# taz.de -- Japans Wirtschaft passt sich an: Die Regale füllen sich wieder
       
       > Mütter mit Kleinkindern verlassen Tokio. Ansonsten richtet man sich mit
       > der Situation ein, vor allem wirtschaftlich. Wann aber die Chiphersteller
       > wieder produzieren, ist offen.
       
 (IMG) Bild: In Osaka liest eine Frau die Sonderausgabe einer Zeitung, die sich mit dem Unfall in Fukushima befasst.
       
       Der Kontrast zwischen Osaka und Tokio ist groß. Der Tokioter
       Verwaltungsbezirk Shinjuku oder die Einkaufsmeile Ginza in der Hauptstadt
       sind ungewöhnlich menschenleer, während in Osaka das Geschäftsleben
       scheinbar ungerührt weitergeht. Dennoch bleibt niemand von den Ereignissen
       in Ostjapan unberührt.
       
       Das Beben von Kobe 1995 ganz in der Nachbarschaft ist für viele noch
       präsent. "Die Menschen aus der Kanto-Region sind uns herzlich willkommen",
       sagt ein Beamter der japanischen Eisenbahn am Bahnhof Shin-Osaka, wo die
       Shinkansen-Schnellzüge aus Tokio im Viertelstundentakt halten.
       
       Die Züge sind nicht überfüllt, Fahrkarten sind in der Hauptstadt ohne lange
       Wartezeit zu bekommen. Aber unter den Reisenden sind statt der sonst
       zahlreichen Angestellten in dunklen Anzügen auffällig viele Mütter mit
       Babys und Kleinkindern. Auch in den Fernbussen Richtung Westen sitzen viele
       junge Familien. Grundschüler sieht man jedoch kaum. Die Schulen im
       Ballungsraum Tokio sind geöffnet, nur ein Sechstel hat den Unterricht
       verkürzt.
       
       Die Versorgung in den Lebensmittelläden in Tokio verbessert sich langsam.
       Nachmittags sind die Regale zwar leer, besonders Milch ist so knapp, dass
       nichts für die Schulmittagessen übrig bleibt. Doch die Nahrungsmittelfirmen
       fahren jetzt die Produktion hoch, während die Einzelhandelsketten ihr
       Personal aufstocken und Nachschub organisieren. Vor allem Fertignudeln,
       Essen zum Aufwärmen, Batterien und Toilettenpapier sind schwer zu bekommen.
       "Wir leiten jetzt Waren aus dem Osten Japans nach Tokio um", heißt es beim
       Einzelhandelsriesen Seven & I.
       
       Auch Behörden und Firmen stellen sich langsam auf die komplizierteren
       Umstände ein. Da weniger Züge für Pendler fahren, um Strom zu sparen,
       dürfen einige Mitarbeiter zuhause arbeiten. Andere Arbeitgeber lassen ihr
       Personal in Schichten arbeiten. Die Einteilung richtet sich nach
       Anfahrtszeit und Wohnort. Die Beamten in der Stadtverwaltung verteilen ihre
       Arbeit jetzt auf die Zeit von 8.30 Uhr bis 23.30 Uhr. Nicht jeder findet
       diese Lösung optimal: "Durch die längere Büronutzung verbrauchen wir mehr
       Strom", fällt einem Angestellten auf.
       
       ## Autoproduzenten fahren Bänder wieder an
       
       Die Regierung spricht von "erheblichen" Auswirkungen des Erdbebens auf die
       Wirtschaft. Doch am Mittwoch erholte sich die Börse von ihrem Kurssturz zu
       Wochenanfang. Zum Handelsschluss notierte der Leitindex Nikkei 5,7 Prozent
       höher über der Marke von 9.000 Yen. Die Zentralbank hatte seit Montag die
       Rekordsumme von 28 Billionen Yen (245 Milliarden Euro) in den Geldkreislauf
       gepumpt.
       
       Auch an der Energiefront zeichnet sich zumindest mittelfristig Licht am
       Horizont ab. Shell wird Japan große Mengen Flüssiggas liefern, um die durch
       den Ausfall von Atomkraftwerken entstandene Versorgungslücke bei der
       Stromproduktion zu schließen. "Wir helfen Japan, indem wir das Flüssiggas
       dorthin umleiten", erklärte Shell-Chef Peter Voser. Shell ist der
       weltgrößte Betreiber von Flüssiggasschiffen.
       
       Die Autohersteller wollen ihre Bänder bald wieder anfahren. Ihre wenigen
       Fabriken nahe den Tsunami-Gebieten fallen zwar wegen der unterbrochenen
       Straßen und der zerstörten Häfen wie etwa in Sendai für längere Zeit aus.
       Doch die sieben Fabriken von Firmen der Toyota-Gruppe produzieren ab
       Donnerstag wieder Autoteile für den inländischen Markt. Am Montag sollen
       die Zulieferer für die Fabriken in Übersee ihren Betrieb aufnehmen. Das ist
       zum Beispiel für die Bezieher von Batterien für Hybrid- und Elektroautos
       wichtig. Diese werden von der Toyota-Tochter Sanyo etwa an Ford geliefert.
       
       Honda will ab Montag wieder Autos produzieren, auch wenn der
       Motorteile-Zulieferer Keihin vier seiner sechs Fabriken in der am
       schwersten getroffenen Präfektur Miyagi hat. Die Fabriken von Nissan in
       Tochigi und Iwaki sind durch das Erdbeben ausgefallen, die anderen vier
       Werke sollen am Montag ihre Arbeit wiederaufnehmen. Selbst wenn die
       Fabriken zwei Wochen stillstehen würden, könnten die Hersteller dies durch
       Überstunden und Wochenendarbeit in zwei Monaten aufholen, meinte ein
       Auto-Analyst vom Brokerhaus Nomura. Der Grund ist die ohnehin nicht volle
       Auslastung der Kapazitäten in Japan wegen der schwachen Nachfrage im Inland
       und der zunehmenden Verlagerung der Produktion ins Ausland.
       
       Auch Japans Chiphersteller haben ihre Produktion heruntergefahren. Wann sie
       wieder aufgenommen werden kann, ist unklar. Die japanische Chipproduktion
       macht ein Fünftel des Branchenumsatzes von insgesamt 300 Milliarden Dollar
       auf der Welt aus.
       
       17 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
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