# taz.de -- Envio-Skandal in Dortmund: Giftmüll aus Kasachstan
       
       > Der Skandal um den Dortmunder Entsorgungsbetrieb weitet sich aus. Interne
       > Dokumente belegen, dass deutsche Behörden beim Import kasachischen
       > Giftmülls mithalfen.
       
 (IMG) Bild: Giftküche mit staatlicher Unterstützung: die Dortmunder Firma Envio.
       
       DORTMUND taz | Die Depesche der deutschen Botschaft in Kasachstans
       Hauptstadt Astana, die 2009 im Auswärtigen Amt einging, klang alarmierend:
       Die "mit deutscher Unterstützung betriebene Entsorgung von militärischem
       Sondermüll" habe in Kasachstan zu einem "politischen Skandal" geführt.
       
       Der ehemalige "Umweltminister und zwei Vize-Minister" seien "vor Gericht
       gestellt" worden. Gewarnt wurde insbesondere vor dem "schwer
       durchschaubaren" Geschäftsmann Boris Meckler: Gegen den werde wegen
       Korruption ermittelt, außerdem sei er in Waffengeschäfte verwickelt.
       Meckler habe sich "nach Deutschland" abgesetzt.
       
       Über das Außenministerium und das Umweltbundesamt erreichte die Warnung
       auch Nordrhein-Westfalens Umweltbehörden. Denn bei der Bezirksregierung
       Arnsberg war Meckler kein Unbekannter: Sein Unternehmen Juwenta belieferte
       die Dortmunder Firma Envio mit über 10.000 Kondensatoren, die aus
       ehemaligen sowjetischen Kernwaffenversuchsanlagen stammten - und mit
       hochgiftigen Polychlorierten Biphenylen (PCB) verseucht waren.
       
       Doch Envio war eine Giftküche: Schon 2008 waren rund um den angeblichen
       Entsorgungsbetrieb erhöhte PCB-Werte gemessen worden - die Arnsberger
       Behörde aber brauchte bis April 2010, um den PCB-verarbeitenden Betrieb als
       Verursacher der Verseuchung zu überführen.
       
       ## Beamte ignorierten jahrelang Warnungen
       
       Öffentlich wurden dann frühkapitalistische Arbeitsbedingungen: Zum Teil
       ohne jede Schutzkleidung mussten Arbeiter die vergifteten Kondensatoren
       öffnen. Verseucht wurden ihre Atemwege und über die Arbeitskleidung auch
       ihre Familien - dabei gelten PCB als Ursache für Erkrankungen des Immun-,
       Nerven- und Hormonsystens und als wahrscheinlich krebserregend. Über
       geöffnete Hallentore drang das Gift in die Umwelt.
       
       Die Arnsberger Beamten aber ignorierten noch 2009 Warnungen ehemaliger
       Envio-Mitarbeiter ebenso wie die dringende Depesche der deutschen Botschaft
       in Kasachstan. Beeindruckt haben dürfte sie hoher Besuch: Offenbar ohne
       jede Absprache mit der Bundes- oder Landesregierung stand im Juni 2009
       Kasachstans neuer Umweltminister Nurgali Aschimov vor der Tür der
       sauerländischen Behörde. Das belegt eine interne Untersuchung, die der taz
       vorliegt.
       
       Und Aschimov dürfte Druck gemacht haben, die PCB-Exporte zu genehmigen.
       Schließlich drohte auch ihm ein Umweltskandal: Die "Chemikalien der
       fraglichen Kondensatoren" könnten das Gelände des über 600 Kilometer langen
       Balchasch-Sees bereits vergiftet haben, kabelte die deutsche Botschaft in
       einem weiteren Fernschreiben nach Berlin.
       
       Die Arnsberger Behörden jedenfalls gaben sich nach Aschimovs Besuch
       großzügig: "Da Kasachstan noch keine Erfahrung mit der Durchführung solcher
       Verfahren" habe, boten sie an, sich um sämtliche Unterlagen für den
       Gifttransport nach Dortmund zu kümmern - die PCB-belasteten Transformatoren
       mussten über Russland, Weißrussland und Polen nach Deutschland gebracht
       werden.
       
       ## Polen stoppen Mülltransporte
       
       Gestoppt wurden die Giftmüllimporte erst nach einer Intervention der
       Umweltbehörden Polens: Die hätten darauf bestanden, dass wie international
       vorgeschrieben der kasachische Staat die Anträge stelle und nicht eine
       deutsche Provinzbehörde, schrieb die Arnsberger Bezirksregierung im Oktober
       2009 bedauernd - ausgerechnet an die Firma Juwenta.
       
       Heute ist den Arnsbergern ihre devote Haltung mehr als peinlich: Der
       ehemalige Regierungspräsident Helmut Diegel von der CDU lässt ausrichten,
       er sei zum Zeitpunkt des Besuchs Aschimovs nicht im Haus gewesen.
       Verantwortlich wäre damit die stellvertretende Regierungspräsidentin Karola
       Geiß-Netthöfel von der SPD.
       
       Diegels Nachfolger, der nach dem Regierungswechsel in NRW eingesetzte
       Sozialdemokrat Gerd Bollermann, hat deshalb bereits ein Gespräch mit
       Geiß-Netthöfel geführt – und eine so genannte "Sonderprüfung Innenrevision"
       in Auftrag gegeben. Über personal- und disziplinarrechtliche Konsequenzen
       hat er noch nicht entschieden.
       
       Der Karriere Geiß-Netthöfels aber haben die Ermittlungen bisher nicht
       geschadet: Die Verwaltungsfrau will sich zur Chefin des mächtigen
       Regionalverbands Ruhrgebiet wählen lassen - möglicherweise schon Montag.
       
       3 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
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