# taz.de -- Usbekischer Größenwahn: Der Palastbau zu Taschkent
       
       > Die neue Kongresshalle in der usbekischen Hauptstadt soll rund eine
       > Milliarde Dollar kosten. Am Größenwahn des Präsidenten wollen auch
       > deutsche Firmen verdienen.
       
 (IMG) Bild: Ohne ihn geht nichts in Usbekistan: Präsident Islam Karimow.
       
       ALMATY taz | "Wem gehören die Flüsse, die Blumen und die Dörfer?", fragt
       das Gedicht des usbekischen Poeten Jussuf Dschuma, und der Refrain
       antwortet: "der Tochter". Mehr als drei Jahre saß der Dichter in "Yaslik",
       dem schlimmsten Lager Usbekistans unweit des sterbenden Aralsees, ein. Zwei
       Gefangene wurden dort 2002 mit kochendem Wasser zu Tode gefoltert.
       
       Am 19. Mai wurde Dschuma direkt aus der Gefangenschaft mit Tochter und
       Enkeln in ein Flugzeug Richtung USA gesetzt. Die Freilassung des Dichters
       scheint wie ein Gastgeschenk des am heutigen Dienstag nach Berlin kommenden
       usbekischen Vizeaußenminister Wladimir Norow.
       
       Es wird ein schwieriger Besuch für den usbekischen Diplomaten. Diesmal geht
       es nicht nur um die Militärbasis der Bundeswehr in Usbekistan oder um
       Menschenrechtsverstöße. Es geht vielmehr um Geldforderungen. Forderungen
       aus Deutschland. Deutsche Mittelständler fordern von dem zentralasiatischen
       Staat an der afghanischen Grenze Millionen.
       
       Dienstagabend wird der fließend Deutsch sprechende Usbeke im gediegenen
       Berlin Capital Club ein Dutzend deutscher Unternehmer treffen. Bei Spargel
       und lauwarmem Schokoladenkuchen mit gebrannter Joghurtcreme wird Klaus
       Schweizer Millionen fordern. Schweizer vertritt die Ganter Interior GmbH
       sowie 23 weitere Firmen, die insgesamt mehr als 60 Millionen Euro
       Außenstände einfordern.
       
       Die süddeutsche Ganter Interior GmbH ist weltweit auf luxuriösen
       Innenausbau spezialisiert und sitzt wie die anderen Firmen auch auf den
       unbezahlten Rechnungen, die angefallen sind beim Ausbau der Kongresshalle
       "Dvaretz Forumov" in der usbekischen Hauptstadt Taschkent.
       
       ## Botschaft soll helfen
       
       Der taz liegt ein Schreiben vor, in dem die Mittelständler die deutsche
       Botschaft in Taschkent Ende vergangenen Jahres gebeten haben, "die
       usbekische Regierung in die moralische Verantwortung zu nehmen, um die
       Beteiligten dieses prestigeträchtigen Bauwerks schadlos zu halten".
       
       Der von Säulen gesäumte Kubus mit Kuppel im Zentrum von Taschkent ist ein
       Prunkbau aus Marmor und Swarovskikristallen. Den Innenausbau stemmten 2009
       innerhalb eines halben Jahres deutsche Unternehmen wie die Ganter GmbH und
       die Patchwork GmbH von Mark Tzschoppe mit einem Auftragsvolumen von knapp
       300 Millionen Euro.
       
       "Veranschlagt man hierzu die Kosten der usbekischen und anderen
       ausländischen Firmen sowie den Einkauf des üppig verwendeten Marmors, käme
       man schnell auf eine Milliarde US-Dollar", sagt der 38-jährige Unternehmer
       aus Süddeutschland, "vielleicht sogar mehr." Ein teures Vergnügen.
       Deutschland überwies 2009 und 2010 an Usbekistan 29 Millionen Euro
       Entwicklungshilfe.
       
