# taz.de -- Besuch bei der Internet-Jugend in Gaza: Die jungen Revoluzzer aus Gaza
       
       > Die Versöhnung zwischen der Fatah und der Hamas gibt auch der
       > rebellischen Jugend im Gazastreifen neue Spielräume. Freiheit ist für sie
       > ein messbarer Begriff.
       
 (IMG) Bild: Berühmt wegen des Facebook-Manifests: Abu Yazan, Abu Ghassan, Samach mit Kopftuch und Rauwan.
       
       GAZA-STADT taz | Sie sind jung, gebildet, ohne Angst, aber frustriert. Die
       Gründer von Gaza Youth Breaks Out (GYBO), die auf dem Weg des Internets die
       Blockade durchbrechen wollen und gleichzeitig gegen die Hamas rebellieren,
       wagen sich mehr und mehr an die Öffentlichkeit.
       
       Mit der Versöhnung zwischen Fatah und Hamas lockere sich der strenge Griff
       der Polizei in Gaza, so glauben sie. "Wir sind früher immer nur einzeln zum
       Interview gegangen", sagt Abu Yazan, der zwar nichts gegen ein Foto hat,
       seinen richtigen Namen aber noch für sich behält. "Damit sie, wenn sie uns
       schnappen, nur einen von uns kriegen."
       
       Diesmal sind sie zu viert gekommen, zwei 24-jährige Männer, die sich als
       Abu Yazan und Abu Ghassan vorstellen, und zwei Frauen: die 30-jährige
       Samach und die um zehn Jahre jüngere Rauwan. Abu Yazan und Samach sind
       bereits mehrmals verhaftet und mit Stockschlägen malträtiert worden.
       
       "Die Polizisten hatten immer viel Spaß mit mir", sagt Abu Yazan mit
       bitterem Lächeln. Gegen die Stockschläge habe er nichts, nur, "wenn sie
       mich ins Gesicht schlagen, flippe ich aus". Günstig für Abu Yazan, dass
       sein Vater "ein hohes Tier bei der Hamas" ist. Der Polizist, der ihn beim
       letzten Mal besonders quälte, musste sich nach Intervention des Vaters bei
       Abu Yazan entschuldigen.
       
       ## "Fuck Israel. Fuck USA"
       
       Vor ein paar Monaten machten die jungen Palästinenser zum ersten Mal auf
       sich aufmerksam. "Fuck Hamas. Fuck Israel. Fuck Fatah. Fuck USA", so ihre
       wütende Botschaft. Das auf Facebook veröffentlichte Manifest der Gruppe
       erklärt, wie die Hamas, die sie in ihrem Text die "Organisation" nennen,
       "alles Lebende, jeden Gedanken und alle Träume tötet". Tausende
       Facebook-Nutzer drückten innerhalb von wenigen Tagen auf die Taste "gefällt
       mir", auch viele Israelis. "Wir haben sie darauf hingewiesen, dass wir auch
       'Fuck Israel' meinen, denn Israel ist unser Feind", sagt Abu Yazan, "damit
       wurden sie etwas ruhiger."
       
       Die jungen Leute sind erklärtermaßen gegen den Einsatz von Gewalt, dennoch
       müsse zuallererst die Besatzung beendet werden. "Alles andere ist sowieso
       nur ein Nebenprodukt der Besatzung", meint Abu Ghazan, "vor allem die
       Spannung innerhalb der palästinensischen Bevölkerung", die Israel stets
       gefördert habe. Mit Hilfe ihrer Internetseite will die Gruppe "am Diskurs
       über Gaza teilhaben", sagt Abu Ghazan, und "nicht länger nur darauf hoffen,
       dass unsere Rettung von anderen kommt".
       
       Darüber, ob ihr Protest die innerpalästinensische Versöhnung vorangetrieben
       hat, wollen die Rebellen nicht spekulieren. Samach glaubt, dass "unsere
       Gruppe" und andere wie die Bewegung des "15. März", die in Ramallah aktiv
       war, "den Druck auf die Parteien erhöht haben".
       
       ## Facebook blockiert die Seite
       
       Besonders in den arabischen Staaten genießen die Studenten aus Gaza
       Sympathie. Dabei haben die jungen Palästinenser längst den Überblick über
       die Reichweite ihrer Aktion verloren. "Wir können nicht kontrollieren, wie
       viele Leute unser Manifest lesen", erklärt Abu Yazan, denn "Facebook hat
       unsere Seite gesperrt". Die Hauptinternetseite der GYBO sei ohne Angabe von
       Gründen blockiert worden und zeigt seither keine neuen "Gefällt mir"-Klicks
       an. "Wir haben uns schriftlich an die Facebook-Betreiber gewandt, aber nie
       eine Antwort erhalten."
       
       Die GYBO-Gründer gehören zu den Privilegierten im Gazastreifen. Fast alle
       ihre Väter beziehen entweder von der Hamas oder von der Palästinensischen
       Autonomiebehörde ein monatliches Gehalt. Die Perspektive, dass die
       innerpalästinensische Versöhnung Abstriche bei den Spenden aus dem Ausland
       zur Folge haben könnte, sollte der Westen am Boykott gegen die Hamas
       festhalten, schreckt die jungen Leute wenig.
       
       "Gebt mir Armut", ruft Rauwan wütend über die internationalen Aufbaugelder,
       mit denen die Palästinenser "nur kaltgestellt werden". Was die Leute in
       Gaza bräuchten, seien keine Nahrungsmittelspenden, "sondern Bücher",
       schimpft die Politologiestudentin und fordert: "Lehrt mich angeln, anstatt
       mir einen Fisch zu geben."
       
       Sie selbst würde am liebsten für eine Weile ins Ausland gehen, um zu
       studieren und anschließend in Gaza "etwas für mein Volk und mein Land zu
       tun". Ägypten hat die Öffnung der Grenzen angekündigt, doch damit ist für
       die jungen Palästinenser die Blockade längst nicht beendet. "Ich bin nicht
       nur Gazaerin, sondern Palästinenserin", sagt Rauwan, die sich für
       Reisemöglichkeiten via Ägypten wenig interessiert. "Mein Volk lebt hier und
       im Westjordanland", sagt sie. Frei werde sie sich erst dann fühlen, wenn
       sie nach Ramallah, nach Bethlehem und Jerusalem reisen kann.
       
       19 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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