# taz.de -- Neue Regierung für Palästina: Umbruch erreicht das Westjordanland
       
       > Die neue Regierung in Ramallah soll Wahlen vorbereiten und den
       > Machtanspruch der Fatah gegenüber der Hamas absichern. Die Hamas will die
       > Wahlen boykottieren.
       
 (IMG) Bild: Den bisherige Ministerpräsident Salam Fajad (l.) überreicht Präsident Mahmud Abbas seine Rücktrittspapiere.
       
       JERUSALEM taz | Die Welle der Veränderungen in der arabischen Welt hat nun
       auch die Palästinensergebiete erreicht. Präsident Mahmud Abbas beauftragte
       den bisherigen Ministerpräsidenten Salam Fajad, 58, am Montag mit der
       Bildung einer neuen Regierung. Fajads Regierung war zuvor formell
       zurückgetreten. Die Palästinenserführung reagierte damit auf anhaltende
       Korruptionsvorwürfe gegen einzelne Minister.
       
       Im September dieses Jahres sollen dann Präsidentschafts- und
       Parlamentswahlen abgehalten werden. Die Hamas im Gazastreifen kündigte
       einen Boykott der Wahlen an. Die offizielle Amtszeit von Abbas war bereits
       im Januar 2009 abgelaufen. Parlamentswahlen wären im Januar 2010 fällig
       gewesen.
       
       "Die Hamas hat jetzt sieben Monate Zeit, um den Kompromissvorschlag, der
       auf dem Tisch liegt, zu unterzeichnen", meinte der ehemalige
       palästinensische Außenminister Nabil Shaath am Montag auf telefonische
       Anfrage. Shaath führte im Auftrag der Fatah die Verhandlungen um eine
       innerpalästinensische Versöhnung. "Wir wollen, dass die Wahlen im
       Westjordanland und im Gazastreifen stattfinden. Aber wenn die Hamas uns
       daran hindert, werden wir uns auf das Westjordanland beschränken."
       
       Die Fatah-Organisation von Abbas hatte schon seit zwei Jahren eine
       Regierungsumbildung gefordert, weil sie sich in dem Kabinett nicht
       ausreichend repräsentiert sah. Schlüsselressorts waren in Händen
       unabhängiger Fachleute. Die Fatah hatte es auf das repräsentative
       Außenministerium sowie auf das Finanzministerium abgesehen.
       
       "Die Hamas muss den Wahlen in den gesamten Palästinensergebieten
       zustimmen", meinte auch Omar al-Ghoul, Berater von Regierungschef Fajad.
       Ende des vergangenen Jahres hatten die zerstrittenen Parteien mit
       Gesprächen in Damaskus ihre grundsätzliche Bereitschaft gezeigt, die
       Differenzen beizulegen.
       
       Doch während die Fatah den von Ägypten vorgelegten Vermittlungsvorschlag
       uneingeschränkt zugestimmt hatte, äußerte die Hamas Bedenken und verlangte
       Präzisierungen für die Umsetzung eines Abkommens. Daran waren die Gespräche
       gescheitert. "Es finden derzeitig keine direkten Gespräche statt", erklärte
       denn auch al-Ghoul.
       
       Regierungschef Fajad wird in den kommenden Tagen mit den übrigen
       PLO-Fraktionen über die künftigen Mitglieder der Übergangsregierung
       beraten. Das Übergangskabinett sollte innerhalb von drei Wochen komplett
       sein. Die Regierungsbildung könnte danach noch um zwei Wochen verlängert
       werden. Das bisherige Kabinett soll unbestätigten Berichten zufolge auf
       höchstens noch 19 Ministerposten verkleinert werden.
       
       Das Ziel des von den USA gestützten Wirtschaftsexperten Fajad ist der
       Aufbau staatlicher Institutionen, vor allem eines Rechtssystems und eines
       effektiven Sicherheitsapparats. Damit will Fajad die Gründung eines Staates
       Palästina vorbereiten. Bislang lehnt das Nahostquartett aus USA, UN, EU und
       Russland die einseitige Anerkennung eines solchen Staates ab.
       
       14 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte Palästina: Keine Spur von Intifada
       
       Auch die Palästinenser hätten gute Gründe für eine Revolte. Doch der
       arabische Aufbruch geht sowohl am Westjordanland als auch am Gazastreifen
       vorbei.
       
 (DIR) Neue Palästinensische Regierung: Ministersuche via Facebook
       
       Der designierte palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad bittet
       seine Landsleute auf Facebook und Twitter um Vorschläge für die Besetzung
       von Ministerämtern.
       
 (DIR) Kommentar Regierung Palästina: Von Kairo gelernt
       
       Die Popularität von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sinkt
       kontinuierlich. Jetzt löst er die Regierung auf und ruft Neuwahlen aus. Das
       wurde höchste Zeit.
       
 (DIR) Reaktionen in Ramallah: Gemischte Gefühle über Mubaraks Sturz
       
       Der palästinensischen Führung ist mit Mubarak der wichtigste arabische
       Verbündete abhanden gekommen. In Ramallah erwartet aber niemand große
       Veränderungen.
       
 (DIR) Kommentar Palästina: Mehr Rücktritte bitte
       
       Die Palästinapapiere, die der Sender al-Dschasira veröffentlichte, haben
       die Führung schwerer belastet, als sie es eingesteht. Der Rücktritt Saeb
       Erekats ist nur ein Bauernopfer.
       
 (DIR) Israel und die Revolte in Ägypten: Die Angst vor den Islamisten
       
       Israels Regierung fürchtet den Sturz von Ägyptens Präsident Mubarak. Die
       Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah schweigen lieber.
       
 (DIR) Friedensprozess in Nahost: Neue Wege verzweifelt gesucht
       
       Die jetzt veröffentlichten Dokumente zu den israelisch-palästinensischen
       Verhandlungen zeigen: Alle Seiten haben ihre Glaubwürdigkeit längst
       eingebüßt.
       
 (DIR) Nahost-Friedensgespräche: Neue Leaks sorgen für Furore
       
       Geheimdokumente zeigen, dass die Palästinenser zu großen Zugeständnissen
       bei den Friedensgesprächen bereit waren. Israels Außenminister frohlockt.