# taz.de -- Kommentar Atomkraft in Deutschland: Unkalkulierbare Gefahr vor der Haustür
       
       > Angeblich waren nur die Schrottmeiler im ehemaligen Ostblock gefährlich.
       > Doch Japan beweist das Gegenteil. Die Argumente der Atomlobby sind auf
       > einmal ziemlich lahm.
       
 (IMG) Bild: Sind sich plötzlich sehr einig: Kanzlerin Merkel, umgeben von den Ministerpräsidenten.
       
       Jenseits aller ideologischen Graben- und Straßenkämpfe lautete das
       Hauptargument gegen die "friedliche" Nutzung der Atomkraft hierzulande
       bislang, dass die Entsorgungsfrage ungelöst sei: Wer nicht weiß, wohin mit
       dem Strahlenmüll, darf ihn nicht produzieren.
       
       Doch die Katastrophe in Japan lehrt, dass auch der Normalbetrieb von AKWs,
       die in stabilen Staaten von qualifiziertem Personal gut gewartet werden, im
       Desaster enden kann. Um diese Einsicht haben sich Wirtschaft und Politik
       lange gedrückt.
       
       Angeblich ging die Gefahr bloß von Schrottmeilern im ehemaligen Ostblock
       aus - wobei stets gern verdrängt wurde, dass auch Schweden, Frankreich oder
       die USA immer mal wieder knapp am Super-GAU vorbeischrammten. Das Fanal von
       Fukushima hat nun deutlich gemacht: Es gibt Situationen, in denen auch
       dreifache Sicherungssysteme versagen. Dann schlägt das Restrisiko voll
       durch.
       
       Dabei geht es nicht um die lahme Verteidigung der Atomlobby, in Deutschland
       seien schwere Erdbeben und Tsunamis nicht an der Tagesordnung. Wenn durch
       die Verkettung schwerer Unfälle und dummer Zufälle in einem deutschen AKW
       für längere Zeit der Strom ausfällt, wenn die Zugangswege blockiert sind
       oder die Leitstelle etwa durch einen Flugzeugabsturz zerstört wird, dann
       laufen auch deutsche Reaktoren heiß. Da hilft auch das schönste TÜV-Siegel
       nichts.
       
       Norbert Röttgen, Minister für Reaktorsicherheit, ist immerhin bereit, über
       das Restrisiko der deutschen Atomanlagen zu diskutieren. Wenn er das ernst
       meint, kann er sich mit den Bildern aus Japan vor Augen nicht mehr für
       längere AKW-Laufzeiten aussprechen. Er muss sich entscheiden: Ein
       Anti-Atom-Kurs ist ein politisches Risiko für Röttgen. Ein Pro-Atom-Kurs
       ist ein atomares Risiko für Deutschland.
       
       13 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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