# taz.de -- Reform der Arbeitsmarktinstrumente: Konzentration auf die Fitten
       
       > Die Regierung will Arbeitslose effizienter vermitteln. Die Reform
       > geschehe nur aus Sparzwang, sagt die Opposition. Der Zugang zu
       > Bildungsmaßnahmen wird erschwert.
       
 (IMG) Bild: Aus der Joblosigkeit ins Unternehmertum? Der Wettlauf um Zuschüsse wird härter.
       
       BERLIN taz | Opposition, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften sind sich
       einig: Das Gesetz, das das Kabinett an diesem Mittwoch verabschieden will,
       dient allein dazu, die Leistungen für Arbeitslose zu beschneiden: "Es geht
       nur darum, Kürzungen durchzusetzen", meint etwa Brigitte Pothmer, die
       arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.
       
       Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Instrumente
       reformieren, die Arbeitslosen wieder zu Jobs verhelfen sollen. Mit der
       Reform will sie für mehr "Effektivität und Effizienz" sorgen, detaillierte
       Begründungen gibt es noch nicht. Klar ist aber: Etliche
       Eingliederungsmaßnahmen werden abgeschafft oder zusammengelegt.
       
       Davon betroffen sind Jugendliche und ältere Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger
       und Bezieher von Arbeitslosengeld I. "Die Reform wird die Spaltung auf dem
       Arbeitsmarkt weiter vorantreiben. Schwer vermittelbare Personen werden
       abgehängt", kritisiert Pothmer. Und Anette Kramme, die
       arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD, ergänzt, dass die Reform nicht
       den Arbeitslosen zugutekomme, sondern allein dem "massiven Spardiktat des
       Finanzministeriums" geschuldet sei.
       
       ## Zugangskriterien werden verschärft
       
       Tatsächlich sollen Leistungen, auf die Arbeitslose bisher einen
       Rechtsanspruch hatten, künftig als Ermessensleistung gewährt werden. Zudem
       werden die Zugangskriterien verschärft, etwa beim Existenzgründungszuschuss
       für Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollen, oder bei
       berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, mit denen Jugendliche qualifiziert
       und bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt werden.
       
       Gerade der Existenzgründungsförderung bescheinigte das Institut für
       Arbeitsmarkt- und Berufsforschung "besonders positive Effekte". Doch hier
       soll der größte Teil eingespart werden: 2012 allein knapp über 1 Milliarde
       Euro, obwohl die Gesamtfördersumme im vorigen Jahr bei rund 1,8 Milliarden
       Euro lag.
       
       ## 8,5 Milliarden Euro werden gekürzt
       
       Insgesamt sind es 8,5 Milliarden Euro, um die man die Mittel der
       Bundesagentur für Arbeit von 2012 bis 2014 kürzen will. Diese Einsparungen
       sind Teil des Sparpakets, das die Bundesregierung im Juni vorigen Jahres im
       Zeichen der Wirtschaftskrise beschloss. Schon im laufenden Jahr wurden die
       Eingliederungsleistungen bei Hartz IV um knapp 25 Prozent auf 4,7
       Milliarden Euro reduziert. Für Bezieher von Arbeitslosengeld I sank das
       Budget von 4,2 auf 3,4 Milliarden Euro. Die Crux dabei: Zwar sank die Zahl
       der ALG-I-Bezieher zwischen April 2010 und April 2011 auf 907.000 um rund
       20 Prozent, doch bei Hartz IV gab es nur einen Rückgang von 4 Prozent. Noch
       immer beziehen über 6,5 Millionen Menschen Grundsicherung.
       
       Auch Ältere sind von den neuerlichen Kürzungen betroffen. So werden künftig
       die Fallmanager im Jobcenter entscheiden, ob ein Zuschuss bezahlt wird,
       wenn der Lohn im neuen Job deutlich niedriger ausfällt als im alten. Ganz
       gestrichen werden unter anderem der Qualifizierungszuschuss für Jüngere
       oder die Förderung von Unternehmen, die Auszubildende aus
       Insolvenzbetrieben einstellen.
       
       "Bei der Förderung für Jugendliche wird nichts verbessert, vor allem wird
       versäumt, die vielen Instrumente aufeinander abzustimmen", resümiert Tina
       Hofmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Schwerer wiegt für sie, "dass
       der ganze Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung rasiert wird".
       
       ## Abschiebung ins Sozialgesetzbuch XII
       
       Ob 1-Euro-Jobs, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder die
       Beschäftigungszuschüsse, mit denen als arbeitsmarktfern geltende
       Langzeitarbeitslose eine Tätigkeit vermittelt bekommen: Die Maßnahmen
       werden zeitlich befristet, abgeschafft oder strenger reglementiert. So muss
       die öffentlich geförderte Beschäftigung künftig auch noch
       "wettbewerbsneutral" sein. "Aber wie soll man arbeitsmarktferne Personen an
       den ersten Arbeitsmarkt heranführen, wenn sie nur marktferne, zusätzliche
       Tätigkeiten ausführen dürfen?", fragt Pothmer.
       
       Hofmann befürchtet sogar, dass schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose
       "perspektivisch in das Sozialgesetzbuch XII abgeschoben werden". Dieses
       regelt die Sozialhilfe, also Leistungen für Menschen, die wegen Krankheit
       oder Verrentung als nicht mehr arbeitsfähig gelten. Die Arbeitsagentur
       bestreitet das allerdings: "Wir wollen keinen von einem System ins andere
       schieben", sagt Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Aber in der Grundsicherung
       würden schon die als erwerbsfähig gelten, die mindestens drei Stunden am
       Tag arbeiten könnten. "Egal ob zusammenhängend oder morgens, mittags,
       abends mindestens eine Stunde. Welcher Arbeitgeber bietet denn solche
       Arbeitszeiten? Wir müssen uns auch an der Wirklichkeit orientieren."
       
       25 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
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