# taz.de -- Proteste vor arabischen Botschaften in Berlin: Die Allee der Revolution
       
       > Ausgerechnet im beschaulichen Dahlem residieren die Botschafter vieler
       > Diktaturen, darunter Iran und Libyen. Auf der sonst ruhigen
       > Podbielskiallee wird nun dauernd demonstriert.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten für der libyischen Botschaft am Dienstag in der Podbielskiallee
       
       Gartenzäune - an der Podbielskiallee im Stadtteil Dahlem gibt es sie noch.
       Hinter diesen Zäunen liegen Villen, manche halb versteckt in großzügigen
       Vorgärten. An diesem Dienstagmittag ist es ruhig auf der Straße - so wie
       meistens in dieser Gegend. Vögel zwitschern, ein Mann joggt auf dem
       Grünstreifen in der Mitte, seine Schuhe knirschen. Ansonsten Stille.
       
       Vielleicht ist es diese idyllische Atmosphäre, die die Straße so attraktiv
       macht für Diktatoren. Denn hinter den Zäunen an der Allee liegen auch viele
       Botschaftsgebäude von Ländern, die - zumindest was die Einhaltung von
       Menschenrechten angeht - nicht unbedingt angesehen sind. Der Iran etwa, in
       Haus Nummer 65. Oder Libyen, in Haus Nummer 42. Um die Ecke residieren auch
       noch Jemen, Myanmar, früher als Birma bekannt, der Oman.
       
       Residieren ist das richtige Wort. Die libysche Botschaft etwa ist weiß,
       blendend weiß. Vier Säulen scheinen die Fassade zu tragen. Zwei grüne
       Flaggen vor dem Gebäude hängen schlaff herunter. In diesen Tagen sorgen
       diese Botschaften für Unruhe im Viertel. "Eins, zwei, drei - Libyen ist
       frei", brüllt ein Mann in sein Megafon, an die 80 Menschen brüllen mit. Sie
       fuchteln mit der alten Flagge des libyschen Königreichs. Sie ist
       rot-schwarz-grün gestreift.
       
       Die Protestierenden sind gekommen, um die Revolte in dem nordafrikanischen
       Land zu unterstützen - und um ihre Verachtung für "Revolutionsführer"
       Gaddafi auszudrücken. Die Polizei ist auch da, mit knapp 20 Beamten, sie
       bilden eine Kette auf dem grünen Mittelstreifen, zwischen Demonstranten und
       Botschaft.
       
       Eine Frau aus Neukölln ist aufgebracht. "Der Botschafter kommt nicht raus,
       er soll rauskommen und mit uns reden. Wovor hat er in dieser Position
       Angst?" Sie lehnt am Absperrgitter, eine tunesische Flagge um die Schultern
       geschlungen. Das Land ist seinen Diktator bereits losgeworden. Man müsse
       sich solidarisieren, sie habe die Bilder im Fernsehen nicht mehr ertragen
       können, deshalb sei sie hergekommen.
       
       Trotz der Demonstration auf offener Straße protestieren die Exillibyer
       praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Denn es ist niemand auf der
       Straße, kein Passant kommt vorbei, niemand beobachtet das Treiben von
       seinem Fenster. Nur ein paar Medienvertreter sind vor Ort.
       
       Dabei ist dies ein besonders aufregender Tag für das beschauliche Dahlem.
       Denn nur 600 Meter die Allee runter wird zur gleichen Zeit ebenfalls
       demonstriert. Vor der iranischen Botschaft stehen etwa 50 Exiliraner, die
       das Ende des Mullah-Regimes fordern. Sie protestieren gegen
       Menschenrechtsverletzungen im irakischen Flüchtlingslager Camp Ashraf, in
       dem etwa 3.400 iranische Oppositionelle leben.
       
       Die Exiliraner treffen sich hier inzwischen etwa einmal pro Woche, um
       Transparente von Folteropfern hochzuhalten und Slogans zu schmettern.
       Peiman D., ein Mann Mitte 50, ist fast immer dabei. "Wenn Westerwelle mit
       Ahmadinedschad Hände schüttelt, ist das kontraproduktiv", sagt er. Der
       deutsche Außenminister Gudio Westerwelle (FDP) war am vergangenen Samstag
       in Teheran, um die Freilassung zweier deutscher Journalisten zu erwirken.
       Erfolgreich.
       
       Von der nahen Demonstration vor der libyschen Botschaft weiß Peiman D.
       nichts. Aber er freut sich: "Die Zeit der Diktatoren ist vorbei", ist er
       sicher. Und fügt hinzu: "Diese Terrorbotschaft hier vertritt uns nicht."
       
       In den vergangenen Monaten ging es schon öfter heiß her auf der
       Podbielskiallee - die übrigens nach einem preußischen General benannt ist.
       Erst Mitte Dezember eskalierte eine kleine Demo von Iranern, als die
       Polizei in blindem Einsatzeifer ein Transparent beschlagnahmte. Eine
       57-jährige Frau wurde verletzt. An diesem Dienstag ist die Stimmung
       friedlich, die Polizei entspannt.
       
       Vor der libyschen Botschaft verfolgen zwei ältere Damen den Protest. Sie
       wohnen um die Ecke, sagen sie. Die Demo finden sie gut, betont eine der
       beiden. Dann ziehen sie weiter.
       
       Inzwischen ist es voller geworden gegenüber der Botschaft. Einige
       Studierende der nahen Freie Universität sind dazugekommen. Die Studentin
       Lena Y. freut sich, sie hat privat zu der Demo aufgerufen und leere Plakate
       und Farbe mitgebracht. "Wenn ihr wollt, könnt ihr hier was draufschreiben",
       ruft sie den anderen Demonstranten zu. Sie selbst schreibt: "Mit
       Scharfschützen auf Demonstranten, sag mal, gehts noch?"
       
       Der Mann mit dem Megafon ist inzwischen heiser: "Europa muss sich
       überlegen, was es für eine Position einnimmt", schreit er. Die
       Demonstranten klatschen zustimmend. Ein Libyer sagt: "Warum schweigt der
       Botschafter? Er soll zurücktreten." Hinter den Fenstern der Botschaft regt
       sich nichts. Nur eine weiße Fassade starrt die Menge an.
       
       Schwerpunkt SEITE 3
       
       23 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirjam Schmitt
       
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