       Tzschoppe stellte in dem Gebäude zusammen mit Partnern Küchen und eine Bar
       für knapp 13 Millionen Euro auf und lieferte das Tafelsilber. Der
       Unternehmer sitzt noch auf einer Forderung von über 1,5 Millionen Euro.
       
       ## Firmensitz in Zug
       
       Auftraggeber des strahlend weißen Wunderbaus war die auf den ersten Blick
       unscheinbare, 2004 gegründete Zeromax GmbH aus dem Schweizer Kanton Zug.
       Mit 20.000 Schweizer Franken Einlage zeichnen Miradil Dschalalow und dessen
       Ehefrau als Eigentümer. Die Firma handelte mit all den Reichtümern, die aus
       dem usbekischen Boden kommen: Gas, Gold und Baumwolle. Das Unternehmen wies
       eine Bilanzsumme in Milliardenhöhe aus. Jetzt ist die Zeromax in der
       Insolvenz mit Milliarden Euro Schulden auch wegen der exorbitanten
       Baukosten und weil nach der Fertigstellung der Kongresshalle Usbekistan der
       Zeromax untersagte, Gas zu verkaufen.
       
       Das war zuvor das dicke Geschäft. Zeromax lieferte der Gazpromtochter ZMB
       AG für dreistellige Millionenbeträge den flüchtigen Stoff. Damit
       finanzierte Zeromax seit 2005 auch die Geschäfte mit der russischen
       Vertriebsgesellschaft für Pipelines, ETK, die wiederum die Röhren von dem
       ukrainischen Magnaten Achmetow bezog. Der ukrainische Stahlmagnat Achmetow
       ist in der Ukraine der mächtigste Oligarch. Seine auf Zypern registrierte
       SCM hat bei Zeromax eine dreistellige Millionensumme als Schulden. Auch die
       Gazprom Germania soll Forderungen in ähnlicher Höhe haben. War der Besitzer
       der GmbH in Zug, Dschalalow, einfach nur ein schlechter Geschäftsmann?
       
       Daran gibt es Zweifel. Der vierzigjährige Usbeke könnte auch nur ein
       Strohmann gewesen sein. Aus den von WikiLeaks veröffentlichten US-Depeschen
       geht hervor, dass die usbekische Präsidententochter Gulnara Karimowa hinter
       Zeromax steckt. Zeromax und Gulnara Karimowa haben das immer bestritten.
       Die 37-jährige Harvardabsolventin ist seit 2008 usbekische Botschafterin in
       Genf. Ihr Vermögen wird auf bis zu 600 Millionen US-Dollar taxiert. Sie war
       immer geschäftstüchtig. 2002 floh ihr Finanzberater Farhod Inogambajew in
       die USA und erzählte der Financial Times, wie Karimowa Unternehmen aus
       Usbekistan erpresste.
       
       In Usbekistan gibt es anders als in der Ukraine keine unabhängigen
       Oligarchen. Der seit 1989 herrschende Präsident Islam Karimow hält Politik
       und Wirtschaft unter Kuratel. Der 73-jährigen Machthaber ließ zum
       Machterhalt 2005 einen Volksaufstand niederschießen. Ohne des Präsidenten
       Segen kann kein Dschalalow der Welt Gold, Gas und Baumwolle verkaufen.
       
       ## Kein Nutzen
       
       In Taschkent baute Zeromax den Prunkbau ohne einen erkennbaren
       wirtschaftlichen Nutzen. Immer wieder machte der Staat Inspektionen.
       Bauminister und Bürgermeister forderten, noch pompöser zu bauen. Bezahlt
       hat der usbekische Staat für den Palast offenbar nicht - oder zu wenig.
       
       "Ihr tut etwas für mich", umschmeichelte Dschalalow die deutschen
       Unternehmer, erinnert sich Tzschoppe. Der vierzigjährige Zeromaxeigentümer
       wirkte beim Bau der Kongresshalle wie ein Getriebener. In den letzten acht
       Wochen habe sich Dschalalow, der doch auch noch ein Unternehmen mit
       Milliardenumsatz zu leiten hatte, nicht von der Baustelle entfernt. Er
       überwachte die Fertigstellung des Gebäudes von einem Bauwagen aus, in dem
       sich auch einige Flaschen "Château Pétrus" fanden, ein Rotwein, der pro
       Flasche bis zu 5.000 Euro kosten kann.
       
