toleranz stehen im Mittelpunkt – das Motto "Es ist
       normal, verschieden zu sein", soll im Alltag gelebt werde. Um sich etwa in
       die besondere Lebenssituation von körperbehinderten Menschen
       hineinversetzen zu können, haben sich die Jugendlichen die Rollstühle ihrer
       Mitschüler einmnal ausgeliehen.
       
       Bei dem Experiment wurden sie mit Schwierigkeiten konfrontiert, die sie
       vorher überhaupt nicht wahrgenommen hatten. So hing der Vertretungsplan zu
       hoch und die Hälfte der Pause verstrich, da der Weg zum Pausenhof von
       vielen Barrieren gesäumt war. "Die gewonnenen Erfahrungen waren eine gute
       Grundlage, um gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten und so die Schule für
       körperbehinderten Mitschüler bestmöglich umzugestalten", sagt Langner über
       das Projekt. Zudem bewirkte die Aktion einen Lernprozess bei den
       Jugendlichen – sie wurden für die Probleme ihrer Kameraden sensibilisiert.
       
       Schüler als Streitschlichter 
       
       Neben sozialen gibt es auch ökologische Projekte an der
       Hulda-Pankok-Gesamtschule. Die [6][Schülerfirma "Lucky tree"] verkauft
       schulintern umweltfreundliche Büromaterialien. Basis ist eine
       Arbeitsgemeinschaft, die in der Regel aus 15 SchülerInnen der fünften und
       sechsten Klassen besteht. Die Materialien müssen ein überprüfbares
       Warenzeichen - zum Beispiel den "Blauen Engel" - aufweisen, um im Sortiment
       aufgenommen zu werden. "Lucky tree" soll in erster Linie zum Nachdenken
       über das eigene Konsumverhalten anregen. Zudem lernen die Schüler durch
       eigene Recherchen einiges über umweltfreundliche und nachhaltige Produkte.
       
       Natürlich gibt es an jeder Schule – und sei sie noch so vorbildlich -
       Spannungen untereinander. Hierfür stehen an der Hulda-Pankok-Gesamtschule
       in Düsseldorf die "Streitschlichter" zur Verfügung. "Ältere Schüler werden
       speziell ausgebildet, um im Fall von Konflikten zu vermitteln. Dies soll
       den Kontrahenten die Möglichkeit geben, den Streit vor dem Eingreifen der
       Lehrer selbst zu schlichten. So kann Verständnis für die andere Seite
       erzeugt werden", erklärt Langner. Nicht nur die zerstrittenen Parteien
       profitieren von dieser Regelung – auch die "Streitschlichter" lernen viel
       über das soziale Zusammenleben. Mittlerweile hat sich die
       Streitschlichter-AG etabliert und ist ein fester Bestandteil des
       Schullebens geworden.
       
       Und das positive Feedback der Schüler und Eltern auf den veränderten
       Schulalltag zeigt, dass die KGS und die Hulda-Pankok-Gesamtschule auf einem
       guten Weg zu Schule der Zukunft sind.
       
       3 Feb 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.wwf.ch/de/newsundservice/service/bildungsangebot/bildungsengagement/koalition/
 (DIR) [2] http://www.umweltschulen.de/audit/duesseldorf/ne_schulaudit.html
 (DIR) [3] http://www.umweltschulen.de/audit/kgs/inhalt.htm
 (DIR) [4] http://www.bne-portal.de/coremedia/generator/unesco/de/02__UN-Dekade_20BNE/Die_20UN-Dekade_20BNE.html
 (DIR) [5] http://www.hulda-pankok-gesamtschule.de/
 (DIR) [6] http://www.hulda-pankok-gesamtschule.de/index.php?id=330
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sonja Vogel
       
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