# taz.de -- Arabische Staaten und Libyen: Zu sehr mit sich selbst beschäftigt
> Die arabischen Regierungen sind sich in Sachen Libyen nicht einig. Die
> einen sind dabei, Proteste abzuwehren, die anderen müssen sich erstmal
> neu sortieren.
(IMG) Bild: Och nö, lieber nicht einmischen: Der saudische Kronprinz Sultan ibn Abd al-Aziz Al Saud (r.) mit Bahrains König Hamad bin Isa.
KAIRO taz | Sei es die EU, die Nato, die USA oder der UN-Sicherheitsrat,
alles blickt auf die Arabische Welt, um zu erkennen, wie diese zum Regime
Gaddafi steht und ob dort eine militärische Intervention, wie die
Einführung einer Flugverbotszone in Libyen Rückdeckung oder gar logistische
Unterstützung finden würde.
Als erstes arabisches Gremium trafen sich am Donnerstag die sechs Staaten
des Golf Kooperationsrates. Die Länder auf der Arabischen Halbinsel
sprachen dem Regime Gaddafi jegliche Legitimität ab und riefen die
Arabische Liga auf, das Blutvergießen in Libyen zu stoppen und Kontakte zu
den Aufständischen, zum libyschen Nationalrat aufzunehmen. Jassem Ben Jaber
der Außenminister von Katar, sagte, dass das Regime in Libyen keinerlei
Legitimität mehr besitzt. "Wir unterstützen auch eine Flugverbotszone",
sagte er und forderte den UN-Sicherheitsrat auf, Verantwortung zu
übernehmen.
Aber zuerst muss die Arabische Liga Verantwortung übernehmen oder besser
gesagt, sich zunächst einmal auf eine Position einigen, wenn sich deren
Außenminister am Samstag in Kairo treffen. Und genau das dürfte schwierig
werden. Denn anders als die Golfstaaten, die nie eine große Liebesbeziehung
zu Gaddafi unterhalten haben, sind die arabischen Staaten in Sachen Libyen
gespalten.
## Syrien und ALgerien lehnen jegliche Einmischung ab
Die Regime in Algerien und Syrien lehnen jegliche Militärintervention und
Einmischung in interne libysche Angelegenheiten ab. "Syrien bestätigt seine
Ablehnung gegenüber allen Arten von ausländsicher Einmischung in die
libyschen Angelegenheiten", heißt es in einer Erklärung des
Außenministeriums in Damaskus. In Syrien herrscht seit Beginn der
Revolutionen in den arabischen Ländern ansonsten generell das große
Schweigen. Sowohl das Regime in Algerien als auch in Syrien treibt wohl die
Angst an, die Nächsten auf der Liste zu sein.
Ägypten stellt wieder herum seine eigenen Abwägungen an. Dort macht man
sich vor allem Sorgen darüber, dass die Einführung einer Flugverbotszone,
und einer möglichen ägyptischen Unterstützung dafür, die Situation der über
eine Million in Libyen lebenden Gastarbeiter und deren Evakuierung
komplizieren könnte. Bei der Bevölkerung gibt es indes keinen Zweifel, wo
die Sympathien stehen. Auf der Straße von Bengasi zur ägyptischen Grenze
trifft man einen ägyptischen Hilskonvoi nach dem anderen, in den
Krankenhäusern Bengasis arbeiten zahlreiche ägyptische Ärzte und selbst
unter den äufständischen Kämpfern finden sich ägyptische Jugendliche.
## Widersprüche selbst im Golfkooperationsrat
So dürfte der relativ eindeutigen Erklärung der Golfstaaten keine ähnliche
klare Positionierung der Arabischen Liga folgen. Selbst innerhalb des
Golfkooperationsrates sind die Widersprüche zu groß. Dessen größtes
Mitglied Saudi Arabien ließ am Donnerstag im Osten des Landes selbst auf
Demonstranten das Feuer eröffnen, so wie zuvor der König von Bahrain einen
brutalen Einsatz seiner Polizei gegen Demonstranten anordnen ließ. Abdallah
[1][Saleh im Nachbarland Jemen] steht derzeit wahrscheinlich nach Gaddafi
am meisten unter Druck seiner eigenen Demokratiebewegung.
Und die unmittelbaren Nachbarn Libyens, Tunesien und Ägypten, sind derzeit
zu sehr mit sich selbst und den Nachwehen oder der Fortdauer ihrer
Revolutionen beschäftigt. In Tunesien wurde gerade in einem einzigartigen
Schritt für die Arabische Welt die [2][Geheimpolizei abgeschafft].
## "Konterrevolution" in Ägypten
Ägypten erlebt derzeit eine Art Konterrevolution, wie es der dortige neue
Premier Essam Scharaf fasst, der von systematischen Versuchen spricht, die
Strukturen des neuen ägyptischen Staates zu zerstören. In Zeiten des
Aufstandes gegen Mubarak hatte im Land ein relativer Religionsfrieden
geherrscht und das, obwohl die Polizei vor den Kirchen abgezogen war. In
dieser Woche sind bei [3][Auseinandersetzungen zwischen Kopten und
Muslimen] in Kairo mindestens 13 Menschen gestorben und 160 verletzt
worden.
Für viele Ägypter war es kein Zufall, dass die interkonfessionellen
Auseinandersetzungen gerade dann wieder begannen, als die verhasste
Institution der Staatssicherheit unter Beschuss geriet. Demonstranten
hatten mehrere Zentralen der [4][ägyptischen Stasi gestürmt], um zu
verhindern, dass die dortigen Akten aus der Mubarak-Zeit vernichtet werden.
Sie vermuten die Hand der Staatssicherheit hinter den neuen
muslimisch-koptischen Zusammenstößen.
So ist es unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Arabischen Staaten und
deren Führungen die Libyenkrise lösen sollen. Die sind zu sehr mit den
eigenen Revolutionen beschäftigt: entweder sie zu verhindern, um nicht zum
nächsten Gaddafi zu werden oder sie auszuleben und die neuen Zeiten zu
organisieren.
11 Mar 2011
## LINKS
(DIR) [1] /1/politik/nahost/artikel/1/praesident-versucht-zu-beschwichtigen/
(DIR) [2] /1/politik/afrika/artikel/1/geheimpolizei-gefeuert-1/
(DIR) [3] /1/politik/nahost/artikel/1/elf-menschen-getoetet/
(DIR) [4] /1/politik/nahost/artikel/1/geheimdienstbueros-gestuermt/
## AUTOREN
(DIR) Karim Gawhary
(DIR) Karim El-Gawhary
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