# taz.de -- Berliner Appell für chinesischen Künstler: "Lasst Ai Weiwei frei!"
       
       > Über 100 deutsche Sinologen, Wirtschafts- und Kulturvertreter fordern im
       > "Berliner Appell" die Freilassung des verschleppten chinesischen
       > Künstlers Ai Weiwei.
       
 (IMG) Bild: Wer hat Angst vor Ai Weiwei? Solidaritätskundgebung in Hongkong am Samstag.
       
       BERLIN taz | Die internationalen Proteste gegen die Verschleppung des
       regimekritischen chinesischen Künstlers Ai Weiwei durch die Behörden in
       Peking vor drei Wochen gehen unvermindert weiter. Am Ostersamstag wurde in
       Berlin der Aufruf [1]["Lasst Ai Weiwei frei!"] veröffentlicht. Darin
       fordern mehr als einhundert Erstunterzeichner aus dem Kulturbereich, den
       China-Wissenschaften, der Wirtschaft und der Medien "die sofortige
       Freilassung Ai Weiweis".
       
       Der "Berliner Appell", wie er von den Initiatoren genannt wird, wertet die
       Festnahme des 53-Jährigen ohne Haftbefehl, ohne Unterrichtung seiner
       Familie und ohne Zugang zu einem Anwalt sowie seine Denunziation in den
       gelenkten Medien als Verstoß "nicht nur gegen elementare Menschenrechte,
       sondern auch gegen chinesisches Recht". Der Appell nennt dies "politisch
       motivierte Willkür gegen einen kritischen, sich für Menschenrechte
       einsetzenden Künstler".
       
       Der Berliner Appell wurde von dem Berliner und Pekinger Galeristen
       Alexander Ochs, dem Erfurter Sinologen Michael Lackner, dem Berliner
       China-Managementberater Jochen Noth und dem früheren Manager und Ex-Chef
       des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel
       initiiert.
       
       Sie hoffen damit "eine sich verbreitende Bewegung für die Freilassung des
       chinesischen Künstlers" mit anstoßen zu können. Sie fordern "die deutsche
       Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft auf, sich öffentlich und
       nicht-öffentlich für die Freilassung von Ai Weiwei" einzusetzen.
       
       Der Appell bekennt sich ausdrücklich zum kulturellen Austausch mit China.
       Der nütze dem Land selbst wie auch seinen Partnerländern. Doch die
       Verhaftung Ais und "die Missachtung elementarer Rechtsgrundsätze schaden
       diesem Austausch und beschädigen damit die Beziehungen zwischen den Staaten
       und Völkern", heißt es im Aufruf.
       
       ## Bewusstes Risiko
       
       "Wir sind uns des Risikos bewusst, dass viele Unterzeichner wie die
       Sinologie-Professoren unterschiedlicher deutscher, europäischer und
       amerikanischer Universitäten für ihre Projekte eingehen", sagte
       Mitinitiator Alexander Ochs der taz. "Doch der chinesische Staat sollte
       sich des Risikos bewusst sein, dass er viele langjährige und erprobte
       Dialogpartner verlieren könnte."
       
       Ochs wertet Ais Verschleppung als Indikator einer heftigen internen Debatte
       in Chinas Kommunistischer Partei. "Im Februar wurde eine 9,05 Meter große
       Konfuzius-Statue auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking
       aufgebaut. Letzte Woche wurde sie wieder abgebaut, und jetzt ist sie in
       einem Hinterhof des neu renovierten Nationalmuseums verschwunden. Das lässt
       auf große Richtungs-Debatten im Hintergrund schließen. Und Ais Verschwinden
       ist wahrscheinlich ein Teil davon", so Ochs.
       
       Zu den Erstunterzeichnen des Berliner Appells zählen neben Lackner 13
       Sinologie-Professoren. Aus dem Kultur-Bereich unterzeichneten etwa Katja
       Blomberg, Leiterin des Haus am Waldsee, Professor Eugen Blume, Leiter
       Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Professor Klaas Ruitenbeek, Direktor
       Museum für Asiatische Kunst Berlin, Professor Heinrich Schulze
       Altcappenberg, Direktor des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu
       Berlin, Gereon Sievernich, Direktor des Martin-Gropius Bau Berlin, Gregor
       Jansen, Künstlerischer Leiter der Kunsthalle Düsseldorf und Michael
       Frelinghaus, der Präsident des Bundes Deutscher Architekten.
       
