# taz.de -- Parteitag der Berliner Grünen: Grüne haben Problem mit der Integration
       
       > Renate Künast setzt sich nur knapp damit durch, im Wahlprogramm der
       > Grünen Probleme mit Migranten benennen zu dürfen. Parteilinke warnt vor
       > Vorurteilen à la Sarrazin.
       
 (IMG) Bild: Sorgt für Widerspruch, bleibt bei ihrer Linie: Renate Künast.
       
       Es ist viel von "Wir" die Rede, von Gemeinsamkeit, von Verantwortung für
       die ganze Stadt in diesem Hotelsaal in Mitte, an dessen Stirnseite "Grün
       verbindet" steht. Das liegt auch nahe bei einem Parteitag, bei dem die
       Berliner Grünen ein Wahlprogramm namens "Eine Stadt für alle" beschließen
       wollen. Und tatsächlich erhält fast nebenbei auch der neue Landesvorstand
       große Mehrheiten (siehe Kasten). Am frühen Samstagnachmittag aber ist es
       zwischenzeitlich vorbei mit der Einigkeit.
       
       Das Thema Integration lässt fast das große Projekt der Offenheit platzen,
       mit dem die Spitzenkandidatin Renate Künast die Abgeordnetenhauswahl am 18.
       September gewinnen will. Eher knapp setzt sich nach heftiger Diskussion ihr
       Anspruch durch, Probleme bei Migranten auch benennen zu dürfen. 82 zu 61
       Stimmen - elf Delegierte in die andere Richtung, und Künast wäre düpiert
       gewesen.
       
       Schon in ihrer Eingangsrede hat Künast - "wir umarmen die ganze Stadt" -
       ihre Linie verteidigt. Nach viel Dank an die Leistung vieler Migranten
       kündigt sie an, dass nun ein "Aber" folge. "Es gibt auch kleine Gruppen,
       mit denen gibt es Probleme", sagt sie. "Das müssen wir in unserem Programm
       ansprechen , wenn wir für die ganze Stadt da sein wollen". Gute Integration
       heiße auch, "dass wir sagen, wo es Probleme gibt." Und die nennt der
       Entwurf des Wahlprogramms konkret: so genannte Ehrenmorde, Drogenhandel
       oder islamischer Fundamentalismus.
       
       Gerade in den Reihen der Kreuzberger Delegierten des Parteitags sorgt das
       wiederholt für ablehnendes Kopfschütteln, vor allem bei Monika Herrmann,
       der Bildungsstadträtin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Herrmann warnt
       am Rednerpult davor, "nicht Vorurteile zu bedienen, wie Sarrazin oder
       Buschkowsky (Neuköllns SPD-Bürgermeister, d.Red.) es tun." Von einer
       angeblichen "Willkommenskultur" will sie im Integrationskapitel des
       Wahlprogramms nichts gefunden haben. Probleme konkret im Programm zu
       benennen, lehnt sie ab. Per Änderungsantrag will die Parteilinke den
       Abschnitt wesentlich weniger expilizit formulieren. "Im Wahlprogramm ist
       eine Textpassage, die diesen provokativen und verletzenden Ton anschlägt,
       fehl am Platze", sagt eine Vertreterin der Parteiarbeitsgemeinschaft
       Migration. Ein anderer Kritiker bezweifelt, dass das Wahlprogramm ganz den
       Grundwerten der Grünen entspricht. Er sieht vielmehr die Gefahr, "dass wir
       nicht nur den Kampf um das Rote Rathaus verlieren, sondern auch uns
       selbst."
       
       Hin und her geht die Debatte, bis klar ist, dass Künast selbst nochmal ans
       Rednerpult gehen muss. Die will sich nicht vorwerfen lassen, Menschen
       auszugrenzen, nicht sie, die sich gegen Abschiebungen stellte. Für sie habe
       seit ihren Anfängen in der Alternativen Liste in der 80er Jahren gegolten:
       "Alle Menschen haben Rechte, aber auch Pflichten." Künast sagt, sie wolle
       es ernst nehmen, wenn ihr Menschen in Lichtenrade sagen: "Tun Sie was
       dafür, dass unsere Mädchen in der Schule in Frieden lernen können." Und das
       würden ihr Menschen sagen, die Mohamed oder Aishe mit Vornamen heißen.
       Probleme bei Migranten zu verschweigen hilft für sie nicht weiter.
       
       "Es gibt die sogenannten Ehrenmorde, es gibt Gewalt auf den Schulhöfen, es
       gibt es, dass Frauen nicht die gleichen Chancen haben wie Jungen", sagt die
       Spitzenkandidatin. Gerade den letzten Punkt könne sie schon in ihrer
       Eigenschaft als Frau nicht hinnehmen. Genau diese Offenheit verlangt auch
       der langjährige Berliner Fraktionschef und heutige Bundestagsabgeordnete
       Wolfgang Wieland. Politische Korrektheit dürfe nicht dazu führen, Dinge
       auszublenden, fordert Wieland. "Nur mal so zur Erinnerung", sagte er, "wir
       haben demonstriert gegen Ehrenmorde."
       
       Dauerhafte Gräben aber scheint die Diskussion, so heftig sie auch ist,
       nicht zu hinterlassen. Tags darauf applaudieren auch Kreuzberger Delegierte
       nach der Vorstellung der neuen Landesvorsitzenden Bettina Jarasch, die aus
       dem realpolitischen Künast-Lager kommt. Und Künast selbst lobt beim Kapitel
       Bildung die von Herrmann als Stadträtin verantwortete Schulpolitik des
       grün-regierten Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Anders als etwa der
       bereits itierte Bürgermeister Buschkowsky in Neukölln schicke Kreuzberg bei
       Schulschwänzern "erstmal den Sozialarbeiter und nicht den Drohbrief."
       
       6 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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