# taz.de -- Flüchtlinge aus Tunesien: Humanitärer Notstand in Italien
       
       > Tausende Flüchtlinge aus Tunesien treffen auf der Insel Lampedusa ein.
       > Rom will jetzt eigene Polizisten in Tunesien stationieren, um
       > ungenehmigte Ausreisen nach Italien zu verhindern.
       
 (IMG) Bild: Tunesische Flüchtlinge hinter dem Zaun des Lagers auf Lampedusa.
       
       ROM taz | Etwa 5.000 Flüchtlinge aus Tunesien sind vom Mittwoch bis zum
       Sonntagmittag auf der italienischen Insel Lampedusa eingetroffen, und der
       Strom reißt nicht ab. Von weiteren mindestens 10, nach anderen
       Zeugenaussagen aber womöglich gar 40 bis 60 Schiffen mit Ziel Lampedusa ist
       die Rede.
       
       Italiens Regierung hat den "humanitären Notstand" ausgerufen, den Präfekten
       von Palermo mit Sondervollmachten ausgestattet und den Zivilschutz
       eingeschaltet. Zudem kündigte Rom an, eigene Polizisten in das
       nordafrikanische Land zu entsenden. Diese Beamten sollten verhindern, dass
       weitere Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten, sagte
       Innenminister Roberto Maroni am Sonntag.
       
       Humanitärer Notstand herrscht in der Tat. Nur wenige der Angekommenen
       konnten in Hotels, in der Pfarrei oder in einem Naturschutzzentrum
       nächtigen. Die meisten mussten oft länger als einen Tag dichtgedrängt auf
       der Hafenmole ausharren oder wurden auf den Fußballplatz geschafft.
       
       Die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge stammt aus Tunesien. Die meisten
       sind junge Männer, aber auch zahlreiche Frauen und Kinder waren auf den
       Fischerbooten. Sie zahlten nach eigenen Angaben zwischen 1.000 und 2.000
       Euro für die Passage.
       
       Die Folgen des Umsturzes in Tunesien erreichen damit Italien. Die
       Flüchtlinge berichteten, dass sie im Hafen von Zarzis ungehindert an Bord
       gehen konnten. Offenkundig ist die tunesische Staatsmacht nicht mehr
       willens oder in der Lage, irreguläre Ausreisen zu verhindern.
       
       Ben Alis Regierung war 1999 die erste in Nordafrika gewesen, die mit
       Italien ein Abkommen zur Flüchtlingsabwehr geschlossen hatte. Seitdem hatte
       das tunesische Regime mit Patrouilleneinsätzen auf hoher See und einer
       verbindlichen Rücknahmezusage dafür gesorgt, dass von dort kaum noch
       Menschen nach Lampedusa gelangten. Ähnliche Abkommen schloss Italien mit
       Ägypten und mit Libyen.
       
       Seit der Pakt mit Gaddafi 2009 operativ umgesetzt wurde, schien die Ankunft
       von Flüchtlingen auf Lampedusa der Vergangenheit anzugehören. In einem
       Jahr, vom 1. August 2009 bis zum 31. Juli 2010, wurden auf Lampedusa nur
       noch 400 Flüchtlinge statt der gut 20.000 des Vorjahres gezählt. Italiens
       Innenminister Roberto Maroni von der fremdenfeindlichen Lega Nord feierte
       die Schließung des Aufnahmelagers der Insel als triumphalen Schlussakt
       seiner "Null-Immigrations"-Politik.
       
       Heute trägt Maroni zur Verschärfung des humanitären Notstands auf der Insel
       bei. Zwar könnte das Lager mit 850 Schlafplätzen, die auf bis zu 2.000
       aufgestockt werden können, wieder in Betrieb genommen werden. Selbst das
       Personal ist weiter im Dienst. Doch der Innenminister zieht es vor, die
       Mitarbeiter des Lagers mit Decken und Brötchen zur Hafenmole ausrücken zu
       lassen, statt die Menschen sicher unterzubringen. Im zweiten Schritt dann
       wurden mehrere tausend Menschen in Lager auf Sizilien und in Süditalien
       geschafft. Auch Zeltstädte sollen dort jetzt errichtet werden.
       
       13 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) M. Braun
       
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