# taz.de -- Kommentar Steuerschätzung: Der Arme ist der Dumme
       
       > Vor allem Verbraucher und abhängig Beschäftigte finanzieren den Staat.
       > Die Kapitalbesitzer hingegen kommen billig davon. Das muss geändert
       > werden.
       
       Die Steuereinnahmen steigen, hat die neueste Schätzung ergeben - aber wer
       zahlt eigentlich für den Staat? Auch darauf findet sich eine Antwort in den
       Daten, und sie lautet kurz zusammengefasst: Es sind vor allem die
       Verbraucher und abhängig Beschäftigten, die den Staat finanzieren. Die
       Kapitalbesitzer hingegen kommen billig davon.
       
       Schon im Detail ist das deutsche Steuersystem sehr merkwürdig. So gehört es
       zu seinen Wundern, dass die Tabaksteuer ungefähr genauso ertragreich ist
       wie die Körperschaftsteuer, die von den Aktiengesellschaften und GmbHs
       gezahlt wird. Wer in die Steuerstatistik blickt, könnte glauben, dass
       Raucher reich sein müssen, da sie doch so viel abliefern wie die großen
       Konzerne.
       
       Dieses bizarre Missverhältnis hat System. Ganz generell gilt, dass vor
       allem die Konsumenten für den Staat aufkommen, indem sie unter anderem
       Mehrwertsteuer, Energiesteuer, Lottosteuer, Tabaksteuer oder
       Versicherungssteuer zahlen. Die Steuern auf Gewinne und Einkommen hingegen
       sinken beständig - und machten zuletzt nur noch 39,2 Prozent der
       Staatseinnahmen aus.
       
       Diese Verschiebung ist dramatisch, denn die Verbrauchsteuern zahlen
       bekanntlich alle. Und alle zahlen den gleichen Satz, Arme wie Reiche.
       
       Offiziell gilt in Deutschland, dass nach Leistungsfähigkeit besteuert
       werden soll. Der technische Begriff heißt "Progression". Doch tatsächlich
       werden die progressiven Einkommensteuern immer unbedeutender.
       
       Die Steuerreformen von Rot-Grün und Schwarz-Rot waren eben nicht folgenlos.
       Es macht sich bemerkbar, wenn der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent
       sinkt - oder wenn Kapitalbesitzer plötzlich nur noch 25 Prozent
       Abgeltungsteuer auf ihre Zinsen und Dividenden zahlen müssen. Deutschland
       ist ungerechter geworden, wie sich bei jeder Steuerschätzung wieder zeigt.
       Die Lösung: Es würde schon reichen, einige der Steuerreformen
       zurückzunehmen.
       
       12 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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