# taz.de -- Schuldenkrise in Griechenland: Tag der Wahrheit in Athen
       
       > Finanzhilfe gibt es nur, wenn Regierungschef Papandreou die Abstimmung
       > Dienstagabend im Parlament übersteht. Mit Streiks und Demos sollen die
       > Sparbeschlüsse gekippt werden.
       
 (IMG) Bild: Ministerpräsident George Papandreou: Auch über sein politisches Schicksal wird Dienstagabend entschieden.
       
       ATHEN/BRÜSSEL rtr/afp/dpa | Vor der Vertrauensabstimmung im griechischen
       Parlament über die politische Zukunft von Ministerpräsident Giorgos
       Papandreou machten die Griechen am Dienstag mit Streiks und Demonstrationen
       erneut mobil. Die Abstimmung ist für den späten Abend angesetzt.
       
       Zuvor hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso an das
       Verantwortungsbewusstsein der Parlamentsabgeordneten appelliert. Die
       nächste Kreditrate für das Land werde erst überwiesen, wenn das Parlament
       in Athen den neuen Sparbeschlüssen der Regierung zugestimmt habe, betonte
       Barroso noch einmal nach einem Treffen mit Papandreou am Montagabend in
       Brüssel.
       
       Sollte der Regierungschef scheitern, wäre das Land kaum noch vor einer
       Pleite zu retten. An den Märkten überwog allerdings die Hoffnung, dass
       Papandreou die Abstimmung gewinnen würde und damit ein weiteres Sparpaket
       durchsetzen kann, das Voraussetzung für neue Milliardenhilfen ist.
       
       Beobachter rechnen damit, dass Papandreou bei der Abstimmung die benötigten
       151 Stimmen der insgesamt 300 Abgeordneten erhält. Seine sozialistische
       Partei PASOK verfügt im Parlament über 155 Abgeordnete, unter denen jedoch
       auch Kritiker des Sparkurses sind. Mit Stimmen aus der konservativen
       Opposition kann Papandreou nicht rechnen.
       
       Papandreou hatte angesichts der wachsenden Proteste gegen den Sparkurs
       vergangene Woche das Kabinett umgebildet. Wenn er vom Parlament das
       Vertrauen ausgesprochen bekommt, muss der Regierungschef nächste Woche eine
       weitere Abstimmung überstehen, um die neuen Einsparungen durchzusetzen.
       
       Dies ist Voraussetzung dafür, dass die Euro-Finanzminister die dringend
       benötigten zwölf Milliarden Euro freigeben, mit denen Griechenland bis
       Mitte Juli seine Schulden bedienen muss. Im Parlament hat Papandreous
       sozialistische Regierung eine Mehrheit von fünf Stimmen.
       
       ## Euro und Dax legen zu
       
       In Frankfurt herrschte am Dienstagmorgen Optimismus vor. Der Euro stieg auf
       1,4370 Dollar nach 1,4305 Dollar im späten Vortagesgeschäft. Anleger
       könnten ihre Sichtweise aber auch sehr schnell wieder ändern, warnte ein
       Händler. "Die grundsätzliche Einstellung vieler Investoren ist, wegen der
       Zinsvorteile (gegenüber dem Dollar) auf den Euro zu setzen", sagte
       Volkswirt Seiya Nakajima von Itochu Corp. "Aber sie verabschieden sich
       sofort vom Euro, wenn sie den Eindruck haben, dass sich das aus der
       Schuldenkrise ergebende Risiko zu groß wird." Der Dax notierte im frühen
       Handel rund 0,8 Prozent im Plus.
       
       Die zwölf Milliarden Euro werden benötigt, um im Juli auslaufende
       Staatsanleihen zu bedienen. Der Betrag ist die nächste Tranche aus dem
       ersten Rettungspaket im Gesamtvolumen von 110 Milliarden Euro. Dies reicht
       allerdings bei weitem nicht aus, um die Griechenland-Krise zu bewältigen,
       weshalb EU und IWF bereits an einem zweiten Rettungspaket arbeiten, für das
       Kreisen zufolge bis zu 120 Milliarden Euro benötigt werden.
       
       Vor allem Deutschland dringt dabei auf eine Beteiligung privater
       Investoren. Die Euro-Finanzminister haben sich darauf verständigt, dass
       dieser Beitrag freiwillig sein muss, damit es nicht zu einem sogenannten
       Kreditereignis kommt.
       
