# taz.de -- Verpressung von Kohlendioxid: In Schulen als Umweltschutz verkauft
       
       > Etwa an 25.000 Schulen geht das Heft "Klimaschutz und CCS". Hinter der
       > Broschüre steckt ein Verband, der Energiekonzerne vertritt wie Eon, RWE
       > und Vattenfall.
       
 (IMG) Bild: Mechaniker arbeiten im CCS-Pilotprojekt des Energiekonzerns Vattenfall am Kraftwerk Schwarze Pumpe bei Spremberg.
       
       BERLIN taz | Wenn das keine Verbündeten für Umweltschützer sind: Volker
       Hauff, bis vor einem Jahr Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrates der
       Bundesregierung, und Rajendra Pachauri, Direktor des Weltklimarates. Beide
       preisen das Verpressen von Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken in den
       Erdboden - kurz CCS - als Instrument zum Umweltschutz. Nachzulesen ist das
       in dem 25-seitigen Heft für den Schulunterricht Klimaschutz und CCS.
       
       Herausgeber ist Zeitbild, eine PR-Agentur mit Verlag, deren Hefte laut
       Eigenwerbung an 25.000 Schulen gehen. Im Impressum der Broschüre steht
       zudem die Initiative IZ Klima. Was Lehrer nicht ohne Weiteres erkennen:
       Dahinter steckt ein Verband, den Betreiber und Baufirmen von
       Kohlekraftwerken finanzieren. Gegenüber der taz räumt Michael Donnermeyer,
       IZ-Klima-Geschäftsführer, ein, dass die Initiative für die Broschüre
       gezahlt habe. "Die redaktionelle Verantwortung liegt bei Zeitbild. Wir
       haben mit allem, was wir an Informationen und fachlichen Kontakten haben,
       mitgearbeitet", schreibt Donnermeyer.
       
       In einem Interview der Broschüre argumentiert Ex-Regierungsberater Hauff
       für CCS: "Wir müssen die Kohleverstromung sauber machen, weil die Kohle in
       Indien, China, den USA und vielen weiteren Ländern unverzichtbar ist". Er
       war Manager bei der Unternehmensberatung Bearing Point, zu deren Kunden die
       Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und Ruhrkohle AG gehören. Neben Vorteilen von
       CCS nennt die Broschüre Nachteile: Die Abscheidung von CO2 kostet Energie.
       Und: Im Jahr 2008 ereignete sich in Mönchengladbach ein Unglück. Nach einem
       Brand in einer Lagerhalle verströmte eine Löschanlage Kohlendioxid.
       Passanten fielen in Ohnmacht, mussten ins Krankenhaus.
       
       Was nutzt die Pro-Kontra-Darstellung einem Interessenverband? "Wenn
       Unterrichtsmaterial zu einseitig ist, besteht eine größere Gefahr, dass es
       im Müll landet. Wenn die Gegenposition aber schon mit drin ist, werden sich
       die Lehrer wahrscheinlich nicht selbst bei Umweltverbänden erkundigen", so
       Felix Kamella von [1][Lobby Control].
       
       Nachfragen sind aber durchaus angebracht. "Langjährige Erfahrungen aus der
       Erdgasspeicherung zeigen, dass Gase sicher im Untergrund gespeichert werden
       können", wird im Heft behauptet. Stimmt das? Anders als Erdgas könne
       Kohlendioxid den Beton schädigen, mit dem die Löcher für die Bohrungen
       abgedichtet werden, sagt Jörg Mönig von der Gesellschaft für Anlagen- und
       Reaktorsicherheit in Braunschweig. "Wie hoch das Kohlendioxid aufsteigt,
       lässt sich noch nicht seriös prognostizieren."
       
       ## Problem mit Trinkwasser?
       
       Eine mögliche Speicherstätte sind poröse Gesteinsschichten, durch die
       Salzwasser fließt. Wird Kohlendioxid in diesen Gesteinsschwamm gepresst,
       erhöht es den Druck. Als Folge könnte das Salzwasser in höher gelegene
       Trinkwasserschichten verdrängt werden. Mönig sagt: "Das würde
       Grundwasserreserven beeinträchtigen." Dieses Problem wird in dem erstmals
       2009 herausgegebenen CCS-Heft nicht erwähnt.
       
       Donnermeyer erklärt, als die Broschüre konzipiert wurde, habe das
       Wasserthema noch nicht im Mittelpunkt gestanden, "wir haben beim Verlag
       angeregt, dieses Thema in den kontinuierlichen Arbeitsblättern, die die
       Entwicklung des Themas begleiten, aufzugreifen". Ein Hinweis auf das
       Grundwasser-Problem fehlt auch in der im Januar erschienenen Neuauflage.
       
       15 Apr 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/lexikon-netzwerk-gegen-lobby-netzwerke/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuel Berkel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bildung
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Machtfrage im Klassenzimmer: Lobbyisten stürmen Schulen
       
       Ein Ölkonzern sponsert Ausflüge, Autohersteller verteilen Kopiervorlagen:
       Neue Studien zeigen den Einfluss von Lobbygruppen an Schulen.
       
 (DIR) Neue Vattenfall-Versuchsanlage: Superkritisches Kohlendioxid
       
       Bund und Länder streiten über ein Gesetz, das die Speicherung von
       Kohlenstoffdioxid ermöglichen soll. Für die Grünen verspricht das Thema
       heiß zu werden.
       
 (DIR) Debatte um Atomausstieg: Sachsen setzt auf Kohle
       
       Der Atomausstieg klappt nur, wenn in Braunkohle investiert wird, sagt
       Sachsens Ministerpräsident Tillich. Er schwört auf unterirdische Lagerung
       von CO2. Doch die ist umstritten.
       
 (DIR) Vorerst keine CO2-Speicher: Schleswig-Holstein bleibt sauber
       
       Regierungen und Oppositionen im Norden streiten über "Länderveto" gegen
       unterirdische CO2-Speicher. Der Energiekonzern RWE Dea will vorerst nicht
       in Schleswig-Holstein buddeln: wegen "mangelnder Akzeptanz".
       
 (DIR) Lagerung von CO2: Regierung will Klimagift vergraben
       
       Modellversuche für die unterirdische Lagerung von CO2 sollen in Deutschland
       möglich sein. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor.
       
 (DIR) Kohlendioxidlagerung in Dänemark: CO2 bald unterm Meeresboden?
       
       Die dänische Regierung stoppt die Pläne Vattenfalls, ein CO2-Lager
       einzurichten und hält sich ein Hintertürchen offen: Das Kohlendioxid soll
       vielleicht unter den Meeresboden.
       
 (DIR) CCS-Projekt in Norwegen: "Mondlandung" wird verschoben
       
       Norwegen wollte Vorbild beim unterirdischen Speichern von Klimagasen sein.
       Jetzt wurde der Bau der ersten CCS-Anlage vorerst abgeblasen.
       
 (DIR) CO2-Speicherung: Norddeutsches Becken freut Geologen
       
       Nirgends in Deutschland ließe sich Kohlendioxid besser in den Boden pressen
       als im Nordwesten von Niedersachsen und unter der Nordsee. Die betroffenen
       Länder würden dabei gerne mitreden.