# taz.de -- Status quo des E-Books: Der lange Anlauf bis zur E-Revolution
       
       > Die Digitalisierung des deutschen Buchmarkts wird seit Jahren
       > angekündigt. Nun soll sie endlich kommen. Neue Bezahlmodelle bleiben
       > ausgeschlossen.
       
 (IMG) Bild: Wachstumsfördernd für den E-Book-Markt: Smartphones und vor allem von Tablet-PCs.
       
       Soeben verkündete Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des
       Deutschen Buchhandels, bei der Vorstellung einer E-Book-Studie, dass die
       E-Revolution auf dem Buchmarkt 2011 erfolgen werde. Erwartet wird sie ja
       schon seit Längerem. Bislang ist sie allerdings abseits von Ankündigungen
       noch ausgeblieben.
       
       2010 wurden hierzulande gerade einmal 4 Millionen E-Books verkauft. Die
       überwiegende Mehrheit - immerhin 78 Prozent der für die Börsenverein-Studie
       befragten Personen - kann sich nicht vorstellen, ein Buch an einem
       Bildschirm zu lesen. Bisher werden nur rund 0,5 Prozent des Buchumsatzes
       mit digitalen Büchern generiert. Im Lauf des Jahres solle der Anteil
       immerhin auf über 6 Prozent steigen, 2015 dann bereits bei rund 16 Prozent
       liegen.
       
       Schon im März 2009 haben die Unternehmensberater von Kirchner + Robrecht,
       die Verlagen auf dem Weg in den digitalen Buchmarkt zur Seite stehen, in
       einer Marktstudie ähnliche Zahlen vorgelegt. Verschiedene Varianten wurden
       durchgespielt, im schlechtesten Fall sollten E-Books bis 2015 einen
       Marktanteil von knapp 4, im besten einen von knapp 16 Prozent erreichen.
       Dass ein Durchbruch bevorsteht, sieht Marco Olavarria, geschäftsführender
       Gesellschafter von Kirchner+ Robrecht, aber nicht: "Das entspricht bisher
       immer noch der normalen Wachstumskurve. Die Frage ist, wie es nun
       weitergeht."
       
       Als besonders wachstumsfördernd für den E-Book-Markt schätzt Olavarria die
       weite Verbreitung von Smartphones und vor allem von Tablet-PCs ein.
       Letztere Gerätegattung wurde vor gut einem Jahr durch die Veröffentlichung
       des iPad bekannt. Mittlerweile hat Apple die zweite Generation seiner
       modernen Schiefertafel auf den Markt gebracht. Nach Bitkom-Berechnungen
       wurden im vergangenen Jahr in Deutschland über 450.000 Tablets gekauft, im
       laufenden sollen mehr als 1,5 Millionen abgesetzt werden.
       
       "Bei Tablets ist der Spaßfaktor wesentlich höher als bei
       E-Book-Lesegeräten. Persönlich lese ich aber auch lieber auf einem
       E-Book-Reader. Da ist das Lesegefühl besser", sagt Olavarria. E-Book-Reader
       sind mit einer speziellen Displaytechnik ausgestattet, die Schrift
       erscheint aus verschiedenen Perspektiven gleich, die Buchstaben werden
       deutlich schärfer dargestellt als auf LCD-Displays. Kleine Teilchen im
       Display werden je nach Schriftbild ausgerichtet und benötigen nur beim
       Seitenwechsel Strom. Deshalb wird die Akkulaufzeit nicht in Stunden,
       sondern in Seitenwechseln angegeben.
       
       ## Rund 450.000 Geräte verkauft
       
       Zwischen 100 und 300 Euro müssen Kunden für einen E-Book-Reader hinlegen.
       Der größte Nachteil: Aktuell können die Reader nur schwarz-weiß darstellen.
       "Im Lauf des Jahres sollen die ersten farbfähigen E-Book-Reader auf den
       Markt kommen", sagt Ronald Schild, Geschäftsführer vom Marketing- und
       Verlagsservice des Buchhandels, der libreka! betreibt, mit über 70.000
       Titeln die größte E-Book-Plattform im deutschsprachigen Raum. Farbfähige
       E-Book-Reader werden aber auch teurer sein als die bisher verfügbaren
       Schwarz-Weiß-Lesegeräte.
       
