# taz.de -- Islamismus in Deutschland: Die Anziehung der Salafisten
       
       > Wenn Gott zum Gesetzgeber wird: Salafismus ist "die zurzeit dynamischste
       > islamistische Bewegung in Deutschland", warnt ein Gutachten von
       > Verfassungsschützern.
       
 (IMG) Bild: Beraten über Islamismus: Innenminister aus Bund und Ländern
       
       BERLIN taz | Das Attentat auf zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen vor
       dreieinhalb Monaten gilt als das erste islamistisch motivierte Attentat in
       Deutschland. Auch wenn die Hintergründe nach wie vor nicht ganz aufgeklärt
       sind, steht fest: Der 21-jährige Todesschütze Arid U. alias "Abu Reyyan"
       hatte zumindest virtuellen Kontakt zu einer ganzen Reihe von salafistischen
       Gruppen und Predigern.
       
       Wenn sich von Dienstag an nun in Frankfurt die Innenminister von Bund und
       Ländern zusammensetzen, werden sie sowohl über das Attentat von Arid U. als
       auch über den Salafismus reden. Verfassungsschützer haben für die Konferenz
       der Innenminister ein 63-seitiges "Gutachten zur Verfassungsfeindlichkeit
       salafistischer Bestrebungen" zusammengestellt, das der taz vorliegt. Der
       Salafismus sei "die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung" in
       Deutschland, heißt es dort, und übe "eine beträchtliche Anziehungskraft auf
       Konvertiten und muslimische Migranten der zweiten und dritten Generation
       aus".
       
       Das Gutachten der Verfassungsschützer von Bund und Ländern versteht sich
       als "Gesamtschau" der Szene und ihrer Ideologie. Dafür wurden Textauszüge
       zusammengetragen, die auf salafistischen Veranstaltungen oder über das
       Internet verbreitet werden, dazu kommen Aussagen wichtiger Vertreter des
       deutschen Salafismus wie Pierre Vogel, Ibrahim Abou Nagie und Abdellatif
       Rouali.
       
       ## Gott als Gesetzgeber
       
       "Kernelemente der salafistischen Ideologie", so das Fazit der
       Verfassungsschützer, stünden im "Widerspruch zur freiheitlichen
       demokratischen Grundordnung". So lehnten Salafisten die gewählten
       Volksvertreter als Götzen ("tawaghit") ab und akzeptierten nur Gott als
       Gesetzgeber. Ihr Ziel sei es, den säkularen Rechtsstaat durch eine
       islamische Rechtsordnung zu ersetzen. So rechtfertigten Salafisten etwa die
       Todesstrafe für Homosexuelle sowie das Züchtigen von Frauen durch Schläge.
       "Sie soll sich nicht weigern, wenn er mit ihr schlafen will", heißt es in
       einem zitierten Text.
       
       Auch das Attentat von Arid U. am 2. März in Frankfurt wird in dem Gutachten
       erwähnt - als Beleg dafür, dass die Ideologie der Salafisten "den Nährboden
       für eine islamistische Radikalisierung und ggf. Rekrutierung für den
       militanten Dschihad bilden" könne. An anderer Stelle wird allerdings darauf
       verwiesen, dass "der weitaus größte Teil" der Salafisten in Deutschland
       "die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele in Deutschland"
       ablehne. Außerdem bestünden zwischen den verschiedenen Flügeln - von
       politisch-missionarisch bis dschihadistisch-gewaltbefürwortend - bei vielen
       Gemeinsamkeiten auch "starke Rivalitäten". Ein Zusammenschluss "in einer
       Struktur" sei nicht zu erwarten.
       
       Für das Gutachten wurden nur gerichtsverwertbare Belege zusammengetragen.
       Es soll Behörden und Gerichten eine "verfassungsschutzrechtliche
       Einordnung" liefern, etwa bei Einbürgerungsverfahren. Aber auch bei
       anvisierten Vereinsverboten könnte es eine Rolle spielen. Als mögliche
       Verbotskandidaten gelten "Die Wahre Religion", das "Islamische
       Kulturzentrum Bremen", "Dawa FFM" und "Einladung zum Paradies". Deren
       Vertreter werden allesamt in dem 63-seitigen Gutachten erwähnt.
       
       17 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Terror im Netz: Aus für deutsche Dschihad-Seiten
       
       Lange haben die Behörden zugesehen, jetzt werden die Betreiber zweier
       Dschihad-Seiten festgenommen. Auch der Frankfurter Attentäter soll sich
       dort Videos angeschaut haben.
       
 (DIR) Anklage gegen Arid U.: Mit dem iPod in den Dschihad
       
       Arid U. soll zwei US-Soldaten ermordet haben. Auf dem Weg zum Attentat
       hörte er dschihadistische Kampflieder. Er hatte eine Pistole dabei, aber
       auch sein Pausenbrot.
       
 (DIR) Attentat auf Frankfurter Flughafen: Anklage gegen Arid U.
       
       Der mutmaßliche Todesschütze von Frankfurt wird angeklagt. Er war nach
       taz-Informationen weit stärker durch Dschihad-Propaganda beeinflusst als
       bisher bekannt.
       
 (DIR) Treffen mit Muslim-Verbänden: Gipfel gegen Gewalt
       
       Der Innenminister hat Vertreter muslimischer Verbände geladen. Es geht um
       Rezepte gegen islamistische Radikalisierung. Dafür muss der CSU-Mann viel
       Kritik einstecken.
       
 (DIR) Gegen islamistische Radikalisierung: Friedrich lädt zum Präventionsgipfel
       
       Der Innenminister will Radikalisierungstendenzen von deutschen Jugendlichen
       besser bekämpfen. Dazu will die Regierung enger mit muslimischen Verbänden
       zusammenarbeiten.
       
 (DIR) Islamist Philips ausgewiesen: Der predigende Homohasser
       
       Bilal Philips befürwortet in Videos die Todesstrafe für Schwule und Lesben.
       Der Salafisten-Prediger soll einst Kommunist gewesen sein. Jetzt propagiert
       er einen ultrafrommen Urislam.
       
 (DIR) Radikal-islamistische Salafisten: Prediger muss Deutschland verlassen
       
       Hetzparolen gaben die radikal-islamistischen Prediger Bilal Philips und
       Pierre Vogel in Frankfurt nicht von sich. Dennoch muss der umstrittene
       Salafist Philips Deutschland verlassen.
       
 (DIR) Neues Terror-Heft: Al-Qaida lobt deutschen Attentäter
       
       Anfang März erschoss Arid U. am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten.
       Eine "mutige" Tat, jubelt Al-Qaida in der neuesten Ausgabe ihrer
       Terrorpostille "Inspire".