       In diesem Fall wäre faktisch eine Zahlungsausfall Griechenlands
       festzustellen mit nicht absehbaren Reaktionen an den Finanzmärkten. Die
       Ratingagentur Fitch machte allerdings deutlich, dass sie auch einen
       freiwilligen Tausch griechischer Staatsanleihen als Zahlungsunfähigkeit des
       Landes einstufen würde. Der Weg eines "freiwilligen Tauschs" gilt derzeit
       als wahrscheinlichste Lösung.
       
       Vorbild ist die "Wiener Initiative": Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise
       hatten sich österreichische Banken als Gläubiger osteuropäischer Länder
       2009 darauf verständigt, Anleihen der Staaten nach Ende der Laufzeit in
       neue Papiere umzutauschen und damit nicht zu verkaufen.
       
       ## Banken wollen sich beteiligen
       
       Die deutschen Banken halten nach Verbandsangaben griechische
       Schuldenpapiere im Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro. Der
       Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael
       Kemmer, bekräftigte im Deutschlandfunk die Bereitschaft der Banken, sich
       auf freiwilliger Basis an einem Rettungspaket für Griechenland zu
       beteiligen. "Wenn die Bedingungen stimmen, stehen die privaten Gläubiger
       sicher zur Verfügung." Eine "denkbare Möglichkeit" wären staatliche
       Garantien zur Absicherung eines weiteren Engagements der Banken in
       Griechenland. Alle Beteiligten müssten sich daher nun an einen Tisch
       setzen, um über die Rahmenbedingungen zu verhandeln.
       
       Die Industrie sorgt sich wegen der Schuldenkrise um die Zukunft der
       Gemeinschaftswährung. 50 deutsche und französische Spitzenmanager warnten
       in ganzseitigen Zeitungsanzeigen vor einem Scheitern des Euros und
       forderten weitere Finanzhilfen für hoch verschuldete Länder. "Kurzfristig
       muss diesen von der Verschuldungskrise betroffenen Ländern finanziell
       geholfen werden, damit sie ihre finanzielle Unabhängigkeit zurückgewinnen
       und sich für die Bevölkerung dort eine bessere Zukunftsperspektive
       einstellt."
       
       Zu den Unterzeichnern gehören etliche Vorstandsvorsitzende deutscher
       Großkonzerne wie Siemens, BASF, E.ON, Deutsche Telekom und Daimler. Die
       deutsche Industrie profitiert aufgrund ihrer hohen Exportquote besonders
       stark von der Gemeinschaftswährung.
       
       Neben weiteren Hilfen braucht Griechenland nach Einschätzung von
       Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aber auch Wachstumsperspektiven.
       Dazu könne man die Mittelmeerländer in die Energiewende integrieren.
       "Griechenland hat eine viel höhere Anzahl von Sonnenstunden im Jahr als wir
       in Deutschland und könnte Strom zu uns exportieren", sagte der
       CDU-Politiker der Wochenzeitung Die Zeit.
       
       ## Perspektive für die Zukunft
       
       "Die griechische Wirtschaft hätte damit ein wettbewerbsfähiges Exportgut,
       und ein begehrtes dazu." Ohne solche Perspektiven tue er sich schwer, "dem
       deutschen Steuerzahler das erhebliche Risiko eines neuen Programms" für
       Griechenland aufzubürden. Weitere Hilfen für Griechenland verbindet
       Schäuble dem Zeitungsbericht zufolge mit konkreten Erwartungen. "Dazu
       gehören neben Privatisierungen gerade auch strukturelle Reformen am
       Arbeitsmarkt."
       
       Auch die Bundesbürger machen sich zunehmend Sorgen wegen der
       Griechenland-Krise. Trotz guter ökonomischer Daten fürchten laut einer
       Forsa-Erhebung für den "Stern" und den Fernsehsender RTL 44 Prozent eine
       Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Das seien vier Punkte mehr als
       vor einer Woche.
       
       "Das ist der höchste Wert in diesem Jahr", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner
       nach einer Vorabmeldung vom Dienstag. Mit 49 Prozent sei das Gefühl der
       Bedrohung bei den Selbstständigen besonders hoch.
       
       21 Jun 2011
       
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