# taz.de -- Ratko Mladic vorm UN-Jugoslawien-Tribunal: "Ich habe niemanden getötet"
       
       > Der frühere General der bosnischen Serben gibt sich bei seinem ersten
       > Auftritt in Den Haag provokant. Von den Anklagepunkten will er noch nie
       > gehört haben.
       
 (IMG) Bild: Stechender Blick: General Mladic am Freitag in Den Haag.
       
       DEN HAAG taz | Gut eine Woche nach seiner Verhaftung erschien der ehemalige
       General der bosnisch-serbischen Armee, Ratko Mladic, erstmals vor dem
       Jugoslawien-Tribunal der Vereinten Nationen in Den Haag. Eigentlich ist
       diese Auftaktsitzung eine Formalie, bei der Personenangaben geklärt und
       Teile der Anklageschrift verlesen werden.
       
       In diesem Fall verlief sie turbulenter als üblich: Mladic nannte die ihm
       zur Last gelegten Delikte, unter anderem zweifachen Genozid und Verbrechen
       gegen die Menschlichkeit, "abscheuliche" Taten, von denen er noch nie
       gehört habe. Er verstehe diese "monströsen Worte" nicht, sagte Mladic und
       verbat sich barsch die Verlesung der Anklageschrift. Dazu provozierte er
       ständig Kriegsopfer, die angereist waren und im Publikumsraum den
       Prozessauftakt verfolgten.
       
       Zunächst bekamen jedoch die Spekulationen um den Gesundheitszustand des
       Angeklagten neue Nahrung. Gestützt auf zwei UN-Polizisten, betrat Mladic in
       grauem Anzug, grauem Hemd und karierter Krawatte die Anklagebank. Zur
       Begrüßung von Richter Alphons Orie schien er sich kaum erheben zu können.
       In militärischem Habitus schlug er die linke Hand an den Schirm seiner
       grauen Mütze.
       
       "Ich bin General Ratko Mladic", begann er. "Ich bin ein schwer kranker
       Mann." Viel war in den vergangenen Tagen über seine vermeintliche
       Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs diskutiert worden. Die serbische
       Staatsanwaltschaft hält die Diagnose eines Belgrader Krankenhauses für eine
       Fälschung.
       
       Tatsächlich sieht der Mann, dem die schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa
       seit 1945 zur Last gelegt werden, deutlich gezeichnet aus. Die untersetzte
       Statur ist verschwunden, das aufgequollene Gesicht von früher ein- und
       seine Haare beinahe ausgefallen. Nur der stechende Blick, mit dem General
       Mladic, verrufen als "Schlächter des Balkan", zu einer Art Personifizierung
       der bosnischen Grausamkeiten wurde, ist geblieben.
       
       ## Verantwortlich für die Ermordung von bis zu 8.000 Männern
       
       Zu spüren bekam das am Freitag zunächst die fünfköpfige Delegation der
       "Mütter von Srebrenica", die hinter einer Glasscheibe der Sitzung folgten.
       Verzog Mladic bei der Verlesung der Anklagepunkte kaum eine Miene, drehte
       er während der restlichen anderthalb Stunden regelmäßig den Kopf und
       blickte sekundenlang mit heruntergezogenen Mundwinkeln in ihre Richtung,
       grinste hämisch oder nickte.
       
       Axel Hagedorn, Anwalt der Opfervereinigung, erwartete bereits vor dem
       Auftakt der Sitzung einen "sehr emotionalen Tag". Mehrere seiner
       Mandantinnen hätten den Angeklagten im Juli 1995 vor Ort in Srebrenica
       gesehen, als ihre Angehörigen deportiert wurden. Die Ermordung von bis zu
       8.000 männlichen Bewohnern der muslimischen Enklave in Bosnien nimmt in der
       37-seitigen Anklageschrift einen prominenten Platz ein.
       
       Die Anklage des Jugoslawien-Tribunals führt die Ereignisse von Srebrenica
       als separaten Genozid-Punkt, neben dem allgemeinen Vorwurf des Völkermords,
       unter dem sie zahlreiche Kriegsverbrechen zwischen 1992 und 1995 zusammen
       fasst.
       
       Mit zunehmender Dauer der Sitzung empörten sich die extra angereisten Opfer
       immer häufiger und beschimpften Mladic lautstark als "Monster". Eine
       Vertreterin erklärte, sie wünsche dem Angeklagten ein langes Leben in Haft,
       damit er viel Zeit habe, um sich der Morde und Vergewaltigungen seiner
       Armee zu erinnern.
       
       ## Aufgebrachte Mütter von Srebrenica
       
       Während die Mütter von Srebrenica fast im Minutentakt von den
       Sicherheitskräften des Tribunals zur Ruhe gemahnt wurden, brach Mladic im
       Gerichtssaal immer wieder in teilweise groteske Rechtfertigungen aus: "Ich
       bin ein freier Mann. Ich habe niemanden getötet, wie in Libyen oder in
       Afrika. Ich habe nur mein Land und mein Volk verteidigt."
       
       Die Anklage, die der Vorsitzende Richter Alphons Orie verlas, sieht die
       individuelle Verantwortung Mladics als höchstes Mitglied der
       bosnisch-serbischen Armee in insgesamt elf Punkten als erwiesen an. Dazu
       zählen neben Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch
       die Belagerung Sarajevos und die Geiselnahme von über 200 UN-Beobachtern
       1995.
       
       "Ich muss das gut durchlesen", reagierte Mladic auf die Vorwürfe. Er habe
       keine Muslime und Kroaten umgebracht. Der Vorsitzende Richter ordnete noch
       eine Überprüfung des Geburtsjahrs von Mladic an, der auf 1943 beharrt,
       während in den Gerichtsakten von 1942 die Rede ist.
       
       Wie erwartet, bekannte sich Mladic, der von einem Pflichtverteidiger des
       Tribunals begleitet wurde, am Ende der eine Stunde und vierzig Minuten
       dauernden Sitzung weder schuldig noch unschuldig. Für eine Erklärung hat er
       nun 30 Tage Zeit. Allerdings forderte Mladic mehr als diese 30 Tage, um
       seine Verteidigung vorzubereiten. Am vierten Juli wird das Verfahren
       fortgesetzt.
       
       3 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
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