# taz.de -- Neonazi-Aufmärsche in Dresden: Proteste abgewürgt
       
       > Die Stadt Dresden gewährt den Neonazis am 13. und 19. Februar das
       > Demonstrationsrecht. Die Gegner werden hinter die Elbe verbannt.
       
 (IMG) Bild: Es ist die zentrale Frage: Sind Blockaden und ziviler Ungehorsam ein Rechtsbruch?
       
       DRESDEN taz | Die Dresdner Stadtverwaltung tut alles, um die
       Neonazi-Aufmärsche am 13. und 19. Februar im vollen Umfang zu ermöglichen.
       Nach Erkenntnissen der städtischen Bündnisgrünen sind mit Ausnahme einer
       Mahnwache vor der Synagoge alle Gegenveranstaltungen auf der Altstädter
       Seite untersagt worden. Hier liegt der Hauptbahnhof, an dem sich Teilnehmer
       aus ganz Europa zu einem von der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland
       (JLO) veranstalteten „Trauermarsch“ versammeln wollen.
       
       Die Grünen fühlen sich insbesondere brüskiert, weil ihre traditionelle und
       bis ins Jahr 2070 angemeldete Mahnwache vor der Statue einer Trümmerfrau am
       Rathaus auf die Neustädter Seite verlegt werden soll. Betroffen ist
       beispielsweise auch ein Gedenkrundgang „Täterspuren“ des Bündnisses
       „Dresden-Nazifrei!“ an historischen Orten der Altstadt ohne direkte
       Konfrontation mit dem Nazi-Aufzug.
       
       Ein Sprecher der Stadtverwaltung konnte am Dienstag noch nicht sagen, ob
       tatsächlich alle angemeldeten Versammlungen betroffen sind. In einer Mail
       an die Grünen heißt es zur Begründung, die Polizei brauche „entsprechenden
       Handlungsraum“, um eine Trennung beider Lager durchsetzen zu können. „Als
       Trennungslinie fungiert dabei die Elbe“, schreibt das Ordnungsamt.
       
       Eine solche strikte Trennung war offenbar im Sächsischen Innenministerium
       zwischen Innenminister Markus Ulbig und Landespolizeipräsident Bernd
       Merbitz (beide CDU) vereinbart worden. Der Dresdner Polizeipräsident Dieter
       Hanitsch hatte sie Anfang Februar in einer Pressekonferenz verkündet.
       
       Diese Strategie geht wiederum auf ein Urteil des Dresdner
       Verwaltungsgerichtes vom 19. Januar zurück. Danach hätte die Polizei 2010
       bei der erfolgreichen Blockade des JLO-Zuges am Neustädter Bahnhof
       „geeignete Mittel“ einsetzen müssen, um den Nazis die Route frei zu räumen.
       
       Das Gericht veröffentlichte allerdings lediglich eine Pressemitteilung, ein
       Wortlaut des Urteils und dessen Begründung liegt [1][mittlerweile vor.] Das
       Urteil löste einen Schock und einige Verwirrung aus, auch bei
       Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). Einerseits äußerte sie Genugtuung
       darüber, dass „die Nazis im Vorjahr nicht so konnten wie sie wollten“, und
       rief die Dresdner zu Aktionen auf. Auf die Frage, ob damit auch friedliche
       Blockaden gemeint seien, verwies sie andererseits auf das
       Verwaltungsgericht.
       
       Über die zentrale Frage, ob Blockaden und ziviler Ungehorsam ein
       Rechtsbruch oder vom Artikel 8 des Grundgesetzes gedeckt seien, hatten
       Mitte Januar der Sozialdemokratie nahe stehende Juristen in Dresden
       diskutiert. „Wer das propagiert, kommt in Teufels Küche“, meinte
       beispielsweise der Hamburger Rechtsprofessor Jürgen Schwabe unter heftigem
       Protest der zahlreichen Gäste. So sehr man es auch anders wünsche, aber den
       nicht verbotenen Rechten stünden die gleichen Bürgerrechte zu wie anderen.
       
       Die Auslegung eines anders tenorierenden Verfassungsgerichtsurteils von
       1995 ist unter Juristen nach wie vor umstritten. Die Mehrheit des Podiums
       vertrat die Auffassung, man könne und müsse dennoch kämpfen, ohne das
       Versammlungsrecht formal zu verletzen. Das Demonstrationsrecht der
       Protestierer dürfe ebenso wenig eingeschränkt werden.
       
       Auf diese Abwägung verwies am Dienstag erneut der Jurist und
       Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi. Auch eine Blockade in Hör- und
       Sichtweite sei von der Versammlungsfreiheit im Grundgesetz gedeckt. Selbst
       wenn eine Auflösung verfügt werde, sei dies noch nicht identisch mit einer
       Räumung. Lichdi beruft sich wiederum auf ein Urteil des
       Verwaltungsgerichtes Braunschweig.
       
       Auffällig sei auch die große Sorge Dresdens um eine Gewährleistung des
       Demonstrationsrechtes für die Neonazis, während die Gegendemonstrationen
       beschnitten würden. Der Abgeordnete vermutet dahinter „die politische
       Absicht, alle Gegendemonstrationen abzuschrecken“.
       
       Michael Schmelich, Sprecher der Stadtgrünen, sieht darin einen Rückschritt
       gegenüber dem Vorjahr und eine laschere Strategie der Stadtverwaltung in
       den letzten Tagen. „Die Stadt hat der Mut verlassen“, vergleicht er. In ein
       besonderes Dilemma hat die JLO den von TU Dresden formulierten und von der
       Stadt und zahlreichen Organisationen unterstützten Aufruf zu einer
       Menschenkette wie im Vorjahr gestürzt. „Auch wir wollen uns natürlich als
       Bürger und Gäste diesem Aufruf nicht verwehren und somit zum Gelingen
       beitragen!“, heißt es zynisch auf ihrer Internetseite. Eine braune
       Unterwanderung der Menschenkette ließe die Proteste gegen die
       Nazi-Besetzung des Dresden-Gedenktages endgültig zur Farce werden.
       
       8 Feb 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.johannes-lichdi.de/fileadmin/user_upload/11-0208_Urteil-zum-13-02-2010.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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