       Seit der Veröffentlichung des ersten ernst zu nehmenden E-Book-Readers in
       Deutschland im Frühjahr 2009, des Sony PRS 505, wurden rund 450.000 Geräte
       verkauft. Seitdem ist nicht nur die Auswahl, sondern auch die
       Funktionsvielfalt gestiegen. War der erste Sony E-Book Reader nur zum
       digitalen Lesen geeignet, so sind die neuen mit einem Touchscreen
       ausgestattet, auf dem auch handschriftliche Notizen angefertigt werden
       können.
       
       Die Pionierarbeit leistete aber kein Elektronikhersteller, sondern der
       Onlinehändler Amazon. Im November 2008 veröffentlichte Amazon sein erstes
       Lesegerät in den USA. Mittlerweile ist die dritte Kindle-Generation
       verfügbar. Insgesamt soll Amazon bis Ende 2010 über 10 Millionen Lesegeräte
       verkauft haben und ist damit unangefochtener Marktführer.
       
       Für deutsche Kunden ist das Amazon-Lesegerät bisher lediglich aus den USA
       importierbar. "Der Kindle ist auf den englischsprachigen Raum ausgelegt",
       sagt Amazon-Sprecherin Christine Höger. Glaubt man aber den Gerüchten, die
       kürzlich auf der Leipziger Buchmesse zu hören waren, kommt der Kindle
       bereits in wenigen Wochen nach Deutschland. Amazon hält sich mit der
       Bekanntgabe des genauen Veröffentlichungstermins aber zurück: "Das verrate
       ich natürlich nicht", sagt Höger.
       
       Die Verlage erhoffen sich von der Kindle-Markteinführung einen E-Book-Boom.
       Amazon veröffentlicht zwar keine absoluten Verkaufszahlen von E-Books, dich
       Ende Januar teilte der Onlinehändler mit, 2.010 mehr E-Books als
       Taschenbücher verkauft zu haben; auf 100 Taschenbücher kämen 115 E-Books.
       Das Verhältnis von verkauften Hardcovertiteln zu elektronischen Büchern
       liege sogar bei 1:3. Dabei geht Amazon mit dem Kindle einen Sonderweg.
       Anders als die meisten E-Book-Reader und Tablets kann er nicht mit dem
       E-Book-Standard-Format E-Pub umgehen - und schon gar nicht mit dem am
       weitesten verbreiteten Kopierschutz von Adobe.
       
       Der Onlinehändler setzt stattdessen auf das AZW-Format und damit als einer
       der wenigen Anbieter auf ein geschlossenes E-Book-Ökosystem. Kindle-Leser
       sind auf den integrierten Amazon-E-Book-Store angewiesen, in dem digitale
       Bücher online gekauft werden können. Für deutsche Kunden ein Problem: Zwar
       sind in Europa rund 620.000 E-Books verfügbar, davon aber nur wenige
       tausend Titel in deutscher Sprache. Mit der Einführung des "German Kindle"
       dürfte sich das aber ändern.
       
       ## E-Book-Flatrates
       
       Auch Buchhändler setzen auf Lesegeräte mit integriertem E-Book-Shop, wie
       Thalia mit dem Oyo oder Libri mit dem von Acer hergestellten LumiRead. Die
       günstigen Amazon E-Book-Preise - rund 80 Prozent der digitalen Bücher im
       Kindle-Store sind für weniger als 10 Dollar zu haben - bieten sie aber
       nicht. Hierzulande zahlen Kunden mehr, laut Börsenverein im Durchschnitt
       10,40 Euro.
       
