# taz.de -- Jugoslawien-Gerichtshof: 60 Verurteilungen in 18 Jahren
       
       > Die Verfahren am Jugoslawien-Gerichtshof sind langwierig, haben aber zur
       > Befriedung auf dem Balkan beigetragen. Die Prozesse gegen Mlaldic und
       > Karadzic werden die letzten sein.
       
 (IMG) Bild: Ein schmuckloser Raum, in dem sich abspielt, was die Politik auf dem Balkan bewegt.
       
       STRASSBURG taz | Das Internationale Jugoslawien-Tribunal in Den Haag ist
       ein gewaltiges Projekt, das rund 1000 Mitarbeiter aus 80 Staaten
       beschäftigt. Jährlich kostet es rund 100 Millionen Euro, die aus dem
       UN-Etat bezahlt werden. Verglichen mit einer Militärintervention ist der
       Gerichtshof jedoch ausgesprochen günstig.
       
       Das Herz des 1993 gegründeten Tribunals sind die 16 Richter aus aller Welt.
       Präsident ist derzeit der Jamaikaner Patrick Robinson. Auch Deutschland
       stellt mit dem ehemaligen Berliner Justizstaatssekretär Christoph Flügge
       einen Richter. Die Anklagebehörde wird seit 2008 von dem Belgier Serge
       Brammertz geleitet.
       
       Das Gericht soll Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit in den Balkan-Kriegen ab 1991 aufklären. Bisher wurden 161
       Personen angeklagt. Von ihnen wurden 64 Personen zu (oft sehr langen)
       Haftstrafen verurteilt, 35 Verfahren laufen noch.
       
       ## Schwierigster Angeklagter: Milosevic
       
       Der bekannteste und vielleicht schwierigste Angeklagte war der ehemalige
       serbische Präsident Slobodan Milosevic. Er war unter anderem wegen
       Völkermords im Bosnien-Krieg angeklagt und stand ab 2002 vor dem Tribunal.
       Milosevic erkannte das Tribunal nicht an, benannte keine Verteidiger, ließ
       sich vom Tribunal aber viele Berater bezahlen. Kurz vor Verkündung des
       Urteils verstarb er 2006 in der Untersuchungshaft.
       
       Zur Zeit ausgesetzt ist der 2009 begonnene Prozess gegen den ehemaligen
       Präsidenten der bosnischen Serbenrepublik Srpska, Radovan Karadzic. Ihm
       soll Gelegenheit gegeben werden, sich ausreichend auf seine Verteidigung
       vorzubereiten. Karadzic wird (wie auch Mladic) vor allem die Deportation,
       Misshandlung, Vergewaltigung und Tötung von bosnischen Muslimen und Kroaten
       in zahlreichen Internierungslagern, insbesondere im Sommer 1992,
       vorgeworfen. Außerdem sollen die beiden für die Tötung von Tausenden
       bosnischer Muslime in und um Srebrenica im Juli 1995 verantwortlich sein.
       
       ## Eher widerwillige Kooperation
       
       Die meisten Angeklagten und Verurteilten waren bisher Serben oder serbische
       Bosnier. Allerdings wurden auch Angehörige aller anderen am Konflikt
       beteiligten Volksgruppen - Kroaten, Kosovaren, muslimische Bosnier -
       verurteilt. Die Balkan-Staaten kooperieren eher widerwillig mit dem
       Tribunal. Die Urteile werden von wütenden Protesten der jeweiligen
       nationalistischen Gruppen begleitet.
       
       Dennoch gilt der Jugoslawien-Gerichtshof unter dem Strich als erfolgreicher
       Beitrag zur Befriedung der Region. "Als 1995 gegen Karadzic und seinen
       General Mladic Haftbefehl erlassen wurde, verschwanden diese bald von der
       politischen Bühne", erinnert sich der ehemalige deutsche
       Jugoslawien-Richter Albin Eser. "Auch die Anklage gegen Milosevic hat den
       Machtwechsel in Serbien vermutlich beschleunigt."
       
       Für viele Opfer war schon die Anerkennung ihres Leidens durch die
       internationale Gemeinschaft eine Genugtuung. Die Prozesse dauern auch
       deshalb lange, weil die Richter die Zeugen oft ausführlicher zu Wort kommen
       lassen, als dies prozessual nötig wäre. So entsteht zugleich aber auch ein
       enormer Schatz an Aussagen, der später von Historikern genutzt werden kann.
       
       ## Abwicklung 2013
       
       Der Jugoslawien-Gerichtshof war 1993 vom UN-Sicherheitsrat eingerichtet
       worden, gemeinsam mit einem Gericht in Arusha (Tansania), das den
       Völkermord in Ruanda aufarbeiten soll. Möglich wurde dies durch das Ende
       des Kalten Kriegs. Zuvor hatte es jahrzehntelang keine internationalen
       Strafgerichte gegeben. Unmittelbares Vorbild waren die
       Kriegsverbrecher-Tribunale nach dem Zweiten Weltkrieg, in Nürnberg und
       Tokio.
       
       Die Prozesse gegen Karadzic und Mladic werden wohl die letzten Prozesse des
       Juguslawien-Tribunals sein, da nun keine Angeklagten mehr flüchtig sind. Ab
       Mitte 2013 soll das Gericht abgewickelt werden und seine Arbeit endgültig
       Ende 2014 abgeschlossen haben.
       
       Als dauerhafte Einrichtung mit weltweiter Zuständigkeit gibt es seit 2002
       aber den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), der ebenfalls in Den
       Haag sitzt. Er hat bisher noch kein Urteil gesprochen, verhandelt derzeit
       aber gegen verschiedene Kriegsherren aus dem Kongo. Der UN-Sicherheitsrat
       beauftragte im Februar den IStGH, mögliche Staatsverbrechen in Libyen zu
       untersuchen. Im Mai wurde Haftbefehl gegen den libyischen Machthaber
       Muammar al-Gaddafi und zwei Familienangehörige erlassen.
       
       3 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Chr. Rath
       
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