# taz.de -- Urteil des NRW-Verfassungsgerichts: Richter rüffeln Rot-Grün
> Die Landesverfassungsrichter kippen den Nachtragshaushalt der
> nordrhein-westfälischen Regierung. Über rasche Neuwahlen will aber keiner
> mehr reden.
(IMG) Bild: Zuversichtlich nach dem Urteil: Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann (re).
Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen hat sich eine
Klatsche eingefangen. Das Landesverfassungsgericht erklärte am Dienstag
ihren Nachtragshaushalt 2010 für verfassungswidrig. Damit gaben die
Münsteraner Richter einer Klage der Landtagsfraktionen von CDU und FDP
statt.
Der Nachtragsetat verstoße wegen der Überschreitung der Kreditgrenze gegen
die Landesverfassung, sagte Gerichtspräsident Michael Bertrams zur
Begründung. Die Landesregierung habe keine plausible Erklärung vorgelegt,
warum die mit den Stimmen von SPD, Grünen sowie einiger Abgeordneter der
Linkspartei im Dezember zusätzlich beschlossenen Kredite von 1,8 Milliarden
Euro "zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts"
nötig seien.
Das Urteil ist zwar ein klarer Rüffel für die rot-grüne Landtagsmehrheit,
es ist aber keine Vorentscheidung, ob auch die geplante Neuverschuldung für
2011 verfassungswidrig ist.
Nach der Landesverfassung dürfen nicht mehr Schulden gemacht werden, als
das Land für Investitionen ausgibt. Die Richter mussten nun klären, ob im
Herbst 2010 durch eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
eine Ausnahmesituation vorlag. Sie äußerten wegen der damals guten
Wachstums- und Arbeitsmarktzahlen zwar massive Zweifel, ließen die Frage
letztlich aber offen. Als Kriterium für die Annahme einer Störung stellen
die Richter auf die "erkennbare Entwicklungstendenz" ab.
Und diese Tendenz dürfte im Mai 2011, wenn der nächste Haushalt aufgestellt
wird, eher nach unten zeigen. Dafür dürften schon die Erdbebenkatastrophe
in Japan, die Umwälzungen in Nordafrika und die Turbulenzen des Euro
sorgen. Auch der letztliche Grund für die Verfassungswidrigkeit des
Nachtragshaushalts dürfte Rot-Grün zu einem Schmunzeln verleiten. Die
Richter kritisierten nämlich, dass Rückstellungen für Kommunen und die
WestLB keine Konjunktureffekte haben, da das Geld nur gebunkert und nicht
ausgegeben wird. Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme hätten die Richter
also eher akzeptiert.
Von einem "Scherbenhaufen", den Rot-Grün angerichtet habe, sprach dennoch
der CDU-Landesvorsitzende Norbert Röttgen. Anders als noch auf dem
CDU-Landesparteitag am Samstag zeigte sich der Bundesumweltminister, der
wegen der schwarz-gelben Atompolitik derzeit unter Druck steht, im Hinblick
auf mögliche Neuwahlen sehr zurückhaltend. Auch FDP-Landeschef Daniel Bahr
verzichtete auf die Forderung nach einem vorgezogenen Urnengang.
Die Landesregierung wolle das Verfassungsgerichtsurteil jetzt erst mal
gründlich prüfen, kündigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft an. "Für den
Haushalt 2011 ergibt sich erst mal keine direkte Folge." Der Frage, ob sie
Neuwahlen anstrebe, falls CDU und FDP auch gegen den neuen Etat Klage
einreichen, wich die SPD-Politikerin aus. Sie gehe davon aus, "dass wir
einen verfassungskonformen Haushalt vorgelegt haben", so Kraft.
Gleichwohl kündigte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) an, an
allem zu klopfen, "wo Sparpotenzial da ist". Der rot-grüne Etatentwurf für
2011 sieht bisher eine Neuverschuldung von 7,1 Milliarden Euro vor. "Das
Gericht hat betont, dass es hohe Hürden für die Darlegung der Störung des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anlegt", sagte
Grünen-Landtagsfraktionschef Reiner Priggen. "Das werden wir sehr ernst
nehmen."
Scharf attackierte NRW-Linksfraktionschef Wolfgang Zimmermann den
Münsteraner Richterspruch. Das Urteil schränke die politischen
Gestaltungsspielräume unzumutbar ein. Fest steht jedenfalls, dass das
Regieren für Rot-Grün nicht einfacher geworden ist. Konsequenzen für den
Haushalt 2011 dürften zwingend sein. Ob die Linkspartei bereit sein wird,
auch Einsparungen zumindest zu tolerieren, ist völlig unklar. Ihre "roten
Linien" blieben bestehen, betonte Zimmermann. Gemeint sind Sozialabbau und
Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst.
15 Mar 2011
## AUTOREN
(DIR) Pascal Beucker
(DIR) Christian Rath
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