# taz.de -- Kommentar zu tunesischen Flüchtlingen: Wenn der Diktator fehlt
       
       > Die Diktatoren, die halfen, das Tor Europas weiter zu schließen, sind
       > weg. Wenn Europa Stabilität will, muss es sich um die Prosperität der
       > Länder Nordafrikas kümmern.
       
 (IMG) Bild: Der Notstand auf Lampedusa wurde künstlich herbeigeführt - kritisiert die Anwältin Paola La Rosa.
       
       Guido Westerwelle will den Tunesiern helfen. Richtig bemerkt unser
       Außenminister, die jungen Menschen dort seien nicht nur für Freiheit,
       sondern auch für Arbeitsplätze auf die Straße gegangen. Dann setzt er mit
       der Aufforderung nach, sie mögen gefälligst zu Hause bleiben.
       
       Und ebendies macht sein Hilfsangebot einigermaßen verdächtig. Es scheint,
       wie so oft, von einigermaßen selbstsüchtigen Kalkülen geleitet zu sein: von
       dem Interesse, die tunesische genauso wie die anderen Regierungen am
       Südufer des Mittelmeers als zuverlässige Partner bei der Abschottung der
       Festung Europa auf der eigenen Seite zu wissen.
       
       Schließlich nützt die ganze europäische Aufrüstung im Mittelmeer recht
       wenig, wenn die Länder Nordafrikas nicht mitspielen. Das zeigt sich gerade
       jetzt in Tunesien: Kaum ist unser alter, zuverlässiger Partner Ben Ali weg,
       stechen die Boote in See. Ben Ali allerdings musste sich über all die Jahre
       nie Mahnungen anhören, er lasse es an Demokratie mangeln oder er nutze
       europäische Hilfe dafür, den Wohlstand des eignen Clans zu mehren.
       Schließlich garantierte er jenes Gut, das "uns Europäer" faktisch weit mehr
       interessierte als Demokratie und Prosperität in Tunesien: die Stabilität -
       bei der Islamistenabwehr im Innern, vor allem aber an den Außengrenzen.
       
       Damit ist es nun plötzlich vorbei. Und niemand weiß zurzeit, was aus
       Ägypten, was aus Algerien wird. Zehntausende Menschen aus den Ländern
       Nordafrikas, Zehntausende zudem aus Schwarzafrika, die die
       Mittelmeeranrainer als Transitstaaten nutzen, könnten sich demnächst auf
       den Weg nach Europa machen.
       
       Es ist wohl eher diese Furcht, die Westerwelle umtreibt, als ehrliche Sorge
       um die Zukunftsaussichten der womöglich entstehenden arabischen
       Demokratien, um die Zukunftsaussichten auch der jungen Tunesier oder
       Ägypter. Es wird nicht damit getan sein, mit humanitärem Anstrich versehene
       Hilfen an Regime zu geben, die dann die europäischen Polizeiaufgaben gleich
       bei sich zu Hause erledigen. Wenn Europa im eigenen Interesse Stabilität
       will, dann muss es sich nicht bloß verbal, sondern ganz real um die
       Prosperität jener Staaten kümmern. Denn die Diktatoren, die es so einfach
       machten, das Tor Europas immer dichter zu schließen, stürzen nicht zuletzt,
       weil der Jugend alle Perspektiven abhandengekommen sind. Wenigstens dies,
       so scheint es, hat Westerwelle erkannt.
       
       14 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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