       Der höhere E-Book-Preis im Vergleich zu den USA hat - entgegen der
       landläufigen Meinung - aber nichts mit der Buchpreisbindung zu tun. Erst
       2008 hat der Börsenverein entschieden, dass die Buchpreisbindung auch für
       E-Books gilt. "Die Verleger sind beim E-Book-Pricing aber nicht an die
       Preise der Printbücher gebunden", erklärt Susanne Barwick aus der
       Rechtsabteilung des Börsenvereins. "Die E-Books müssen nur bei allen
       Buchhandlungen, sowohl im stationären Verkauf als auch bei Onlineshops, den
       gleichen Preis haben."
       
       Das aber ist ein Hemmnis für neue Verkaufskonzepte, wie zum Beispiel für
       E-Book-Flatrates. Weil das gleiche E-Book über jeden Vertriebsweg gleich
       teuer sein muss, können weder Händler noch Verlage ein Abomodell für eine
       unbegrenzte Anzahl von E-Book-Downloads anbieten. Stattdessen orientieren
       sich die deutschen Verlage beim Preis von E-Books zumeist an der
       Hardcovervariante und gewähren im Durchschnitt einen Rabatt von 15 bis 20
       Prozent.
       
       Dass die Preise für ein lediglich digital vorliegendes Buch nicht niedriger
       ausfallen, liegt an der geringen Kostenersparnis bei der
       E-Book-Herstellung. Zwar entfallen die Druck- und Vertriebskosten, "die
       machen aber nur rund 15 Prozent des Buchpreises aus", erklärt Schild. Diese
       Ersparnis werde durch die unterschiedliche steuerliche Belastung von
       E-Books und Printbüchern fast komplett aufgefressen: "Für E-Books gilt der
       Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent und nicht, wie für gedruckte Bücher, der
       ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent. Die Verlage sparen sich am Ende also
       nur 3 Prozent", rechnet Schild vor.
       
       Und auch die E-Book-Produktion kostet: "Solange die Verlage ihre
       Produktionsprozesse noch nicht medienneutral zugeschnitten haben, muss die
       Druckdatei zur Konvertierung in eine E-Book-Datei aufwendig nachbearbeitet
       werden", sagt Schild. Die relativ geringe Preisersparnis für digitale
       Leseratten sei aber kein Kaufhemmnis, findet Olavarria: "Ob ich mir ein
       gedrucktes Buch oder ein E-Book kaufe, man zahlt ja für die Unterhaltung."
       Und seitdem die Verlage E-Books für sich entdeckt haben und an neuen, auf
       die digitale Welt zugeschnittenen Erzählkonzepten arbeiten, kann die
       E-Book-Unterhaltung durchaus überzeugen.
       
       Verschiedene Publikumsverlage haben bereits mit Videos, Bildern zur
       Handlung und Autoreninterviews angereicherte E-Books, sogenannte Enhanced
       E-Books, im Programm. Andere lassen ihre Autoren gleich multiperspektivisch
       schreiben. Der Leser kann so selbst entscheiden, aus welcher Sicht er die
       Geschichte verfolgen will oder wie sich - je nachdem, welche Szene man
       wählt - die Erzählung entwickelt. Im Lauf des Jahres sollen dann auch die
       ersten interaktiven E-Books auf den Markt kommen, bei denen der Leser in
       einer Community den Fortgang der Geschichte beeinflussen kann.
       
       Ob die Bezeichnung "Buch" - laut Unesco-Definition "nicht periodisch
       erscheinende gedruckte Veröffentlichungen mit mindestens 49 Seiten" - auf
       das neue Medium E-Book dann aber noch passt, ist fraglich. Klar ist
       hingegen, dass neben Hardwareherstellern wie Sony sowie Online- und
       Buchhändlern wie Amazon, Thalia und Libri auch die Verlage an der
       E-Lese-Revolution fleißig mitarbeiten. Vielleicht findet die nicht gleich
       morgen statt. Aber sie wird kommen. Irgendwann jedenfalls.
       
       11 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Aichner
       
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