# taz.de -- Interview mit Grünen-Chefin Franke-Dressler: "Ich bin nicht die Ikone von Schwarz-Grün"
> Die Berliner Grünen-Chefin Irma Franke-Dressler hört auf. Ihre Bilanz aus
> 20 Jahren Parteiarbeit: Die Grünen seien heute viel wahrnehmbarer und
> eine "professionell aufgestellte Partei".
(IMG) Bild: Geht nicht missmutig in den Ruhestand: Irma Franke-Dressler.
taz: Frau Franke-Dressler, wer hat eigentlich wen mehr verändert: die
Grünen Sie oder Sie die Berliner Grünen?
Irma Franke-Dressler: Mich haben die Berliner Grünen nicht verändert. Ich
habe hier zwar noch sehr viel gelernt zu einer Zeit, als ich eigentlich
dachte, vor allem viele eigene Erfahrungen einbringen zu können - ich bin
ja erst 1990 mit 45 Jahren zu den Grünen gekommen. Aber verändert hat mich
die Partei nicht.
Und andersherum?
Als Landesvorsitzende ist man ja nicht so im Fokus wie der
Fraktionsvorstand. Aber ich glaube doch, dass ich ein Quäntchen dazu
beigetragen habe, dass die Partei sehr viel wahrnehmbarer geworden ist.
Das ist ein bisschen tief gestapelt - ohne Sie wäre die Diskussion um
Schwarz-Grün heute in Berlin eine andere. Ohne Sie gäbe es nicht die
schwarz-grüne Koalition in Steglitz-Zehlendorf als Referenzmodell.
Ich habe das nie als Referenzmodell empfunden. Das ist damals, 2006, aus
der Situation heraus entstanden, weil es die sinnvollste Lösung war für den
Bezirk.
Die CDU hätte ja auch mit der FDP eine Mehrheit gehabt.
Natürlich wird das seither meiner Person verbunden. Das ist aber etwas, was
ich nie gewollt habe. Ich bin nicht die Ikone für Schwarz-Grün. Aber
allein, dass ich als Zehlendorferin aus einem traditionell schwarzen Bezirk
komme, hat zu einem Etikett geführt, das ich einfach mal so angepappt
bekommen habe.
Gibt es Leute, die Ihnen heute noch vorhalten: Du bist schuld, dass wir
über Koalitionen mit den Schwarzen diskutieren?
Nein, dazu hatte es schon zu viele solcher Gespräche über eine solche
Zusammenarbeit gegeben. Und auch in anderen Bezirken ist es zu
Verabredungen mit der CDU gekommen, um bestimmte Personen zu wählen.
In Mitte etwa den früheren CDU-Bürgermeister Joachim Zeller.
Nicht nur da: Selbst in Friedrichshain-Kreuzberg gab es Absprachen mit der
CDU, weil man auch da pragmatische Lösungen brauchte.
Das waren aber keine vertraglichen Koalitionsvereinbarungen. Es gibt
wirklich keinen, der Ihnen das übel genommen hat?
Es gibt genug Leute, die nur in Schubladen denken, und ich habe keine
Energie darauf verschwendet, solche Leute zu verändern. Damit kann ich aber
locker leben. Es ist mir wichtig, mit Argumenten zu überzeugen.
21 Jahre sind Sie jetzt bei den Berliner Grünen. Wie sehen Sie in der
Rückschau die Entwicklung der Partei?
Die Entwicklung ist ganz beeindruckend. Als ich kürzlich nach dem Tod von
Michael Wendt, unserem Gründungsmitglied mit Mitgliedsnummer 1, in alten
Unterlagen kramte, habe ich ein Zitat von ihm wiedergefunden: ,Ich hätte
nicht gedacht, dass es den Laden in 20 Jahren noch gibt.' Das zeigt ja
schon, in welche Richtung das Ganze gegangen ist: ein Stück weit weg von
spontanen Gruppen zu einer professionell aufgestellten Partei. Gerade
dieses Professionelle war und ist mir sehr wichtig, damit man dem Anspruch,
grüne Politik machen zu wollen, auch vom logistischen Unterbau her
entspricht.
