# taz.de -- Einigung mit Sarrazin: Wachsender Unmut in der SPD
       
       > Die Kritik über die zurückgezogenen Partei-Ausschlussanträge gegen Thilo
       > Sarrazin wird lauter. Andrea Nahles verteidigt die Entscheidung. Die
       > Berliner SPD ruft zu einer Sondersitzung.
       
 (IMG) Bild: Macht seiner Partei Ärger: Thilo Sarrazin.
       
       BERLIN dapd | In der SPD wächst der Unmut über die Entscheidung der
       Parteispitze, das Ausschlussverfahren gegen den umstrittenen
       Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin nicht weiter zu verfolgen. "Unsere mühselig
       aufgebaute Verankerung in der Einwanderer-Community droht Schaden zu
       nehmen", sagte Baden-Württembergs SPD-Landeschef Nils Schmid am Montag. Der
       Berliner SPD-Landeschef Michael Müller erklärte, er hätte sich "ein klares
       und eindeutiges Urteil gewünscht". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst
       Dieter Rossmann warnte, in der SPD dürfe "Sarrazin keine Narrenfreiheit
       genießen". Aus Protest gegen das Ende des Verfahrens hat der Gründer des
       Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten, Sergey Lagodinsky, seinen
       Parteiaustritt erklärt. Sarrazin selbst sprach von einem "Sieg der
       Vernunft".
       
       Die Spitze der Berliner SPD will am Dienstag in einer Sondersitzung über
       die Lage nach dem heftig umstrittenen Ende des Verfahrens beraten. Die
       Vertreter der Bundes- und Landespartei hatten in der vergangenen Woche ihre
       Ausschlussanträge zurückgezogen. Zuvor hatte Sarrazin erklärt, er habe
       keine sozialdemokratischen Grundsätze verletzen oder Migranten
       diskriminieren wollte. Hintergrund waren provokante Thesen Sarrazins zur
       Integration in dessen Buch "Deutschland schafft sich ab".
       
       ## Nahles verteidigt die Entscheidung
       
       SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat die Entscheidung zum Verbleib des
       umstrittenen Politikers Thilo Sarrazin in der Partei gegen innerparteiliche
       Kritik verteidigt. Sarrazin habe sich vor der Schiedskommission, die über
       seinen Parteiausschluss entscheiden sollte, von seinen umstrittenen Thesen
       zur Integration muslimischer Zuwanderer distanziert, sagte Nahles am
       Dienstag dem Deutschlandfunk. Sarrazin habe in der Sitzung am
       Gründonnerstag "seine sozialdarwinistischen Äußerungen relativiert,
       Missverständnisse klargestellt und sich von diskriminierenden Äußerungen
       distanziert", sagte sie.
       
       Nahles bestritt, dass taktische Überlegungen bei der Entscheidung über
       Sarrazins Verbleib in der SPD eine Rolle gespielt hätten. "Es handelt sich
       auch nicht um einen Deal, um das klar zu sagen, sondern um ein
       Schiedsverfahren", das sich an den einschlägigen Rechtsvorschriften
       orientiert habe, sagte die SPD-Politikerin. Sarrazin habe in der Sitzung
       eine "weit reichende Erklärung" abgegeben, die eine Abkehr von seinen zuvor
       vertretenen Positionen habe erkennen lassen. Es sei "einiges passiert" in
       der fünfstündigen Sitzung, sagte Nahles dazu.
       
       Der Vorsitzende des SPD-Arbeitskreises Migration, Kenan Kolat, warf der
       Partei vor, sie sei "eingeknickt." "Aufgrund einer mickrigen Erklärung alle
       Anträge zurückzuziehen, ist nicht akzeptabel." Kolat, der auch Vorsitzender
       der Türkischen Gemeinde in Deutschland ist, kündigte an, den
       SPD-Arbeitskreis zu einer Sondersitzung einzuberufen. "Für mich ist
       Sarrazins Buch eine rassistische Ideologie."
       
       Lagodinsky schrieb in einem Brief an SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles
       zur Begründung seines Parteiaustritts, "als jüdischer Mensch" habe er die
       Möglichkeit gesehen, "die lange Tradition der Juden in Deutschland
       wiederzubeleben, nunmehr gemeinsam mit anderen Minderheiten und Mehrheiten
       in unserem Lande". Diese Hoffnung aber sei mit der Rücknahme des Antrags
       gescheitert. Der Umgang mit Sarrazin sei bezeichnend "für die allgemeine
       Orientierungslosigkeit der Partei im Umgang mit Vielfalt als brennendem
       Thema unserer Gegenwart".
       
       ## Müller: Mit der SPD verbindet Sarrazin nun "sehr wenig"
       
       Der Berliner SPD-Chef Müller zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Die
       Schiedskommission der SPD Wilmersdorf-Charlottenburg sei offenbar der
       Auffassung gewesen, "dass der Schaden, der der SPD durch Sarrazins
       Verhalten entstanden ist, einen Ausschluss nicht gerechtfertigt hätte".
       Sarrazin müsse jetzt verstehen, "dass ihn nur noch sehr, sehr wenig mit der
       Berliner SPD verbindet", fügte er hinzu.
       
       Die SPD-Linke will Sarrazin keine "Narrenfreiheit" zubilligen. Wie der
       SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann sagte, könne Sarrazin
       "nicht als SPD-Mitglied durch die Medien geistern und abwegige Erbtheorien
       verbreiten". Der Verzicht auf einen Parteiausschluss Sarrazins aus der SPD
       geht "gerade noch an", wenn sich "Sarrazin ab jetzt zurückhält, und keine
       kruden Erbtheorien und genetischen Analysen im Namen der SPD mehr
       verbreitet." In der SPD dürfe "Sarrazin keine Narrenfreiheit genießen."
       Sarrazin habe der Integrationspolitik mit seiner Egomanie einen Bärendienst
       erwiesen.
       
       ## Sarrazin spricht vom "Sieg der Vernunft"
       
       Sarrazin bezeichnete die Einstellung des Verfahrens als "positiven Beitrag
       zu den Wahlchancen der SPD". Der eine oder andere Bürger habe ihm in den
       letzten Tagen schon gesagt, dass er jetzt auch wieder SPD wählen könne,
       erklärte er und fügte hinzu: "Die Einigung war ein Sieg der Vernunft."
       
       26 Apr 2011
       
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