# taz.de -- Meerschweinchen im Zoohandel: Haustiere als Wegwerfprodukte
       
       > Wenn Kleintiere zur Ware werden, bleibt die artgerechte Haltung häufig
       > auf der Strecke. Und Tiere, die nicht verkauft werden, enden oft als
       > Schlangenfutter.
       
 (IMG) Bild: Artgerechte Tierhaltung sollte in Zoofachgeschäften nicht zur Ausnahme werden.
       
       In Deutschland gibt es etwa 4.000 Zoofachhandlungen. Zunehmend bieten auch
       immer mehr Baumärkte Kleintiere zu Niedrigpreisen an. Die einzigen, die
       oftmals einen hohen Preis zu zahlen haben, sind die Tiere. Bei einem Gang
       durch diverse Zoohandlungen im Rhein-Main-Gebiet zeigt sich, dass die
       Situation in jedem zweiten Geschäft nichts mit artgerechter Tierhaltung zu
       tun hat.
       
       Wenn acht Meerschweinchen in einem Gehege leben, das gerade einmal so groß
       wie die Seite einer Tageszeitung ist, kann nicht von artgerechter Haltung
       gesprochen werden. In drei Geschäften sind die Verkauftstiere krank: Kahle
       und schorfige Stellen im Fell deuten auf einen Parasitenbefall hin. Ein
       Meerschweinchen hat sich am Auge verletzt, die Hornhaut hat sich bereits
       milchig-weiß eingetrübt. Die Mitarbeiterin des Zoofachgeschäftes zeigt sich
       beim Hinweis darauf überrascht. Aufgefallen sei ihr die Erkrankung des
       Tieres nicht.
       
       Christine Esch, Tierärztin und Kampagnenleiterin bei der
       Tierrechtsorganisation [1][PETA], kennt die Problematik: "Die Tiere stammen
       in der Regel aus Massenzuchten und werden zu jung in den Handel gegeben,
       was sie für Krankheiten anfällig macht. Ist das Immunsystem der
       Meerschweinchen erst geschwächt, ist das die beste Voraussetzung für
       Infektionskrankheiten und Parasiten." Ein Behandlung durch den Tierarzt
       kostet Geld, was sich bei einem Verkaufswert zwischen 15 und 25 Euro oft
       nicht rentiert.
       
       Nicht sofort zeigen sich andere Schäden, die durch mangelhafte
       Zuchtbedingungen und insbesondere durch Inzucht entstehen. Schmerzhafte
       Tumorerkrankungen oder Zahnfehlstellungen, die bei Meerschweinchen
       schwerwiegende Folgen haben können, sind das Ergebnis. "Die Lebenserwartung
       dieser Meerschweinchen ist geringer", so Esch. "Das natürliche Lebensalter
       von sieben bis zehn Jahren erreichen viele nicht."
       
       Meerschweinchen als Frostfutter 
       
       "Tiere sind in der heutigen Gesellschaft Wegwerfprodukte", sagt Magdalena
       Scherk, Kampagnenleiterin bei PETA. "Meerschweinchen und andere Kleintiere,
       die nicht verkauft werden können, enden oft als Frostfutter für Reptilien."
       Bei einer Zoohandels-Recherche kaufte PETA bei einem Online-Anbieter für
       Frostfutter gefrorene Meerschweinchen und ließ sie von einem Tierarzt
       untersuchen. Auf Röntgenbildern entdeckte er mehrere Frakturen sowie Risse
       auf dem Schädel und im Genickbereich, die durch mechanische Einwirkungen
       entstanden sein müssen.
       
       "Sogar an den Todesspritzen wird gespart, weil die Kosten dafür höher als
       die Einnahmen sind, die der Verkauf der getöteten Tiere einbringt", urteilt
       Scherk. Ein klarer Verstoß gegen [2][Paragraf 4 des Tierschutzgesetzes],
       der besagt, dass Wirbeltiere grundsätzlich nur betäubt und unter Vermeidung
       von Schmerzen getötet werden dürfen. "Es gibt zwar ein Tierschutzgesetz,
       welches Tiere im Zoohandel vor grobem Missbrauch schützt, dennoch leben
       diese Tiere quasi im rechtsfreien Raum", sagt Scherk. Eine Kontrolle der
       Zoogeschäfte gestalte sich schwierig und selbst drastische Verstöße gegen
       das Tierschutzgesetz würden kaum geahndet werden.
       
