# taz.de -- Neuer Sitz des Aufbau Verlags: Wundertüte für gehobene Ansprüche
       
       > Inklusive Theater, Kindergarten und Kreativzentrum: Der neue Sitz des
       > Aufbau Verlags in Berlin-Kreuzberg gleicht einem Raumschiff für Handwerk
       > und Lebenskunst.
       
 (IMG) Bild: Ein neues Kunst- und Kommunikationszentrum mit rund 50 Mietern: Am Freitag wurde das neue Aufbau Haus in Berlin-Kreuzberg vorgestellt.
       
       BERLIN taz | Mit erlesenen Häppchen aus einer Essensmanufaktur, einer
       Vorführung im Messerschmieden, Lesungen und Konzerten begann am Freitag das
       dreitägige Eröffnungsfest des Aufbau Hauses im Berliner Stadtteil
       Kreuzberg. Der neue Sitz der Aufbau Verlagsgruppe am Moritzplatz war früher
       einmal die Produktionsstätte der berühmten Bechstein-Flügel. Nach
       umfangreichen Um- und Neubauten ist aus dem 70er-Jahre-Betonklotz ein
       lichter, 17.000 Quadratmeter großer Kreativkomplex geworden, der neben den
       Verlagen Aufbau und Blumenbar eine Buchhandlung, ein Theater, einen
       Kindergarten und ein Kreativzentrum des Materialhändlers Modulor umfasst.
       
       Dass bei der Eröffnung dieser Wundertüte so viel Zunft und Design zu
       erleben war und so wenig Literatur, lag daran, dass sich der Aufbau Verlag
       kurzfristig von den Feierlichkeiten abgekoppelt hatte. Weil die
       Verlagsräume noch keine Brandschutzfreigabe erhielten, feiert man das
       offizielle Verlagssommerfest nun separat im September - so jedenfalls die
       offizielle Begründung. Vielleicht wollte sich Aufbau-Chef Matthias Koch der
       literarischen Welt auch erst dann präsentieren, wenn die Zukunft des
       Frankfurter Eichborn Verlags entschieden ist.
       
       Die Insolvenz des Frankfurter Verlags, der nach dem Willen des
       Anteilseigners Koch ins Aufbau Haus einziehen sollte, überschattete aber
       auch so die Einzugsparty. Er hoffe noch immer darauf, das Eichborn-Programm
       fortführen zu dürfen, sagte Koch in seinem Büro im vierten Stock. Die für
       den Verlag reservierten Räume halte man weiter frei - es gebe jedoch genug
       andere Bewerber.
       
       Dass das Aufbau Haus schon seit der Bauphase eine bei der Berliner
       Kreativwirtschaft begehrte Mietadresse ist, liegt am unermüdlichen
       Engagement der Modulor-Macher. Die Inhaber des Materialgroßhändlers für
       Architekten hatten zuerst die Vision von einem Haus, das verarbeitendes
       Gewerbe, altes Handwerk und modernes Design zusammenbringt - und dabei
       hinausstrahlt in die Kreuzberger Umgebung. Den tristen Moritzplatz an der
       Nahtstelle zwischen Kreuzberg und Mitte neu zu beleben war das Anliegen des
       rührigen Wendländers Andreas Krüger und seiner ehemaligen Mitstudenten, die
       mit dem Modellbau-Fachhandel ein erfolgreiches Business gegründet hatten.
       Um den aufwendigen Umbau des Bechstein-Hauses zu finanzieren, tat man sich
       mit dem Kaufmann Matthias Koch zusammen, der seit 2008 Besitzer des Aufbau
       Verlags ist.
       
       Das Haus gehört zur Hälfte Modulor, zur anderen Hälfte Koch - auch bei der
       Bespielung der Fläche verfährt man nach dem Halbe-halbe-Prinzip: Der
       "Planet Modulor" belegt vier Geschosse, rund um den Mitnahmemarkt
       gruppieren sich Dienstleister wie eine Fräserei, eine Druckerei, eine
       Mosaikwerkstatt und ein Nähinstitut. In der anderen Hälfte des Gebäudes
       verwirklicht Matthias Koch seinen Traum von einer Buchhandlung mit offenem
       Übergang zum Café und einem Theater mit sozialem Anspruch, das gleichzeitig
       mit dem trendigen Club des Blumenbar Verlags zusammen wirken soll.
       
       Dass die Interessen der beiden Hauseigentümer nur bedingt harmonieren,
       merkt man beim Rundgang schnell. Während Modulor-Sprecher Krüger das
       Bodenständige betont und von einem "bedingungslosen Raum ohne Konsumzwang"
       träumt, freut sich Koch über die Buchhandlung im hölzern-roten
       Aufbau-Design und die gut vermieteten Boxen im Neubau, in denen sich
       Türklinkendesigner, Fotostudios und Designläden im gehobenen Preissegment
       aneinanderreihen.
       
       Nach der Verkostung mecklenburgischer Kräuteröle und dem Rundgang durch
       Räume, in denen künftig Kurse für Käsegenuss und Goldschmiedearbeiten
       angeboten werden sollen, ist man dann doch verwundert darüber, wie gediegen
       das Ganze geraten ist. Von der ursprünglich geplanten Öffnung hin zum
       rauen, von sozialem Wohnungsbau und Migration geprägten Kiez ist nichts
       mehr zu spüren. Im Gegensatz zu den Prinzessinnengärten, die gleich
       gegenüber eine Brache bespielen, wird das Aufbau Haus wohl kein Treffpunkt
       für die türkischstämmigen Jugendlichen oder alternativ geprägten
       Kreuzberger werden.
       
       Vom geplanten frei begehbaren Vorbau mit Sitzbänken ist als Raum für
       Begegnung nur eine Freitreppe zwischen Alt- und Neubau geblieben. Dafür
       spielt man, wohlpositioniert zwischen Zeitungsviertel und dem belebten
       Oranienstraßen-Kiez, ein bisschen Manufactum. Und leistet sich mit einer
       Galerie für Roma-Kunst und einem Qualifizierungsprojekt für Jugendliche
       etwas Street Credibility. Eine Bereicherung für die Gegend wird das Aufbau
       Haus trotzdem sein - etwas mehr Unkonventionalität hätte dem Projekt aber
       nicht geschadet.
       
       19 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Apin
       
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