# taz.de -- Kommentar Aufstand in Libyen: Ein geteiltes Land
       
       > In Ägypten gab es vor der Revolution eine zivilgesellschaftliche Basis,
       > in Libyen fehlt diese völlig. Sollte Gaddafi stürzen, ist völlig unklar,
       > was auf ihn folgt.
       
 (IMG) Bild: Eine Stadt nach der nächsten fällt: Aufständische in Shahat im Osten Libyens.
       
       Einen Tag nach der harschen Rede des selbst ernannten Revolutionsführers
       Muammar al-Gaddafi ist Libyen ein geteiltes Land. Im Osten des Landes
       sollen weite Teile von den Aufständischen kontrolliert werden, während in
       der Hauptstadt Tripolis bewaffnete Anhänger des Regimes regelrechte
       Hetzjagden auf Protestierende veranstalten.
       
       Libyens Zukunft ist völlig offen. Wird es dem Diktator gelingen, sich
       weiter an seine Macht zu klammern und jeden Dissens mit brutaler Gewalt zu
       unterdrücken? Oder, falls Gaddafi doch abtreten sollte, was kommt nach ihm?
       Da bleiben mit Blick auf Libyen viel mehr Fragen offen, als dies in Ägypten
       der Fall war.
       
       Wie in Ägypten, so fordern auch die Demonstranten in Libyen den Rücktritt
       ihres Diktators, freie Wahlen und ein Ende der Korruption. Doch in Libyen
       sind Parteien verboten, die einzige parteiähnliche Organisation sind die
       regimetreuen Revolutionskomitees.
       
       In Ägypten gab es auch unter Mubarak drei Oppositionsparteien, die
       offiziell anerkannt waren; dazu die offiziell verbotenen, aber de facto
       tolerierten Muslimbrüder, gleich mehrere lockere Oppositionsgruppen sowie
       zivilgesellschaftliche Organisationen von Umwelt- bis hin zu Frauengruppen.
       
       In Libyen hingegen fehlt diese zivilgesellschaftliche Basis. Da Gaddafis
       Land bislang zu den repressivsten Staaten der Welt zählte, sitzt die
       organisierte und stark zersplitterte Opposition fast geschlossen im
       Ausland. Selbst Libyens Muslimbrüder traten bislang nicht öffentlich in
       Erscheinung.
       
       Bislang war das Land von Angst beherrscht. Gaddafis System basiert auch auf
       einem weit verzweigten Spitzelsystem, wobei keiner letztlich weiß, wem er
       trauen kann, und sich die einzelnen Dienste auch untereinander misstrauisch
       beäugen. Welche gesellschaftlichen Pflänzchen in einem freien Libyen
       sprießen werden, ist daher schwer abzusehen.
       
       Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Kräfte, die unter Gaddafi an
       den Rand gedrängt wurden, danach streben werden, wieder mehr Einfluss zu
       bekommen. Die Stämme im Osten dürften auf eine stärkere Regionalisierung
       drängen, während die Armee - die, anders als in Ägypten, keine tragende
       Säule des Regimes war - ebenso nach ihrer alten Rolle trachten dürfte wie
       das religiöse Establishment nach seiner Funktion als Instanz für
       Glaubensfragen, die ihm seiner Meinung nach zusteht. Das wäre eine späte
       Quittung für Gaddafi.
       
       23 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Beate Seel
       
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