       "Es hat den Anschein, dass in der Zoohandelsbranche viel verheimlicht
       wird", sagt Scherk. "Der Zoohandel schafft keinerlei Transparenz über
       Herkunft und Transport der Tiere, wohl auch um Massenzuchten zu verbergen."
       Vor Ort in den Geschäften gibt es keine Informationen zu den Züchtern oder
       über die Versorgung der Tiere. Die Baumarktkette [3][Dehner] beantwortet
       keine Fragen zum Thema, sendet aber ein farbenfrohes Prospekt zu, in dem
       eine artgerechte und fachkundige Betreuung der Verkaufstiere versichert
       wird. Ein anderes Geschäft in Hanau sichert einen Rückruf zu, der nicht
       erfolgt. [4][Zoo-Käppner] verweist an den [5][ZZF], den Zentralverband
       Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V., bei dem etwa 670 Zoogeschäfte
       Mitglied sind.
       
       Auf der Webseite des Verbandes wird hervorgehoben, dass die Verantwortung
       des Menschen für das lebende Tier und das Wohlbefinden der Heimtiere an
       erster Stelle stehe. Antje Schreiber, Pressesprecherin des ZZF, sagt, dass
       es der Anspruch des Verbandes sei, dass mit den Tieren in den Zoohandlungen
       "adäquat umgegangen" werde. Eine Prüfung der Qualitätsstandards werde beim
       Aufnahmeverfahren für neue Mitglieder durchgeführt. "Danach findet keine
       Qualitätssicherung statt", so Schreiber. Eine regelmäßige Überprüfung der
       Zoofachgeschäfte könne weder personell noch finanziell umgesetzt werden.
       
       Gesundheitscheck beim Kleintierkauf 
       
       Inzwischen sei es aber branchenweit üblich, dass die Zoohandlungen
       Rahmenverträge mit Tierärzten abschließen, die sich um die Verkaufstiere
       kümmern. Aber inwieweit davon Gebrauch gemacht wird, liege in der
       Verantwortung des Unternehmens. Im [6][Kölle-Zoo] in Weiterstadt bei
       Darmstadt gibt es eine praktische Lösung: Ein Tierarzt hat seine Praxis
       gleich im Gebäude des Zoofachgeschäftes. Beim Kauf eines Tieres ist der
       Gesundheitscheck beim Veterinär inklusive. Leider ist das die Ausnahme.
       
       PETA fordert angesichts der Missstände, Kleintiere nicht mehr in
       Zoohandlungen zu verkaufen. Schließlich wird der Hauptumsatz nicht durch
       den Handel mit Tieren, sondern über den Verkauf von Kleintierzubehör und
       Futterprodukten gemacht. Schreiber macht die Verbraucher für das Angebot in
       den Märkten verantwortlich: "Natürlich verdienen die Geschäfte nicht an den
       Tieren, aber es gibt eine Nachfrage, die bedient wird."
       
       Mike Ruckelshaus von der Tierschutzorganisation [7][Bund gegen Missbrauch
       der Tiere] sieht das ähnlich. Er bemängelt insbesondere den Kleintierhandel
       in Baumärkten, in denen eine fachliche Beratung nicht stattfinde und die
       Tiere als Spontankauf neben der Bohrmaschine im Einkaufswagen landeten.
       "Der Erfolg in den Baumärkten zeigt aber, dass der Verbraucher das Angebot
       annimmt", sagt Ruckelshaus, "Dabei sind die Tierheime voll und sollten die
       erste Anlaufstelle sein, wenn man sich ein Tier anschaffen will." Dieser
       Meinung schließen sich PETA und auch der ZZF an.
       
       Wenn die Zoogeschäfte und Züchter nicht gewillt sind, die Situation zu
       verbessern, liegt es am Kunden, den Handel mit Kleintieren in Zoohandlungen
       durch das Kaufverhalten zu verändern. Der Handel mit Frostfutter für
       Reptilien bleibt davon jedoch unberührt. Bei einem der zahlreichen
       Online-Anbieter kostet ein Kilogramm Meerschweinchen derzeit 7,99 Euro.
       
       10 Feb 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.peta.de/
 (DIR) [2] http://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html#BJNR012770972BJNG000403377
 (DIR) [3] http://www.dehner.de/
 (DIR) [4] http://www.zoo-kaeppner.eu/
 (DIR) [5] http://www.zzf.de/
 (DIR) [6] http://www.koelle-zoo.de/
 (DIR) [7] http://www.bmt-tierschutz.de/
       
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