# taz.de -- Flüchtlingsstrom nach Italien: Die Gestrandeten von Lampedusa
       
       > Chaos in der Flüchtlingspolitik: Tunesien lehnt italienische
       > Patrouillenboote vor seiner Küste ab, erklärt sich aber zur Kooperation
       > mit Italien bereit.
       
 (IMG) Bild: Viele Flüchtlinge, wenig Carabinieri - Italien und der Flüchtlingsnotstand.
       
       ROM taz | Eine womöglich nur momentane Abschwächung des Zustroms
       tunesischer Flüchtlinge auf die italienische Insel Lampedusa, unbestätigte
       Meldungen über mehr als 20 Tote bei einem Schiffsunglück und parallel dazu
       hektische diplomatische Aktivitäten zwischen Rom, Tunis und Brüssel: dies
       war das Bild vom neuesten europäischen Flüchtlingsnotstand, das sich am
       Montag ergab.
       
       Nachdem bis Sonntag früh binnen nur vier Tagen etwa 5.000 Tunesier auf
       Booten Lampedusa erreicht hatten, flaute der Zustrom deutlich ab. Am Montag
       meldete die Onlineausgabe der Tageszeitung La Repubblica unter Berufung auf
       eine arabische Website, ein tunesisches Patrouillenboot habe ein
       Flüchtlingsschiff gerammt; bei dem Untergang seien 29 Menschen ums Leben
       gekommen.
       
       Unterdessen ordnete Italiens Regierung am Sonntagabend die Aufnahme der
       Flüchtlinge im voll funktionsfähigen Auffanglager der Insel an; damit
       hatten die meisten von ihnen endlich einen Schlafplatz. Doch diejenigen
       unter den Flüchtlingen, die nicht ins Lager wollten, wurden hierzu nicht
       gezwungen - wohl auch weil die italienische Regierung schlicht nicht über
       die nötige Anzahl von Beamten verfügt, um eine effektive Kontrolle zu
       gewährleisten. Das Innenministerium beschloss deshalb jetzt, 50 Carabinieri
       und 50 Polizisten auf die Insel zu schicken.
       
       Das Ansinnen der italienischen Regierung, eigene Beamte und
       Patrouillenboote direkt nach Tunesien zu schicken, wurde von der dortigen
       Regierung umgehend als "unakzeptabel" abgelehnt. Die Website von La
       Repubblica zitierte einen Sprecher des tunesischen Außenministeriums, der
       den italienischen Vorschlag als "vorhersehbar" klassifizierte, da Italiens
       Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord bekanntermaßen zur
       "extremen, rassistischen Rechten" gehöre. Zugleich aber erklärte die
       Regierung in Tunis, sie sei zur Kooperation mit Rom bereit. Am Montagabend
       wurde Italiens Außenminister Franco Frattini zu Gesprächen mit der
       tunesischen Regierung erwartet. Bis zum Sturz Ben Alis erfolgte die
       bilaterale Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsabwehr sehr effizient. Nachdem
       im Jahr 1999 ein Abkommen zwischen beiden Staaten geschlossen worden war,
       das auch die Rücknahme der Flüchtlinge durch Tunesien beinhaltete, trafen
       von dort über mehr als zehn Jahre hinweg kaum noch Flüchtlinge ein.
       
       Ebenfalls am Montag machte sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton
       auf den Weg nach Tunis, wo sie ausloten wollte, wie die EU-Hilfe beim
       demokratischen Wandel des Landes aussehen kann. Vorerst aber stand die
       Polemik zwischen Italien und der EU im Vordergrund. Minister Maroni
       erklärte, Brüssel habe Italien mit der Krise "alleingelassen" und "langsam
       und bürokratisch" auf das italienische Ersuchen um Hilfe reagiert.
       EU-Innenkommissarin Cecilia Malstrom wies den Vorwurf zurück; es sei
       vielmehr Italien gewesen, das Hilfsangebote in den letzten Tagen
       zurückgewiesen habe.
       
       Doch wenigstens aus Berlin kam verbaler Zuspruch für die italienische
       Regierung. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte nach Westerwelles
       Besuch in Tunesien am Wochenende, die Flüchtlinge seien ein gemeinsames
       europäisches Problem. Die Lebensperspektiven der Jugendlichen müssten in
       Tunesien verbessert werden, wenn man das Problem an der Wurzel fassen
       wolle. Westerwelle rief die jungen Menschen auf, in ihrer Heimat zu bleiben
       - versprach aber zugleich, die Bundesregierung werde sich in Tunesien mit
       unternehmerischen Programmen erheblich engagieren. Auch der
       CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder warnte davor, in Deutschland
       Flüchtlinge aus Afrika aufzunehmen. Die Flüchtlingswelle der letzten Tage
       sei nur der Anfang eines größeren Flüchtlingsstroms gewesen.
       
       14 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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