# taz.de -- Ratingagenturen urteilen über Griechenland: Fast unbegrenzte Macht
       
       > Es ist ein riskantes Spiel: In der Diskussion über die Umschuldung
       > Griechenlands üben die Ratingagenturen nach wie vor enormen Einfluss aus.
       
 (IMG) Bild: Abhängig von den großen Ratingagenturen: der griechische Euro.
       
       Jede Suche nach einer Lösung für Griechenland endet schnell bei der immer
       gleichen Frage: Was werden die drei Ratingagenturen aus den USA dazu sagen?
       Denn Standard & Poor's, Moody's und Fitch haben fast unbegrenzte Macht. Ihr
       Votum entscheidet, wie sich Investoren, Geschäftsbanken und die Europäische
       Zentralbank (EZB) verhalten.
       
       Konkret nehmen die Ratingagenturen über vier Kanäle Einfluss. Erstens: Sie
       bewerten die Schulden, die der griechische Staat in Form von Staatsanleihen
       aufgenommen hat. Sobald sie diese Staatsanleihen herabstufen, weil sie
       einen Zahlungsausfall für denkbar halten, steigen umgekehrt die
       Risikoprämien, die private Anleger verlangen. Inzwischen liegen die
       geforderten Renditen für griechische Staatsanleihen bei etwa 18 Prozent.
       Das kann kein Staat aufbringen, ohne auf den Bankrott zuzusteuern.
       
       Da die privaten Anleger als Kapitalgeber also ausfallen, ist Griechenland
       auf weitere Hilfen von der EU und vom Internationalen Währungsfonds (IWF)
       angewiesen. Inzwischen wird der griechische Kapitalbedarf auf weitere 120
       Milliarden Euro geschätzt.
       
       Zweitens: Eine Herabstufung durch die Ratingagenturen trifft nicht nur
       Griechenland - sondern indirekt auch alle Banken, die sich stark in
       Griechenland engagiert haben. So hat Moody's kürzlich gewarnt, dass die
       drei französischen Großbanken BNP Paribas, Société Générale und Crédit
       Agricole schlechtere Bonitätsnoten erhalten könnten. Für die drei Banken
       würde ein schlechteres Rating teuer: Sie müssten auf dem Interbankenmarkt
       höhere Zinsen zahlen, um sich zu refinanzieren.
       
       Drittens: Bisher haben die Ratingagenturen Griechenland nur auf
       Ramschniveau heruntergestuft. Doch sie drohen damit, sogar die Note D zu
       vergeben und damit einen "Zahlungsausfall" zu deklarieren, falls es zu
       einer Umschuldung Griechenlands kommt, bei der auch die privaten Gläubiger
       beteiligt werden. Diese gefürchtete Note D könnte dann ein "Kreditereignis"
       auslösen: Die Kreditausfallversicherungen (CDS) würden fällig, die auf
       griechische Staatsanleihen abgeschlossen wurden.
       
       Eine solche CDS-Lawine ist jedoch riskant, weil die Rückkoppelungen auf den
       Finanzmärkten unkalkulierbar wären. Also dringen die meisten EU-Chefs auf
       eine Umschuldung, die absolut freiwillig wäre und bei der sich die
       beteiligten Banken nur verpflichten, ihre griechischen Staatsanleihen zu
       erneuern, wenn diese fällig sind. Fitch hat bereits signalisiert, dass eine
       solche freiwillige Umschuldung nicht als "Zahlungsausfall" gewertet würde.
       
       ## Keine Zustimung für Umschuldung
       
       Verlierer in diesem Poker um die Zustimmung der Ratingagenturen ist
       Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): Er konnte sich bisher in der
       Eurozone nicht mit seiner weitergehenden Vorstellung von einer Umschuldung
       durchsetzen, bei der die Laufzeit aller griechischen Staatsanleihen um
       sieben Jahre verlängert worden wäre. Nun sollen die Verhandlungen über das
       endgültige Rettungspaket für Griechenland in den Juli vertagt werden.
       
       Viertens: Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wäre betroffen, falls die
       Ratingagenturen einen "Zahlungsausfall" bei den griechischen Staatsanleihen
       konstatieren. Denn dann könnte die Notenbank griechische Staatsanleihen
       nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren - dies ist zumindest die gemeinsame
       Deutung von EZB-Chef Jean-Claude Trichet und Bundesbank-Chef Jens Weidmann.
       Wenn griechische Staatsanleihen aber nicht mehr als Sicherheiten gelten,
       könnten griechische Banken kaum noch EZB-Geld erhalten. Sie wären
       zahlungsunfähig.
       
       Der Einfluss der Ratingagenturen ist nicht unumstritten. Inzwischen fordern
       diverse Politiker, Ökonomen und Nichtregierungsorganisationen, dass die
       US-Ratingagenturen entmachtet werden sollten. So schlägt das
       globalisierungskritische Netzwerk Attac vor, "endlich eine unabhängige
       europäische Ratingagentur zu schaffen".
       
       17 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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