       ## Auch Roland Berger unterzeichnet
       
       "Ich begrüße sehr, dass der Appell bisher nicht nur von Künstlern und
       Intellektuellen unterzeichnet wurde, sondern auch von dem
       Unternehmensberater Roland Berger, der alle Kanzlerdelegationen von Kohl
       bis Merkel nach China begleitet hat. Seine Stimme hat Gehör in der
       Wirtschaft", sagte Ochs. Auf der Webseite
       [2][www.berlinerappell-freeaiweiwei.com] können sich weitere Unterzeichner
       eintragen.
       
       Ai Weiwei wird am 29. April eigentlich zur Eröffnung einer Ausstellung
       seiner Kunst in der Berliner Galerie neugerriemschneider erwartet. Die
       Berliner Universität der Künste hat ihn am vergangenen Mittwoch für eine
       Gastprofessur ausgewählt.
       
       Bereits am vergangenen Sonntag hatten 150 Künstler und Unterstützer auf
       Stühlen vor der chinesischen Botschaft in Berlin für Ais Freilassung
       demonstriert. Zu einer weiteren Demonstration kam es an diesem Samstag auch
       in Hongkong. Nach Agenturberichten forderten in der autonomen
       südchinesischen Sonderzone zwischen 1.000 und 2.000 Demonstranten die
       Freilassung des bekannten Künstlers. Das US-Magazin Time hat Ai in einer am
       Freitag vorgestellten Liste zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt
       gezählt.
       
       ## Staatsanwaltschaft will offenbar Vorwürfe öffentlich machen
       
       Die chinesische Staatsanwaltschaft hat inzwischen angedeutet, in Kürze die
       Vorwürfe gegen Ai wegen angeblicher Steuervergehen bekanntgeben zu wollen.
       Diese Vorwürfe waren bisher nur in Staatsmedien angedeutet worden. Als der
       Sprecher des Außenministeriums bei einer Pressekonferenz die Art der
       Vorwürfe, ohne Details zu nennen, kurz bestätigte, wurden seine Äußerungen
       später von der amtlichen Webseite und aus dem offiziellen Protokoll
       gelöscht.
       
       Der Fall von Ai Weiwei und zahlreicher anderer seit Februar verschwundener
       und festgenommener Bürgerrechtler dürfte auch ein Thema beim
       Menschenrechtsdialog sein, den die USA und China nach US-Regierungsangaben
       am 27. April in Peking wieder aufnehmen wollen. Laut der Organisation China
       Human Rights Defenders sind in den letzten Wochen 50 Bürgerrechtler
       festgenommen worden.
       
       Ai war am 3. April auf Pekings Flughafen verschleppt worden, als er einen
       Flug nach Hongkong besteigen wollte. Direkt darauf wurden sein Pekinger
       Haus und Studio durchsucht. Kurz zuvor war im Pekinger Nationalmuseum die
       aus Deutschland mit zehn Millionen Euro finanzierte Ausstellung "Die Kunst
       der Aufklärung" in Anwesenheit von Bundesaußenminister Guido Westerwelle
       eröffnet worden.
       
       Ais Festnahme unmittelbar nach Abreise Westerwelles und der
       Ausstellungseröffnung wird von vielen Beobachtern als Affront gewertet. Es
       gab darauf Forderungen nach einem Abbruch der Ausstellung von deutscher
       Seite, aber auch Appelle, diese fortzusetzen.
       
       "Wir sind nicht vorrangig interessiert an der deutschen Diskussion zur
       Ausstellung 'Die Kunst der Aufklärung' – ja oder nein?", sagte Ochs. "Doch
       wenn es denn einen Vertreter der Lessingschen Idee der Compassion in China
       gibt, so ist das Ai Weiwei. Deshalb muss die Forderung aller die nach
       seiner sofortiger Freilassung sein".
       
       23 Apr 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.berlinerappell-freeaiweiwei.com/
 (DIR) [2] http://www.berlinerappell-freeaiweiwei.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
 (DIR) Sven Hansen
       
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