Hätten die Grünen schon 1990 eine Landesvorsitzende aus Zehlendorf
ausgehalten, damals noch mehr als heute Sinnbild der Bürgerlichkeit?
Dem gängigen Klischee hätte meine Person damals nicht entsprochen. Aber
auch schon damals gab es Grüne in WGs in wunderschönen Altbauvillen in
Lichterfelde und Zehlendorf. Also ist es nicht so, dass man damals bei der
Alternativen Liste nur als angehender Soziologe oder Lehrer im Hinterhof
wohnend etwas werden konnte.
Die Landesvorsitzenden der Grünen sind der breiten Öffentlichkeit kaum
bekannt. Das Medieninteresse konzentriert sich auf die Fraktionsspitze im
Abgeordnetenhaus. Wie frustrierend ist das?
Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Außerdem war ich ja auch selbst
mal Fraktionsvorsitzende, wenn auch nicht auf Landes-, sondern auf
Bezirksebene. Ich wusste: Politik läuft über die Fraktion. Trotzdem war das
für mich als Landesvorsitzende nicht ganz einfach und hat durchaus manchmal
so ein Bauchgrummeln verursacht. Wenn wir uns etwa im Landesvorstand zu
einem Thema ein Meinungsbild machen, daraus die Grundlage einer
Landesdelegiertenkonferenz entwickeln, sehr lange innerhalb der Partei
diskutieren, einen Beschluss fassen und am Ende sitzen die
Fraktionsvorsitzenden im Fernsehen und reden darüber - da beißt man schon
manchmal die Zähne zusammen.
Die einzige Partei, die in Berlin außer den Grünen Fraktions- und
Parteivorsitz nicht in einer Person zusammengelegt hat, ist die
Linkspartei. Aber da darf der Landeschef immerhin im Parlament sitzen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich die Trennung von Amt und Mandat
nicht befürworte. Das sorgt einfach für zu viele Reibungsverluste.
Sie hören ausgerechnet in einem Jahr auf, in dem die Grünen - die paar
Monate Übergangssenat 2001 mal ausgenommen - zum ersten Mal seit 1990
wieder in die Regierung kommen können. Wieso? Da mitzumischen wäre doch
mehr als interessant.
Definitiv. Es juckt ja durchaus. Aber es ist doch auch ein gutes Gefühl,
diese Situation jetzt vier Jahre vorbereitet zu haben. Wir sind noch nie so
schnell gewachsen wie jetzt …
… 1.000 neue, jetzt fast 5.000 Mitglieder. Aber bei den Umfragen geht es
wieder deutlich nach unten.
Das ist immer nur die mediale Wahrnehmung. Tatsächlich stehen wir auch mit
jetzt 23 Prozent super da - 2006 bei der Abgeordnetenhauswahl haben wir nur
13,1 Prozent bekommen. Aber wenn man einmal zwischenzeitlich 30 Prozent
hatte wie im Herbst, wird alles darunter von den Medien als Negativtrend
wahrgenommen. Stattdessen muss man mal feststellen: Wir haben einen
Riesengewinn zu verzeichnen. Wenn Umfragen mal wieder sinken, sollten wir
das als Ansporn sehen.
Nichtsdestotrotz geht der Trend in den Umfragen seit November konstant nach
unten.
Wir wollen wachsen, breiter und größer werden, und wir wollen natürlich
weiterhin mit Renate Künast stärkste politische Kraft in dieser Stadt
werden.
Und wenn die Grünen am 18. September nur zweitstärkste Partei werden und
sich entscheiden könnten: lieber kleiner Partner der SPD oder Chef mit
Grün-Schwarz?
Bis zum 18. September machen wir einen Wahlkampf für eigenständige grüne
Politik. Danach gilt das Gleiche, was für uns grundsätzlich gilt: Wenn es
um Gespräche mit den anderen demokratischen Parteien geht, muss man
ausloten, wie und mit wem so viel grüne Politik wie möglich durchzusetzen
ist. Auf dieser Grundlage haben wir ja auch seinerzeit in
Steglitz-Zehlendorf verhandelt. Das Ergebnis in dieser Konstellation war
jedoch nicht von Anfang an das Ziel.
3 Mar 2011
## AUTOREN
(DIR) Stefan Alberti
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