       "Die Zeitvorgaben waren nach deutschen Maßstäben schlicht unrealistisch",
       sagt der Unternehmer. "Wir haben im April begonnen und zum 1. September
       2009 musste die die Halle fertig sein." Die usbekische Hauptstadt feierte
       an diesem Tag den 2200jährigen Geburtstag.
       
       "Allein die Eile," sagt Tzschoppe, "hat den Bau um 30 Prozent wenn nicht
       gar um 50 Prozent verteuert." Täglich brachten Flugzeuge aus Europa
       Material nach Taschkent - bis hin zu Zementsäcken. "Wir bringen Sand per
       Luft in die Wüste", spotteten die deutschen Arbeiter. Zeitweilig arbeiteten
       2.000 Handwerker aus Deutschland in Taschkent.
       
       Sie wohnten in den besten Hotels der Stadt. Kost und Logis zahlte Zeromax
       extra. Zudem versuchte Dschalalow mit Geldgeschenken und Schweizer Uhren
       die Deutschen zu Überstunden zu bewegen. Zusätzlich zu den Deutschen
       schufteten bis zu 4.000 Usbeken am Bau und viele Arbeiter aus allen Ecken
       der Welt. "Es war der Turmbau zu Babel", sagte Tzschoppe. An dem allerdings
       nicht die Menschheit zerfiel, sondern trotz Fertigstellung die Firma
       Zeromax aus Zug.
       
       ## Villa für die Tochter
       
       Damit nicht genug. Zeromax baute im selben Sommer auch für die
       Präsidententochter Karimowa. Wie Quellen, die ungenannt bleiben wollen,
       versichern, habe die Firma deutsche Unternehmer beauftragt, für die
       Präsidententochter eine Villa zu errichten. Nach der Pleite von Zeromax
       verhandeln die deutschen Unternehmer direkt mit Karimowa, denn sie haben
       schon hohe Anschaffungskosten gehabt. Daher die Diskretion. Geschätztes
       Auftragsvolumen: 26 Millionen Euro.
       
       ## Ein echter Modestar
       
       Auch schon früher gab es Verbindungen von der usbekischen
       Präsidententochter zu Zeromax. Die russische ETK, die Pipelines des
       ukrainischen Oligarchen verkauft, machte mit der Firma in der Schweiz seit
       2005 Geschäfte. Und 2006 kreuzten sich die Wege des russischen
       Pipelinedealers mit Gulnara Karimowa in Sachen Mode. Russische Medien
       berichteten über den Einstieg des ETK-Chefs Alexander Karmanow bei dem
       russischen Topdesigner Valentin Judaschkin 2006.
       
       Judaschkin, in Russland ein echter Modestar, verlieh durch seine Präsenz
       der ersten Modewoche Gulnara Karimowas in Taschkent 2006 den nötigen Glanz.
       Die Präsidententochter firmiert seitdem auch als Modeschöpferin und mit
       ihrer Linie Guli reiste sie von New York nach Moskau. Der russische
       Lagerfeld stand der Präsidententochter bei ihren ersten Schritten treu zur
       Seite. Seit 2009 nutzte Gulnara Karimowa den Palast für ihre Modewochen und
       Judaschkin ist immer dabei.
       
       "In einem Land in Asien lebte ein machtvoller Schah, aber dessen Tochter
       war noch mächtiger", beginnt das Gedicht von Dschuma. Die Laune von Gulnara
       Karimowa ist insoweit ungetrübt geblieben. Sie feierte fröhlich auf den
       Filmfestspielen von Cannes. Der Tochter des Schahs gehören ja weiterhin die
       Blumen, die Flüsse und die Dörfer, wie der usbekische Poet dichtet.
       
       24 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marcus Bensmann
       
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