# taz.de -- Alternativkultur in Gefahr: Schokoladen retten?
       
       > Das Kulturprojekt Schokoladen in Mitte könnte gerettet werden. Bewohner,
       > der Bezirk, selbst der Eigentümer plädieren für einen kreativen
       > Grundstückstausch. Jetzt müsste der Senat Ja sagen. Doch der zögert. Es
       > bleiben sechs Wochen.
       
 (IMG) Bild: Auch ihnen droht demnächst das Aus: Schokoladen-Hasen.
       
       Die Rettung des [1][Haus- und Kulturprojekts Schokoladen] in Mitte ist zum
       Greifen nah - würde der Senat nur zustimmen. Am Freitag erklärten sich der
       Eigentümer des Gebäudes, die Nutzer und der Bezirk bereit, sich an einem
       Grundstückstausch zu beteiligen, der den Erhalt des Schokoladens bedeuten
       würde. Einzig der Senat zögert.
       
       Das Haus Ackerstraße 169/170 war 1990 besetzt worden. Wenig später hatten
       Bewohner und Nutzer reguläre Mietverträge bekommen. Seither etablierte sich
       der "Schokoladen" als alternative Lese- und Konzertbühne, die heute in
       Mitte ihresgleichen sucht. Seit 2008 läuft ein Räumungsverfahren, 2010
       wurden alle Mietverträge gekündigt. "Inzwischen droht eine Räumung akut",
       sagt Moritz Heusinger, Anwalt des Schokoladens. Wenn alles schlecht laufe,
       könnten alle Gewerbemieter - neben dem Schokoladen ein Theater, Ateliers,
       Tonstudios und der Club der polnischen Versager - in zwei Monaten raus
       sein. Schwieriger sei es, die 20 Wohnungsmieter rauszuklagen. "Die könnte
       der Eigentümer aber über Luxussanierungen vertreiben", fürchtet Heusinger.
       
       Der Baustadtrat des Bezirks Mitte, Ephraim Gothe (SPD), hat zur Rettung
       einen Geländetausch vorgeschlagen. Falls der Eigentümer Markus Friedrich
       sein Haus an die derzeitigen Nutzer verkauft, soll dieser eine Parzelle auf
       dem unbebauten Grundstück Acker- Ecke Invalidenstraße bekommen. Die
       Schokoladen-Betreiber bieten eine Million Euro für einen Kauf.
       
       "Gothes Vorschlag ist der Weg aus der Sackgasse", lobt Hauseigentümer
       Markus Friedrich. Zwar habe er 1993, als er das Haus kaufte, umgerechnet
       1,3 Millionen Euro gezahlt. Mittlerweile hätten ihm Dritte bis zu 1,8
       Millionen Euro geboten, sagte Friedrich der taz. Dennoch wäre er bereit,
       das Haus an die Nutzer zu verkaufen, "wenn ich für meinen Verlust emotional
       entschädigt werde", so Friedrich. Das sei bei dem Grundstückstausch der
       Fall. Denn auf dem leeren Areal könnte er sofort bauen - nach 18 Jahren
       Stillstand.
       
       Entscheiden müsste den Deal der Senat über den Steuerungsausschuss beim
       Liegenschaftsfonds, da das brache Eckgrundstück in Landeshand liegt. Bei
       Sitzungen im März und April wurde das Thema jedoch vertagt. Im Ausschuss
       sitzen neben dem Bezirk Mitte die Senatsressorts Finanzen, Wirtschaft und
       Stadtentwicklung. Das nächste Treffen ist am 18. Mai. Aus dem Senat äußerte
       sich am Freitag einzig Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke): Er
       unterstütze alle Lösungsbemühungen für das soziokulturelle Projekt.
       Entscheidend aber sei die Finanzverwaltung.
       
       Die Unentschlossenheit des Senats erklärt sich mit den Alternativoptionen
       für die Brache. Die Modemacherin Jette Joop will dort ihren Firmensitz
       einrichten. Der Senat zieht eine Direktvergabe an Joop in Betracht, sofern
       dies entsprechende Arbeitsplätze nach sich zieht. Maxime sei, so
       Liegenschaftsfonds-Sprecherin Irina Dähne, dass das Gelände "nicht unter
       Verkehrswert über den Tisch geht".
       
       Gothe will dagegen das Filetgrundstück nicht höchstbietend vergeben,
       sondern nach stadtplanerischen Aspekten. "Der Schokoladen steht für ein
       alternatives Lebensgefühl, das prägend für Berlin ist und auch nach außen
       einige Anziehung ausübt", sagt Gothe. Die Schokoladen-Nutzer fordern, dass
       während der Verhandlungen der Eigentümer die Räumungsklagen aussetzt. Der
       aber will zunächst ein prinzipielles Ja aus dem Senat - bis Ende Mai.
       Anfang Juni ist der nächste Gerichtstermin.
       
       Mit einem erfolgreichen Herausklagen der Mieter hatte auch der Ärger um das
       Hausprojekt Liebigstraße 14 in Friedrichshain begonnen. Er endete in einer
       kostspieligen Räumung.
       
       15 Apr 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://schokoladen-mitte.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gereon Asmuth
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Linkes Hausprojekt vor Gericht: Dem Schokoladen bleibt noch ein Jahr
       
       Das Kulturprojekt "Schokoladen" in Berlin- Mitte entgeht einem
       Räumungsurteil, wenn es freiwillig aufgibt. Weiter Bemühungen um eine
       politische Lösung.
       
 (DIR) Stadtentwicklung: Verkauf nur gegen Konzept
       
       2010 veräußerte der Liegenschaftsfonds 533 Immobilien und steigert seinen
       Umsatz um 20 Prozent. Verkäufe künftig nicht allein nach Höchstpreis,
       sondern nach Aspekten der Stadtentwicklung.
       
 (DIR) Neue Pläne für die Mitte: Leben ins Regierungsviertel
       
       Autistische Ministeriumsneubauten veröden das Regierungsviertel, kritisiert
       Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Er will urbane Architektur und Wohnungen.
       
 (DIR) Kommentar Stadtentwicklung: Planen statt räumen
       
       Nach den Ausschreitung rund um die Räumng der Liebigstraße 14 muss über
       Gewalt diskutiert werden. Vor allem aber über kreative Stadtenwicklung. Der
       Baustadtrat von Mitte zeigt gerade, wie das gehen kann.
       
 (DIR) Kreativer Stadtumbau: Der Traum vom Wohnen in Mitte
       
       Eine der letzten Brachen an der Ackerstraße soll bebaut werden. Wenn es
       nach Baustadtrat Ephraim Gothe geht, soll hier auch sozialverträgliches
       Wohnen möglich sein