# taz.de -- Kommentar Streubomben in Libyen: Verbrechen und Völkerrecht
       
       > Die Empörung des Westens über die libyschen Streubomben ist nicht
       > glaubwürdig. Denn sie sind nicht "weltweit geächtet", da nur 56 Staaten
       > ein Verbot ratifiziert haben.
       
       Für den Einsatz von Streumunition durch libysche Regierungstruppen gegen
       Aufständische und Wohngebiete in Misurata liegen erdrückende Beweise vor.
       Streumunition gehört zu den weltweit "erfolgreichsten" Tötungs- und
       Verstümmelungswaffen. Bei ihrem Einsatz lassen sich militärische und zivile
       Ziele nicht unterscheiden.
       
       Die Munition ist besonders heimtückisch, weil ein Großteil nach ihrem
       Abschuss unexplodiert auf dem Boden liegen bleibt und noch Jahrzehnte nach
       Ende eines Krieges Zivilisten gefährdet. Deshalb ist der Einsatz von
       Streumunition durch Gaddafis Truppen als Verbrechen gegen die Menschheit zu
       verurteilen.
       
       Die Empörung in Washington und anderen westlichen Hauptstädten ist
       allerdings nicht sehr glaubwürdig. Denn entgegen anderslautenden
       Agenturmeldungen ist Streumunition bislang leider keineswegs "weltweit
       geächtet" und ihr Einsatz durch Libyen nicht völkerrechtswidrig. Unter der
       Konvention zum Verbot von Streumunition stehen bislang die Unterschriften
       von nur 108 der 193 UNO-Staaten. Davon haben erst 56 Länder das Verbot auch
       ratifiziert.
       
       Neben Libyen beteiligten sich auch die drei größten
       Streumunitionsproduzenten USA, Russland, China sowie Israel, Indien und
       Pakistan erst gar nicht an den Verbotsverhandlungen. Denn sie halten
       Streumunition nach wie vor für "militärisch unverzichtbar". Israel und
       Russland haben Streumunition in jüngster Zeit in den Kriegen gegen Libanon,
       Gaza beziehungsweise Georgien auch eingesetzt.
       
       ## Logik der "militärischen Unverzichtbarkeit"
       
       Der Abschuss von Streumunition gegen Ziele in Misurata illustriert die
       "militärische Unverzichtbarkeit". Er soll Aufständische und
       Zivilbevölkerung aus der strategisch bedeutsamen Küstenstadt vertreiben, um
       ihre Rückeroberung durch die Regierungsstreitkräfte zu ermöglichen,
       rechtzeitig vor einem etwaigen Einsatz von Nato-Bodentruppen. Wenn Gaddafi
       Misurata wieder kontrolliert, kann er einen Vormarsch der Aufständischen
       auf Tripolis verhindern und hat bessere Karten mit Blick auf eine
       eventuelle West-Ost-Teilung Libyens.
       
       In derselben zynischen Logik der "militärischen Unverzichtbarkeit" läge es,
       sollte die Nato im weiteren Verlauf des Krieges Streumunition einsetzen.
       Sie könnte dies unter Nutzung der Ausnahmeregelungen, die die USA,
       Deutschland und andere Bündnispartner in der Verbotskonvention
       durchsetzten: danach dürfte der Nichtvertragsstaat USA im Rahmen der
       gemeinsamen Nato-Operation gegen Libyen Streumunition einsetzen - mit
       Unterstützung Deutschlands und anderer Vertragsstaaten. Darunter auch
       Streumunition, die in US-Militärbasen in Deutschland oder anderen
       Vertragsstaaten lagert.
       
       Und die Bundeswehr? Sollte sie doch zum Einsatz im Libyenkrieg kommen,
       könnte sie ebenso wie die Streitkräfte anderer Vertragsstaaten die vom
       Nürnberger Rüstungskonzern Diehl entwickelte Streumunition Smart 155 gegen
       libysche Ziele abschießen. Denn die Regierung Merkel setzte für die Smart
       155 eine Ausnahmeregelung in der Verbotskonvention durch, weil sie wegen
       ihrer technischen Spezifikationen angeblich ungefährlich für Zivilisten
       ist.
       
       17 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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