# taz.de -- Niederschlagung der Proteste in Syrien: Türkei setzt sich von Assad ab
       
       > Die Regierung in Ankara geht angesichts der Flüchtlingsströme auf Distanz
       > zum Präsidenten in Damaskus. Sie macht Pläne für eine Schutzzone jenseits
       > der Grenze.
       
 (IMG) Bild: Ein syrisches Mädchen an der türkischen Grenze.
       
       ISTANBUL taz | Die Türkei bereitet sich auf eine neue Politik gegenüber
       Syrien vor. Während an der türkisch-syrischen Grenze jeden Tag fast 1.000
       neue Flüchtlinge eintreffen, insgesamt sind es jetzt rund 9.000, wird in
       Ankara intensiv über mögliche türkische Reaktionen auf die dramatische
       Situation in Syrien diskutiert.
       
       Am Dienstag telefonierte der wiedergewählte türkische Ministerpräsident
       Tayyip Erdogan erneut mit dem syrischen Präsidenten Baschir al-Assad, um
       ihn dazu zu bewegen, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten im
       Nachbarland zu beenden. Dabei soll Erdogan gefordert haben, dass Assad
       seinen Bruder Maher von seinem Posten entlässt. Maher al-Assad befehligt
       die Eliteeinheiten, die derzeit in Nordsyrien von Stadt zu Stadt ziehen und
       dabei eine breite Blutspur hinterlassen. Das Gespräch habe jedoch zu keinem
       Ergebnis geführt.
       
       Am Mittwochabend traf ein Sondergesandter von Assad, Hasan Turkmani, in
       Ankara ein, der Erdogan angeblich erläuterte, wie Assad den in die Türkei
       geflüchteten Syrern eine Rückkehr ermöglichen will. Zuvor hatte der
       türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu die Flüchtlinge auf der türkischen
       Seite der Grenze besucht. Zusätzlich zu den bestehenden beiden
       Flüchtlingslagern baut der türkische Rote Halbmond derzeit zwei weitere
       Zeltstädte auf, um so vier Einzugsgebiete für Flüchtlinge entlang der fast
       900 Kilometer langen Grenze zu schaffen. Nach den Flüchtlingslagern in
       Hatay im Westen der Grenze werden nun Lager bei Mardin weiter im Osten
       errichtet.
       
       Nach Informationen türkischer Medien haben viele Syrer, die aus Angst ihre
       Dörfer verlassen haben, bislang die Grenze noch nicht passiert, sondern
       halten sich noch in Dörfern auf syrischem Territorium auf. Davutoglu
       versicherte Vertretern der Flüchtlinge, die Türkei würde die Grenze auf
       keinen Fall schließen, sondern alle Syrer, die dies wünschen, als Gäste
       aufnehmen.
       
       ## Soldaten mit langen Bärten
       
       Allerdings werden in Ankara Pläne durchgespielt, dass die Armee
       intervenieren könnte, um eine Schutzzone auf der syrischen Seite zu
       errichten, sollten die Zahlen der Flüchtlinge 100.000 Menschen übersteigen.
       Donnerstag fand ein Treffen aller türkischen Botschafter aus den arabischen
       Staaten und dem Iran in Ankara statt, um die Entwicklung in der Region zu
       diskutieren. Türkische Medien berichten, dass Erdogan und Davutoglu kaum
       noch Hoffnungen haben, dass Assad die Krise bewältigen kann.
       
       Sie fürchten, dass sich der Konflikt in einen religiösen Bruderkrieg
       zwischen der Mehrheit der sunnitischen Bevölkerung und der alevitischen
       Minderheit, die in Syrien von der Präsidentenfamilie bis zu den
       Schaltstellen in Armee und Geheimdienst, die wichtigsten Posten
       kontrolliert, ausweiten könnte. Assad würde dann endgültig die Kontrolle
       verlieren.
       
       Für diese Befürchtung spricht, dass sich der Iran offenbar bereits aktiv
       aufseiten der Aleviten in den Konflikt eingeschaltet hat. Flüchtlinge
       berichteten von iranischen Soldaten, die die Eliteeinheiten des
       Präsidentenbruders Maher al-Assad unterstützen würden. "Wir haben Soldaten
       mit langen Bärten gesehen, die kein Wort Arabisch sprachen", berichteten
       sie türkischen Korrespondenten, die Verwundete in Krankenhäusern in Antakya
       besuchten. Und in iranische Medien wird die "sunnitische Türkei"
       beschuldigt, den Konflikt in Syrien zu schüren, um die Aleviten zu stürzen.
       Danach hätte die Türkei "syrischen Banden Waffen geliefert" und würde
       einige Gruppen sogar zum Aufstand anleiten. 
       
       Der einflussreiche Kolumnist der regierungsnahen Zeitung Yenisafak, Ibrahim
       Karagül, analysierte die Auseinandersetzung in Syrien als eine weitere
       Runde im Kampf zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, nach Bahrain und dem
       Jemen. Iran würde alles tun, um Assad zu halten. Die Türkei müsse dagegen
       versuchen, den Konflikt einzudämmen, sonst würde sie nicht nur ihre Rolle
       als Moderator in der Region verlieren, sondern könnte in einen
       militärischen Konflikt hineingezogen werden.
       
       16 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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