# taz.de -- Kommentar Ai Weiwei: Ai Weiwei ist nicht allein
       
       > Der Druck auf Anwälte, Bürgerrechtler und Journalisten in China hat sich
       > seit der Verhaftung Ais noch erhöht. Ein Machtkampf innerhalb der Führung
       > könnte der Hintergrund sein.
       
       Mehr als einen Monat nach seiner Festnahme auf dem Flughafen von Peking
       gibt es noch immer keine Nachricht über das Schicksal des Künstlers Ai
       Weiwei. In der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong, die seit 1997
       wieder zur Volksrepublik gehört und mehr politische Freiheiten zulässt als
       das Festland, schrieben Künstler und Aktivisten in den vergangenen Tagen
       auf Wände und Plätze die Parole "Wer hat Angst vor Ai Weiwei?" Das ist eine
       Frage, auf die es noch keine klare Antwort gibt. Warum reagiert Peking so
       hart?
       
       Nur so viel ist klar: Ai Weiwei ist nicht allein. Anwälte und
       Bürgerrechtler, die bislang ebenfalls mehr oder weniger geduldet wurden,
       geraten unter Hausarrest, werden eingesperrt, unter Druck gesetzt,
       womöglich sogar gefoltert. Dazu gehört der Anwalt Teng Biao, der 70 Tage
       lang verschleppt wurde und seit seiner Rückkehr nach Hause nicht mehr mit
       Journalisten sprechen mag. Sein Kollege Li Fangping wurde fünf Tage lang
       festgehalten und schweigt ebenfalls. Er gehört zu der Gruppe von Chinesen,
       die erst kurz zuvor mit dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle
       gesprochen hatten, der zur Eröffnung der Ausstellung "Kunst der Aufklärung"
       nach Peking gekommen war. Kaum war Li Fangping wieder frei, wurde bereits
       der nächste Anwalt, Li Xiongbing, abgeholt. Eine unheimliche Welle der
       Einschüchterung.
       
       Auch auf chinesische Journalisten und ausländische Medien erhöht sich der
       Druck. Chinesische Fernsehstationen wies die KP-Propagandaabteilung jetzt
       an, weniger Krimis, Liebesfilme, Spionagegeschichten zu zeigen. Stattdessen
       sollen sie 40 TV-Serien über die Errungenschaften der Kommunistischen
       Partei ausstrahlen. Diese "roten" Sendungen sind dazu gedacht, die
       Bevölkerung auf die Feiern zum 90. Jahrestag der Parteigründung am 1. Juli
       einzustimmen.
       
       ## Die Oberhand haben die Sicherheitskräfte
       
       Über die Gründe für die Verhärtung kann nur spekuliert werden, weil
       Entscheidungen innerhalb der KP-Führung trotz aller Reformen in China nach
       wie vor einem eisernen Schweigegesetz unterstellt sind. Chinesische
       Funktionäre, die sich privat für mehr Toleranz und Offenheit aussprechen,
       erklären die Aktionen der Regierung mit der Furcht vor einer
       "Jasmin-Bewegung" wie in Nordafrika. Zudem rückt der Generationenwechsel an
       der Spitze der Macht im Herbst 2012 näher.
       
       Das Wetteifern um Posten und Einfluss dürfte zur gespannten Lage beitragen.
       Ambitionierte Politiker wie der voraussichtliche künftige KP-Chef Xi
       Jinping oder der ehemalige Handelsminister Bo Xilai stützen sich auf einen
       roten Populismus, frei nach dem Motto: "Unter Mao waren wir zwar arm, aber
       weniger korrupt." Schuld an den Problemen des Landes ist nach dieser
       Sichtweise vor allem das Ausland, das China den Aufstieg zur Großmacht
       missgönnt.
       
       Die Oberhand haben derzeit die Sicherheitskräfte unter dem mächtigen
       Politbüro-Mitglied Zhou Yongkang, ihr Budget wurde im März kräftig erhöht.
       Mit dem Geld will Zhou, wie er ankündigte, neue nationale Datenbanken
       schaffen, um die Bevölkerung besser zu kontrollieren. Der Staatsrat, Chinas
       Kabinett, kündigte jetzt an, eine neue zentrale
       Internet-Überwachungsbehörde zu schaffen.
       
       ## Machtkampf um Konfuzius-Statue
       
       Für einen Machtkampf in den Reihen der KP sprechen einige Indizien: So
       stellten Arbeiter im Dezember vor dem Nationalmuseum am Platz des
       Himmlischen Friedens eine Statue des Philosophen Konfuzius auf; KP-Chef Hu
       Jintao propagiert die konfuzianische Idee von der "harmonischen
       Gesellschaft". Doch im April wurde die Statue plötzlich in den Innenhof des
       Museums und damit aus dem Blickfeld gezogen. Haben da die Mao-Populisten
       dem Meister der Harmonie Hu eins ausgewischt?
       
       Ende April feierte Pekings Qinghua-Universität ihr 100-jähriges Jubiläum,
       Ehrengast war der frühere Premierminister Zhu Rongji. Der zeigte sich nicht
       in Feststimmung, sondern schimpfte: Die Abendnachrichten des
       Staatsfernsehens seien unerträglich, die Regierungssubventionen für die
       Autoindustrie nicht akzeptabel und das Erziehungssystem gehe in die falsche
       Richtung. Dies ist für chinesische Verhältnisse höchst ungewöhnlich, denn
       pensionierte Spitzenkader sind angewiesen, den Mund zu halten.
       
       All das deutet darauf hin, dass es hinter den Kulissen der KP derzeit
       überhaupt nicht harmonisch zugeht. In diesem Spiel werden Menschen wie
       Schachfiguren benutzt - die Anwälte, die Journalisten, die Künstler.
       
       6 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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       das eigene Gesicht zu wahren.