# taz.de -- Proteste der S21-Gegner: Oben und vor allem dranbleiben
       
       > Die Gegner des Bahnhofs Stuttgart 21 wollen auch nach der Landtagswahl
       > mitreden und mitentscheiden. Davon könnte auch die Linkspartei
       > profitieren.
       
 (IMG) Bild: Wo alles zusammenkommt: Demo gegen Stuttgart 21.
       
       Die vorherrschende Farbe auf dem Stuttgarter Schlossplatz war grün. Nur
       wenige hatten sich mit einer gelben Atom-Protestfahne unter die Menschen
       gemischt, die sich am Samstag unter einem Meer grüner Ballons versammelten.
       Die Stuttgart-21-Gegner hatten zu ihrer letzten Großdemonstration vor der
       baden-württembergischen Landtagswahl aufgerufen und ihr Motto verändert:
       "Abschalten - abwählen - oben bleiben" hieß es.
       
       Mehr als 58.000 Menschen folgten laut Veranstalter diesem Aufruf. Die
       Polizei sprach von 18.000 Demonstranten. Für die Opfer in Japan gab es eine
       Schweigeminute, und zwei Redebeiträge beschäftigten sich mit dem Thema
       Atom. Das war dann aber auch fast alles, was zu der neuen Verbindung der
       Atomkraftgegner mit den Gegnern des geplanten Tiefbahnhofs Stuttgart 21 zu
       hören war.
       
       Es gebe direkte Verbindungen zwischen beiden Themen, sagte ein Demonstrant:
       "Man fühlt sich einfach von der Politik verschaukelt." Aber es sei gut,
       wenn die Katastrophe in Japan nicht auf einer S-21-Demo "ausgeschlachtet"
       werde. Andere sagten, sie seien ausschließlich wegen des Bahnprojekts
       gekommen, da es genug andere Veranstaltungen gegen Atomkraft gebe.
       
       ## Die Zukunft der Bewegung
       
       Thematisch konzentrierte sich an diesem Samstag vieles auf den Bahnhof.
       Doch der Schauspieler Walter Sittler erläuterte, wie die Zukunft der
       Bewegung aussehen könnte, ganz unabhängig von Stuttgart 21. "Mitmachen der
       Demokratie wegen", hatte er seine Rede überschrieben. "Wir wollen bei
       Entscheidungen, die uns betreffen, mitmachen und mitbestimmen."
       
       Sich informieren, austauschen, mitreden, sich einmischen. Das ist es, was
       die "Wutbürger" wollen. So stellen sie sich ihre Bewegung auch nach der
       Wahl vor. Das ist es, was sie auf Fragen antworten wie: Was ist, wenn
       Schwarz-Gelb doch an der Regierung bleibt? Oder was ist, wenn Rot-Grün
       gewählt wird und sich die Mehrheit Baden-Württembergs in einem
       Volksentscheid für Stuttgart 21 ausspricht?
       
       Viele sprechen von einem "gesellschaftlichen Gewinn" und einer
       "persönlichen Bereicherung". Aus dem gesellschaftlichen Aufbruch wollen sie
       etwas Nachhaltiges gestalten. "Die Stadt hat sich durch den Widerstand sehr
       verändert. Die Menschen sind offener geworden, es sind zahlreiche Netzwerke
       entstanden", sagt etwa Andrea Schmidt, die in der Bewegung aktiv ist. "Wir
       wollen weiter mitbestimmen über das, was in unserer Stadt passiert."
       
       Noch aber konzentriert sich alles auf die Wahl und auf die Frage, wen man
       als Bahnhofsgegner wählen soll. Nach außen hin schien die Bewegung stets
       eng mit den Grünen verknüpft zu sein. Doch intern mehrte sich in der
       Vergangenheit die Kritik. Einige beschweren sich, dass grüne Politiker die
       Demos als Wahlkampfreden missbraucht hätten. Auch fürchten sie, die Grünen
       könnten zu machtorientiert sein, eine Koalition mit den Schwarzen eingehen
       und sich nach der Wahl nur halbherzig um einen Baustopp kümmern.
       
       In einem Diskussionspapier, das der taz vorliegt, wird dazu aufgerufen, die
       Linke zu wählen. Die Stimmung reiche derzeit von Verzweiflung ("Man kann
       niemanden mehr wählen") über Ratlosigkeit ("Was bleibt uns schon übrig,
       außer es mit den Grünen zu versuchen?") bis wütend ("Jetzt erst recht, wir
       wählen ,Die Linke')", schreibt der Autor des Papiers.
       
       Er rechnet vor, dass die Linke mit den Stimmen der Parkschützer sicher in
       den Landtag einziehe. Und selbst im schlimmsten Fall würden damit
       wenigstens "nicht 4,9 Prozent glasklare Stimmen gegen S 21" verloren gehen.
       Tatsächlich würde mit dem Einzug der Linken in den Landtag eine erneute
       schwarz-gelbe Koalition eher unwahrscheinlich werden.
       
       Doch sowohl Grüne als auch SPD zeigen sich bei der Frage nach einer
       Koalition mit der Linken mehr als zurückhaltend. Sollten Grüne oder SPD in
       diesem Fall mit der CDU koalieren, so schreibt der Autor, "kann man sie
       alle outen, outen, wie ernst es ihnen (vor allem den Grünen) mit unserer
       Sache war/ist oder ob sie S 21 nur als Mittel zum Zweck, um an die Macht zu
       kommen, sehen/sahen".
       
       ## "Stimmungsmache der Linken"
       
       Der grüne Verkehrspolitiker Werner Wölfle kann darüber nur den Kopf
       schütteln. "Wir waren die Einzigen, die von Anfang an gegen Stuttgart 21
       waren." Er hält die Diskussionen für "Stimmungsmache der Linken". Immer
       wieder müsse er deshalb den S-21-Gegnern erklären, was die Grünen wirklich
       machen. "Entweder man überzeugt sie dann oder nicht." Aber ärgern würde es
       ihn schon.
       
       So oder so, dass das Projekt durch die Wahl gestoppt werden kann, glauben
       viele nicht mehr. "Es muss erst mal weitergehen", sagt Michael Spieß, der
       mit seiner Frau immer noch Woche für Woche den Schwabenstreich macht: Mit
       Trillerpfeifen stehen sie an einer Straßenkreuzung und sorgen eine Minute
       lang für Lärm. "Nur weil die Grünen vielleicht als Sieger aus der Wahl
       hervorgehen, wäre das für mich kein Punkt zu sagen, jetzt ist alles gut",
       sagt Spieß. Die Aktivistin Andrea Schmidt sagt: "Im Sommer hatten wir das
       Gefühl: Wir können es stoppen." Und jetzt? "Jetzt stellen wir uns darauf
       ein, dass wir einen langen Atem brauchen."
       
       20 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Michel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stuttgart 21
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